Wird ein anderer Antrag gestellt? — Das ist nicht der Fall. Dann darf ich annehmen, daß das Haus diesem Antrage auf Erledigung beitritt. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zum nächsten Punkt der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Äußerungen des Herrn Bundesministers der Justiz Dr. Dehler zum Mitbestimmungsrecht .
Zur Begründung der Interpellation hat das 'Wort der Herr Abgeordnete Wönner.
Wönner , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Pressemeldungen soll der Herr Bundesminister der Justiz in Uslar heftige Angriffe gegen die Gewerkschaften und gegen das Mitbestimmungsrecht gerichtet haben. Er soll das Mitbestimmungsrecht als eine von den Gewerkschaften geschaffene brutale Rechtlosigkeit bezeichnet t' und soll behauptet haben, daß die Gewerkschafter des Zuchthauses würdig geworden seien. Diese Berichte über solche Äußerungen des Herrn Bundesministers der Justiz haben in der breiten Öffentlichkeit, insbesondere natürlich in Gewerkschafts- und in allgemeinen Arbeiterkreisen, eine außerordentliche Beunruhigung und Erregung hervorgerufen.
Wir müssen deshalb die Bundesregierung fragen, ob der Herr Bundesminister der Justiz sich tatsachlich in diesem Sinne geaußert hat und ob die Bundesregierung solche Außerungen eines ihrer Mitglieder billigt?
Kein Gewerkschafter wird einen derartigen Angriff hinnehmen können. Der Deutsche Gewerkschaftsbund, der mehr als 5 Millionen Mitglieder zahlt, ist die überparteiliche Organisation der deutschen Arbeitnehmerschaft und starkstes Bollwerk der Demokratie. In aller Welt ist anerkannt, und die Bundesregierung selbst hat es wiederholt gewürdigt, daß diese einheitliche Gewerkschaftsbewegung in 'Deutschland einen überragenden Anteil am Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft
nach 1945 hat. Die Diffamierung des Deutschen Gewerkschaftsbundes durch den Herrn Bundesjustizministers ist nicht nur eine völlige Negierung der gewerkschaftlichen Aufbauleistung, sondern sie kommt einem direkten Angriff auf die Demokratie gleich.
Wieweit die Pressemeldungen im einzelnen die Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz richtig wiedergeben, wird der Herr Bundesminister der Justiz selbst zu erklären haben. Er hat jedoch — mit seiner Unterschrift — am 17. April 1951 an zahlreiche Zeitungen eine Stellungnahme versandt, die in ,den entscheidenden Punkten die Richtigkeit der Pressemeldungen bestätigt. In dieser Stellungnahme schreibt der Herr Bundesminister der Justiz:
Ich bezeichnete die Streikdrohung der Gewerkschaften als eine Machtpolitik aus Übermut, weil die Regelung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Unternehmen des Bergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie durch die Maßnahmen der Besatzungsmacht gegenwärtig festgelegt sei und für eine deutsche gesetzliche Regelung kein drängendes Bedürfnis bestehe.
Daraus folgt: Entweder weiß der Herr Bundesminister der Justiz als Mitglied der Bundesregierung überhaupt nicht, aus welchem Anlaß die deutsche Regelung des Mitbestimmungsrechts bei Kohle und Stahl notwendig wurde, oder der Herr Bundesminister der Justiz hat hier trotz besseren Wissens die Unwahrheit gesagt; denn es ist unrichtig, daß die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auch für die Unternehmen des Bergbaus durch Maßnahmen der Besatzungsmacht festgelegt gewesen sei, wie es für die Unternehmen der eisen- und stahlerzeugenden Industrie der Fall war. Es sollte weiter jedem bekannt sein —auch dem Herrn Bundesjustizminister —, daß im Zuge der von uns allen gewünschten und geforderten Aufhebung der Besatzungsvorschriften im Zusammenhang mit dem Gesetz Nr. 27 sich zwingend die unmittelbare Notwendigkeit ergab, die Frage des Mitbestimmungsrechts deutscherseits zu lösen. Andernfalls hätten mit der erwarteten und bevorstehenden Aufhebung der Besatzungsvorschriften die Bestimmungen des deutschen Handels- und Gesellschaftsrechts, die noch kein Mitbestimmungsrecht kennen, wieder Platz gegriffen. Der Herr Bundesminister der Justiz, zu dessen Ressort das Handels- und Ge. sellschaftsrecht gehört, muß das doch als erster wissen. Schon in ,der Behauptung, daß für eine deutsche gesetzliche Regelung kein drängendes Bedürfnis bestanden habe, liegt daher eine beklagenswerte Unwissenheit oder Unwahrheit begründet.
Wir fragen die Bundesregierung, wie sie sich dazu stellt, daß der Herr Bundesminister der Justiz gegenüber der Öffentlichkeit solche falschen Informationen geben kann. Wir fragen die Bundesregierung, ob sie es billigt, daß der Herr Bundesminister der Justiz den geschichtlichen Kampf der Gewerkschaften um ein eigenes deutsches Mitbestimmungsrecht als eine „Machtpolitik aus Übermut" zu bezeichnen wagt.