Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige kurze Bemerkungen zu dieser Debatte.
Da es sich um eine Wahlrede handelt, bei der man das Recht der Paragraphen kaum in Anwendung bringen kann, möchte ich nur einige Grundsätze ansprechen; das Juristische halte ich für nebensächlich, und es ist ja hier auch schon erörtert.
— Das ist eine Sache für sich.
Die Situation ist die, daß es unter seht auffälligen und für gewisse Abgeordnete peinlichen Umständen
zur Einbringung der Vorlage über das Mitbestimmungsrecht kam. Ich glaube, das haben wir alle von ganz links bis rechts außer den Kommunisten empfunden. Soviel ist doch klar: ein Abgeordneter von einigem freiheitlichen Selbstbewußtsein mußte sich vom ersten Moment an bei Behandlung dieser Vorlage' in peinlicher Weise unter Druck gesetzt fühlen.
Ich erkläre Ihnen namens meiner Fraktion, daß wir bis zur Verabschiedung dieser Vorlage von diesem Druck nicht frei geblieben sind,
und wenn wir dagegen gestimmt haben, so ist das von einer Reihe meiner Fraktionsfreunde insbesondere deshalb getan worden, weil wir keinem Druck weichen wollten.
Das ist das, was seitens des Herrn Justizministers in einer Wahlversammlung. als ein Einbruch in demokratische Freiheiten gegeißelt worden ist.
Etwas anderes hat er meiner Überzeugung nach nicht gesagt. Wer hier in diesem Saal diesen Druck nicht gespürt hat, daß die Urindustrie, die Kohle und Eisen schaffende Industrie mitten im Winter die Tätigkeit einstellen und damit das deutsche Volk in ein Chaos stürzen wollte, der muß ein gefühlloses Individuum,
ja er muß ein Funktionär sein.
Ohne Rücksicht auf politische Parteirichtungen und Geschmacksfragen bin ich der Meinung, daß es dem Rechtsbeflissenen, auch dem Justizminister, in der Tat obliegt, in einer Wahlauseinandersetzung diese Dinge zur Sprache zu bringen.
Und noch ein zweites grundsätzliches Wort. Meine sehr geehrten Damen und Herren: Sind denn Bundesminister keine freien Menschen?
Dürfen die denn eigentlich auch in Wahlversammlungen immer nur ex cathedra als Minister sprechen?
Haben sie keine Privatmeinung? Kann man die Bundesregierung, die eine Koalitionsregierung ist, fragen, ob sie jedes in einem Wahlkampf gesagte Wort eines Ministers billigt? Ist das möglich?
Daß der Minister sich wegen des Gewichts seiner Worte eine gewisse Reserve auferlegen soll, darüber sind wir uns alle einig.
Aber ich meine, angesichts des Drucks, den ich
jedenfalls im tiefsten gespürt habe, hat der Herr
Minister der Justiz hier scheinbar nichts gesagt,
was er nicht vor sich, seiner Partei und auch vor
dem deutschen Volk sehr wohl verantworten kann.
Lassen Sie uns doch abschließend folgendes feststellen. Dieser mißliche Vorfall aus dem Januar bis März dieses Jahres möge unserer jungen Demokratie eine Lehre sein. Sie werden in den zukünftigen Parlamenten dieses Bundes keine freien Menschen mehr sehen, wenn es möglich ist, daß eine machtvolle Organisation wie die Gewerkschaften, die wir alle von ganz rechts bis ganz links in ihrer Existenz billigen, es für richtig hält, hier, unfreie Menschen zu Abstimmungsmaschinen zu erniedrigen. Der Versuch ist leider einmal gemacht geworden!