Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Interpellation ist die Frage nach der Rechtsgültigkeit der Abkürzung der Wahlperiode für die kommunalen Vertretungskörperschaften in Schleswig-Holstein aufgeworfen. Es war deshalb zunächst die Aufgabe der Bundesregierung, festzustellen, ob das angefochtene schleswig-holsteinische Landesgesetz vom 20. November 1950, durch das unter Abkürzung der laufenden vierjährigen Wahlperiode Neuwahlen bis zum 30. April 1951 aus) geschrieben sind, gegen das Grundgesetz und gegen das Bundesrecht verstößt und deshalb ungültig ist.
Soweit es sich lediglich um Auslegungsfragen des Landesrechts handelt, haben wir es nur mit einer Verfassungsstreitigkeit innerhalb des Landes selbst zu tun. Zu ihrer Entscheidung würde infolgedessen nach der besonderen Vorschrift des § 37 der Landessatzung von Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949 das Bundesverfassungsgericht zuständig sein.
Die einzige bundesrechtliche Vorschrift, die Normativbestimmungen für die Wahlen zu den kommunalen Vertretungskörperschaften enthält, ist der Art. 28 unseres Grundgesetzes. Diese Vorschrift bestimmt in ihrem Abs. 1, daß diese Körperschaften aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgehen müssen, und sie enthält in dem Abs. 2 die institutionelle Garantie der Selbstverwaltung. Nur unter diesen Gesichtspunkten können die in der Interpellation aufgeworfenen Fragen auf Grund des Bundesrechts von Bundesregierung und Bundestag nachgeprüft werden.
Ich habe bereits zu der Anfrage Nr. 173 der Abgeordneten. Hagge, Steinhörster und Genossen ausgeführt, daß sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben haben, daß das Landesgesetz vom 20. November 1950 gegen einen dieser beiden eben von mir vorgetragenen Gesichtspunkte verstößt. In der Interpellation ist bemängelt worden, daß diese Erklärung rechtlich nicht begründet sei. Ich darf deshalb in Ergänzung meiner früheren Ausführungen darauf hinweisen, daß in keinem der beiden angeführten Absätze des Art. 28 des Grundgesetzes etwas über die Dauer und die Möglichkeit der Abkürzung der Wahlperiode der kommunalen Vertretungskörperschaften gesagt worden ist. Die Dauer der Wahlperiode zu bestimmen, ist in das Ermessen des Landesgesetzgebers gestellt. Daß eine laufende Wahlperiode durch Gesetz abgekürzt wird, ist sowohl hinsichtlich der staatlichen Parlamente als auch der kommunalen Vertretungskörperschaften durch Art. 28 des Grundgesetzes nicht ausgeschlossen. Die bundesgesetzliche Garantie der Selbstverwaltung verlangt lediglich, daß in jedem Kreis und in jeder Gemeinde stets eine kommunale Vertretungskörperschaft vorhanden ist und daß sie den Grundzügen des Art. 28 Abs. 1 entsprechen muß.
Die Sache läge nur dann anders, wenn die Wahl in eine kommunale Vertretungskörperschaft ein subjektives öffentliches Recht des Gemeindevertreters begründen würde, das dann allerdings nicht durch Landesgesetz aufgehoben werden könnte. Ein solches subjektives öffentliches Recht besteht aber nach allgemein gültigen Rechtssätzen weder für die Abgeordneten des Bundestages und der Landtage noch für die Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften. Es bestehen danach keine bundesrechtlichen Schranken, die dem Land Schleswig-Holstein verbieten, durch Gesetz die laufende Wahlperiode der kommunalen Vertretungskörperschaften abzukürzen.