Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beabsichtige nicht, mich mit der Antwort der Bundesregierung auf die Interpellation auseinanderzusetzen, sondern mit dem Satz, den ich gleich vorlesen werde und der aus einer Erklärung stammt, die der Herr Bundesjustizminister am 17. April abgegeben hat. Ich zitiere das nach dem Schriftstück, das der Kollege Dr. Arndt hier vorhin übergeben hat. Dort heißt es:
Ich bezeichnete weiterhin als eine schwere Erschütterung der demokratischen Rechtsordnung, daß die Gewerkschaften, unterstützt von der Sozialdemokratie, durch die Streikdrohung den Bundestag zur gesetzgeberischen Anerkennung ihrer Forderung des Mitbestimmungsrechts in den Unternehmen des Bergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie nötigte.
Im Anschluß daran wird dieses „Nötigen" — nicht ein allgemeiner politischer Tatbestand — in Verbindung mit 'dem Strafgesetzbuch gebracht. Meine Damen und Herren! Ich stehe nicht an zu erklären, daß ich diesen Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers unter gar keinen Umständen zustimmen kann, ja, daß ich sie unbedingt ablehnen muß. Ich glaube, daß gerade diese Äußerung durchaus geeignet ist, auf das schwierige Gesetzgebungswerk, auf das wir Wochen intensivster Arbeit verwendet haben, historisch in einem falschen Licht erscheinen zu lassen.
Ich habe nicht die Absicht, mich mit der Vorgeschichte dieser Regierungsvorlage, die zu dem Gesetz geführt hat, zu beschäftigen; das ist eine Sache der Regierung. Was hier in diesem Hause geschehen ist, ist eine Sache des Parlaments. Sie wissen sehr gut, wie wir darum gerungen haben, diese Regierungsvorlage zu behandeln und sie umzugestalten, und Sie wissen sehr genau, daß die Vorlage schließlich jene Form erhalten hat, für die dann eine Mehrheit in diesem Hause zu finden war. Sie wissen ganz genau, und jeder, der sich einmal die drei Texte in der Gegenüberstellung ansieht – die Regierungsvorlage, die Beschlüsse des 20. Ausschusses und schließlich das inzwischen in Kraft getretene Gesetz —, weiß sehr gut, wieviel intensivste Arbeit darin steckt, und Sie, Herr Dr. Preusker, wissen es vielleicht noch besser als manche anderen Angehörigen dieses Hauses. Wenn das, was schließlich Gesetz geworden ist, anders — jedenfalls in einigen Punkten anders — aussieht als das, was in den kombinierten Ausschüssen als Vorlage verabschiedet werden konnte, dann lag das– und das wissen Sie ganz genau — nur daran, daß eben keine genügende Mehrheit in diesem Hause vorhanden war, um die Vorlage in diesem Sinne zu verabschieden.
— Herr Hasemann, das stimmt keineswegs! Sie haben nicht den Vorzug gehabt, bei den Verhandlungen in den Ausschüssen dabei zu sein, können also nicht wissen, wie tagelang — tagelang ist viel zuwenig gesagt —, ja wochenlang um .diese Dinge gerungen worden ist, und Sie wissen genau, wie wir uns bemüht haben, hier wirklich tragfähige Mehrheiten zustande zu bringen. Sie wissen, wie wir darum gerungen haben, dieses Gesetz . möglichst mit der Zustimmung des ganzen Hauses zu verabschieden. Deswegen ist es unerträglich, wenn gesagt wird, daß dieses Gesetz auf einem strafrechtlichen Tatbestand fundiere. Wenn das Haus sich das gefallen läßt, meine Damen und Herren, dann können wir die Gesetzgebungstätigkeit weitgehend einstellen.
Dieses Gesetz ist in diesem Hause mit einer sehr breiten Mehrheit verabschiedet worden. Ich glaube mich zu entsinnen, daß gesagt wurde, es sei gegen etwa 50 Stimmen verabschiedet worden.
— Das ist die Feststellung des Präsidenten gewesen; ich brauche im einzelnen nicht zu untersuchen, wie groß die Mehrheit war und ob nun 50 oder einige Stimmen mehr dagegen gewesen sind. Aber es ist kein Zweifel daran, 'daß es eine sehr breite Mehrheit gewesen ist, und nach Verabschiedung eines solchen Gesetzes — ich nehme an, daß diese Daten in der Weise zueinander passen — eine solche Behauptung aufzustellen, bedeutet das Verbreiten eines historisch nicht zutreffenden Bildes über den Tatbestand. Ich wehre mich ganz entschieden dagegen, daß irgendein Gesetz, welches hier von einer Mehrheit verabschiedet worden ist, als unter irgendeinem Druck zustande gekommen
angesehen werden könnte. Ich würde diesem Haus nicht einen Tag länger angehören, wenn ich unter Druck meine Stimme irgendeinem Gesetz geben sollte. Deswegen bin ich der Meinung, daß diese
Äußerung des Herrn Bundesjustizministers sehr zu beanstanden ist.