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Ich bezeichnete weiterhin als eine schwere Erschütterung der demokratischen Rechtsordnung, daß die Gewerkschaften, unterstützt von der Sozialdemokratie, durch die Streikdrohung den Bundestag zur gesetzgeberischen Anerkennung ihrer Forderung des Mitbestimmungsrechts in den Unternehmen des Bergbaues und der Eisen- und Stahlindustrie nötigten.
Ich erklärte dabei, daß derjenige, der es unternehme, eine gesetzgebende Versammlung zu einem Beschluß zu nötigen, nach dem Strafgesetz des Zuchthauses würdig sei.
Hierzu ist festzustellen: Der Herr Bundesjustizminister muß als Jurist wissen, daß er hier dem § 105 des Strafgesetzbuches eine Ausweitung gegeben hat, die keiner irgendwie gearteten sachlichen Nachprüfung standhält; denn die mit Zuchthausstrafe bedrohte Parlamentsnötigung setzt voraus, daß der gesetzgebenden Körperschaft selbst ein rechtswidriges Übel angedroht wird. Davon konnte im vorliegenden Falle, wie jeder Laie einsieht, überhaupt keine Rede sein.
Was haben denn die Arbeiter in der Kohle- und Stahlindustrie getan? Sie haben sich 1945 unter Übernahme der vollen Verantwortung dazu zur Verfügung gestellt, unsere schwergetroffene Wirtschaft an einem ihrer wichtigsten Punkte wieder aufzubauen. Sie haben sich, als ihre bisherige verantwortliche Stellung gefährdet erschien, zur Kündigung ihrer Arbeitsverträge ihren Sozialpartnern gegenüber, also den Unternehmen gegenüber, entschlossen, wenn diese Unternehmen ihnen nicht das Mitbestimmungsrecht fortgewähren wollten. Verhält sich denn ein Arbeitnehmer rechtswidrig, wenn er seinen Arbeitsvertrag nur unter der Voraussetzung fortsetzen will, daß er oder seine Gewerkschaft zur gleichberechtigten Mitbestimmung im Unternehmen mit berufen ist? Gibt es nach Auffassung des Herrn Bundesministers der Justiz etwa einen Arbeitszwang nach Art der Leibeigenschaft,
der es dem Arbeitnehmer versagt, sein Vertragsverhältnis zu lösen, falls die Bedingungen dieses doch vertraglichen Arbeitsverhältnisses nicht verändert werden? Im übrigen würde sich — nicht auf diesen Fall hier bezogen, aber um etwaigen künftigen Ausdeutungen vorzubeugen — die Rechtssituation auch nicht im geringsten verändert haben, wenn an Stelle der Kündigung der Einzelarbeitsverträge die kollektive Arbeitsniederlegung in Aussicht genommen worden wäre; denn nicht die Form der Arbeitsniederlegung, sondern ,der Zweck ist entscheidend. Und hier war der Zweck nicht irgendein öffentlicher, sondern ein nur auf den betreffenden Betrieb bezogener.
Der Hinweis auf eine Zuchthausstrafe entbehrte also in diesem Zusammenhang jeder sachlichen und auch jeder rechtlichen Richtigkeit und konnte keine andere Absicht verfolgen, als den Deutschen Gewerkschaftsbund mit Mitteln zu diffamieren, die jeder demokratisch und jeder rechtlich denkende Mensch auf das schärfste ablehnen muß. Außerdem sind die Behauptungen des Herrn Bundesministers
der Justiz tatsächlich falsch und beleidigen nicht nur den Deutschen Gewerkschaftsbund und die
Arbeitnehmerschaft, sondern, wie wir glauben, auch das Parlament. Denn angesichts der hier gegebenen Tatsachen glauben wir doch sagen zu dürfen, daß es nichts weiter als ein Gebot der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und ein Gebot der staatsmännischen' Klugheit war, die Dinge nicht draußen in den einzelnen Betrieben sich abspielen zu lassen, sondern sie nach Möglichkeit hier in gesetzgeberischer Form allgemeingültig zu gestalten.
Nicht die Gewerkschaften haben durch ihre Streikdrohung den Bundestag zu einem Gesetz genötigt, sondern die Bundesregierung selbst hat diese Gesetzesvorlage im 'Bundesrat und im Bundestag eingebracht. Nicht der Gewerkschaftsbund hat das Parlament zur Annahme eines Gesetzentwurfs genötigt, sondern der Bundestag hat sich in langen und eingehenden Beratungen mit Mehrheit, wie wir doch glauben dürfen, fr ei für das Gesetz über die Mitbestimmung entschieden. Die Arbeitnehmerschaft in den Betrieben der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie und der Kohleförderung wird künftig wie ehedem mitverantwortlich einer besseren sozialen Ordnung dienen. Sie legt aber Wert darauf, es unbeschwert durch die Dr. Dehlersche Sach- und Rechtsdiffamierung zu tun. Wir fragen deshalb — ich wiederhole —: Hat der Herr Bundesjustizminister sich in diesem Sinne geäußert und billigt die Regierung diese Äußerungen des Herrn Bundesjustizministers?