Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern haben die Alten erzählt, sie wäre so heftig gewesen, daß die Gefallenen sich noch im Jenseits gegenseitig bekriegt hätten. Fast so heftig wie die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern scheint der Wahlkampf in Niedersachsen am letzten Sonntag gewesen zu sein; denn noch drei Tage nachher kämpfen die Helden dieses Wahlkampfes auf der Tribüne des Deutschen Bundestages. Aber sie scheinen dabei zum Teil ganz übersehen zu haben, daß es in Deutschland nicht nur einen Nordwestdeutschen Rundfunk, sondern auch noch einige andere ganz beachtliche Rundfunkstationen gibt; denn der Nordwestdeutsche Rundfunk hat ja wohl den größten Teil der heutigen Reden ausgefüllt.
— Ich habe den Vorzug, Ihren Rundfunk nicht zu hören, bin also auch nicht befugt, Kritik zu üben. Ich glaube, ich kann nach all dem, was man von anderen erzählt bekommt, froh sein, daß ich ihn nicht höre.
Meine Damen und Herren, ich möchte auf den Kern der Dinge zurückkommen. Die Funkhoheit wird heute noch von den Alliierten ausgeübt, und das ganze Haus ist sich darin einig, daß dieser Zustand bald beendet und die Funkhoheit wieder auf deutsche Stellen zurückübertragen werden muß. Wenn und soweit hierzu ein Bundesrundfunkgesetz Voraussetzung sein sollte, wird es die Zustimmung auch der Christlich-Sozialen Union finden. Wir müssen aber betonen, daß ein Bundesgesetz über den Rundfunk noch nicht die Schaffung eines Bundesrundfunks bedeutet. Für den fehlen alle verfassungsmäßigen Voraussetzungen. Das Fernmeldewesen ist nach Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes Sache des Bundes und untersteht seiner ausschließlichen Gesetzgebung. Herr Kollege Dr. Besold hat gemeint, der Rundfunk sei bereits über das Fernmeldewesen hinausgewachsen und man könne ihn eigentlich nicht als Teil des Fernmeldewesens ansehen. Ich persönlich würde mich dieser Meinung gerne anschließen, und ich weiß, daß viele Fachleute der gleichen Meinung sind. Der Parlamentarische Rat ist aber anderer Meinung gewesen. Es war einhellige Auffassung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates, daß der Rundfunk ein Teil des Fernmeldewesens sei.
Er hat es ja damals auch abgelehnt, einem Antrag des damaligen Abgeordneten und heutigen Innenministers Dr. Lehr zu entsprechen, Fachleute zur Beratung dieser Frage zuzuziehen, und hat sie aus eigener Sachkunde dahin entschieden, daß der Rundfunk Teil des Fernmeldewesens ist.
Im Parlamentarischen Rat ist aber auch deutlich ausgesprochen worden, daß sich dies einzig und allein auf die technische Seite und nicht auf die kulturell-organisatorische Seite des Rundfunks beziehen kann. Ich brauche nicht nur Herrn Geheimrat Laforet und seine Ausführungen im Parlamentarischen Rat zu zitieren; ich kann auch Herrn Kollegen Carlo Schmid nennen, von dem das Zitat stammt, das Herr Dr. Besold angeführt hat, daß man nämlich die Übertragung einer Beethoven-Symphonie nicht als Teil des Fernmeldewesens ansehen kann. Schließlich ergibt es sich aus der Natur des Rundfunks, dessen Aufgabe darin besteht, Kulturgut zu übermitteln und damit öffentliche Kulturpflege zu treiben, daß man ihn als Ganzes nicht als Teil des Fernmeldewesens ansehen kann. Sonst müßten Sie ja den geistigen Inhalt einer Sendung zur Funktion der Technik erklären, und das wird niemand in diesem Hause wollen, nicht einmal ein Vertreter mechanistischer Staatsauffassungen.
Wenn aber nur die technische Seite des Rundfunks — also diejenige Seite, die in unlöslicher Verbindung mit dem Funken selber als technischem Betrieb steht — Sache des Fernmeldewesens und damit nach dem Willen des Parlamentarischen Rates Sache der Bundesgesetzgebung ist, dann erstreckt sich auf alle übrigen Gebiete des Rundfunks die Gesetzgebung der Länder; denn nach dem Grundgesetz behalten die Länder sämtliche Rechte in Gesetzgebung und Verwaltung, die nicht ausdrücklich dem Bund übertragen worden sind. Der Bund ist nicht einmal befugt, ein Rahmengesetz über die kulturell-organisatorischen Fragen des Rundfunks zu schaffen.
In dieser Beziehung ist er auf dem Gebiete des Films und auf dem Gebiet der Presse viel freier gestellt und hat er ein viel größeres Maß an Gesetzgebungsrechten als eben beim Rundfunk. Wenn ich dies feststelle, dann darf ich ausdrücklich betonen, daß die Gesetzgebung über alle Fragen der Organisation, über die Errichtung von Sendestationen, die Verleihung des Sende- und Empfangsgeräts, über alle Fragen der Programmgestaltung und der etwaigen politischen Kontrolle im Sinne des Verfassungsschutzes ausschließlich Landessache ist. Hier kann wirklich die Gesetzgebung der amerikanischen Zone Vorbild sein, in der für jedes Land ein eigener Sender besteht. Wenn kleinere norddeutsche Länder kein Interesse an einem solchen Sender haben, ist es ihnen überlassen, sich auf dem Wege des Verwaltungsabkommens mit anderen Ländern zum Betrieb eines gemeinsamen Senders zusammenzufinden. Man darf aber nicht den Ländern, die auf Grund eines gültigen Rundfunkgesetzes bereits einen Rundfunk haben, diesen wider ihren Willen nehmen.
Im übrigen glaube ich, daß heute die einhellige Meinung der Öffentlichkeit dahin geht, daß ein Staatsrundfunk weder in den Ländern noch im Bund erwünscht ist. Wir haben in der amerikanischen Zone eine weitgehende Selbstverwaltung. Davon sollte allerdings nicht die Frage betroffen werden, daß die Regierungen der Länder und des Bundes Gelegenheit haben müssen, das Volk über ihren Standpunkt zur Politik ausreichend zu in-
formieren. Ein Schutz der Verfassung nach der personellen und sachlichen Seite muß auch bei den Rundfunkstationen der Länder möglich sein.
Wenn nun aber schon Bedenken gegen die Schaffung eines Staatsrundfunks auf Länderebene bestehen, so müssen sich diese gegen einen Bundesrundfunk vervielfachen. Denn ein solcher Bundesrundfunk wäre ja in der Lage — wie es einst der Reichsrundfunk war –, die Meinung auf den Ätherwellen zu monopolisieren, selbst dann, wenn er von der Bundesregierung formell unabhängig wäre. Das wäre aber der Anfang jener Druckknopfpolitik, die uns schon einmal in die Katastrophe geführt hat. Wenn wir uns allerdings auf den Boden des Grundgesetzes stellen, dann ist es gar nicht möglich, daß eine solche Gefahr aufdämmert, weil eben der Funk nur Landesangelegenheit sein kann.
Es ist deshalb völlig unmöglich, einen Bundesrundfunkrat zu fordern — wie es der Vertreter der Deutschen Partei getan hat —, der die Programmgestaltung der Sender beeinflussen, kontrollieren oder regulieren soll. Dem müssen wir, schon weil es verfassungswidrig ist, energisch widersprechen. Ich darf allerdings auch betonen: Wenn der Bund eine Zuständigkeit nur für die technische Seite des Rundfunks hat, dann wundern wir uns, daß in der Bundesregierung ressortmäßig offenbar das Innenministerium zuständig ist; denn eigentlich kann hier nur das Postministerium zuständig sein.
Unabhängig von allen verfassungsrechtlichen Fragen will .ich aber nicht verkennen, daß der Bund im Hinblick auf den Osten auch gewisse gesamtdeutsche Aufgaben und im Hinblick auf die Welt auch gewisse außenpolitische Aufgaben im Äther hat und haben muß. Ohne heute im Rahmen der beschränkten Redezeit dazu Stellung zu nehmen, ob dies ohne Änderung des Grundgesetzes möglich ist, erscheint mir, wenn schon eine Lösung gefunden werden muß, als einzig tragbare Lösung die, daß neben die Landessender ein Bundessender tritt, der diese Aufgaben übernehmen könnte. Das würde den föderativen Charakter des Grundgesetzes nicht stören, würde auch die Rechte der Länder auf ihre Sender nicht beeinträchtigen und könnte doch dem Bund das geben, was er vielleicht aus gesamtdeutschen und außenpolitischen Gründen notwendig hat.
— Natürlich der Bund! Das kann er ja; wenn das Land Bayern sich einen Rundfunk halten kann, wird sich der Bund doch auch noch einen leisten können.
Abgesehen von dieser Frage glaube ich aber, daß ein Bundesrundfunkgesetz die Vertretung der deutschen Sender gegenüber dem Ausland auf internationalen Konferenzen und die Frage der Wellenverteilung zu regeln hätte. Die Frage der Wellenverteilung ist deswegen besonders kritisch, weil schon in der nationalsozialistischen Zeit der deutsche Rundfunk über sehr wenig Wellen verfügt hat, da ja der Reichsrundfunk gar kein Interesse daran hatte, viele Wellen zu haben; denn er wollte sowieso eine uniforme Meinung herstellen. Es läge also nur im Interesse der Bestrebungen der Besatzungsmächte, die Demokratie in Deutschland zu fördern, wenn sie sich dafür einsetzen wollten, daß wir weitere Wellen erhalten oder daß wenigstens ein Teil der von ihnen beschlagnahmten Wellen den deutschen Sendern zurückgegeben würde.
Das Bundesrundfunkgesetz hätte darüber hinaus das Verhältnis zur Post zu regeln. Es ist nicht naturnotwendig, daß der Rundfunk mit der Post gekoppelt ist. Es gibt Länder, in denen das nicht der Fall ist. Es gibt viele Länder, in denen die Gebühren, die die Post einsteckt, erheblich geringer sind als in der britischen und amerikanischen Zone. Aber es wird sich nach den Erfahrungen vor 1933 sicherlich bewähren, die technischen Angelegenheiten der Post zu übertragen. Die Einzelheiten mag man regeln. Diese Dinge also gehören dem Bunde; das übrige gehört den Ländern. Es wird allerdings vielleicht auch zweckmäßig sein, den Intendanten der Ländersender die Möglichkeit zu geben, in einem Ausschuß gleichberechtigt mit den Vertretern der Post auch dort mitzuwirken, wo es sich um die Frage der internationalen Vertretung, der Wellenverteilung usw. handelt. Sie haben schließlich ihre Aufgaben bisher nicht schlecht erfüllt; denn die Zusammenarbeit der westdeutschen Rundfunkstationen wird von allen Seiten als befriedigend geschildert. Außerdem ist es den Intendanten der amerikanischen Zone gelungen, die Auflagesendung der „Stimme Amerikas" auf eine vertragliche, kündbare, auf die Hälfte der Sendezeit beschränkte und außerdem sendezeitmäßig beliebig verschiebbare Sendung herunterzudrücken und damit einen Erfolg zu erzielen, den sicher auch andere Stellen nicht besser hätten erzielen können.
Wir schließen uns nun dem Antrag an, den Antrag der Deutschen Partei den Ausschüssen zu überweisen, insonderheit auch dem Rechtsausschuß, damit er die verfassungsmäßige Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Bundesrundfunkgesetzes prüft.
Eines möchte ich zum Schluß noch eindeutig betonen: Die Freiheit des Funks, die Art. 5 des Grundgesetzes zusichert, bleibt reine Theorie, wenn nur eine Meinung die Ätherwellen beherrschen und wenn nur e i n Träger des Rundfunkwesens in Deutschland bestehen sollte. Über der technisch notwendigen Einheitlichkeit auf den Gebieten der Wellenverteilung und des Technischen überhaupt dürfen wir nicht die geistige Vielfalt der deutschen Kultur übersehen, auf der einzig und allein die Kraft und die Bedeutung der deutschen Kultur beruht.