Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hatte im Verlauf dieser Debatte doch leider den Eindruck, daß der mit so viel Rasanz geführte niedersächsische Wahlkampf hier heute seinen Ausklang feiert.
Es ist zum Teil zu einer parteipolitischen Auseinandersetzung gekommen. Man hat über Stellenbesetzungen, über Diäten des Rundfunks und kriminalistische Versuche des Rundfunks gesprochen, aber allzuwenig über das Bundesrundfunkgesetz und über die Dinge, die in diesem Zusammenhang der Regierung vielleicht vorgeschlagen werden könnten. Ich will daher versuchen, in der Art einer Diskussion darüber zu sprechen, wie man sich die Neuordnung des deutschen Rundfunkwesens in den Kreisen der FDP-Fraktion denkt, für die hier zu sprechen ich die Ehre habe.
Ich möchte zunächst die verfassungsrechtliche Situation kurz streifen. Ihnen, Herr Kollege Dr. Besold von der Bayernpartei, muß ich leider sagen, daß Sie die Protokolle des Parlamentarischen Rates schlecht gelesen haben.
Es ist kein Zufall, daß der Rundfunk zum Beispiel nicht in Art. 75 erwähnt ist; in den Rahmenvorschriften des Bundes sind nur Presse und Film genannt. Herr Kollege Renner, der sich ja als ein gewisser Meister parlamentarischer Zwischenrufe nicht nur hier, sondern auch im Parlamentarischen Rat schon bewährt hat, hat auf die Frage: „Wo kommt der Rundfunk hin?" im Rahmen der Debatte um Art. 75 den Zuruf eines anderen Abgeordneten bekommen: „Der ist ja bereits in Art. 73, im Post- und Fernmeldewesen erfaßt". Sie sehen also, daß man damals ohne Widerspruch von irgendeiner Seite im Parlamentarischen Rat Post- und Fernmeldewesen sehr extensiv ausgelegt hat. Die Trennung, die auch der Herr Minister vorgenommen hat, eine ganz klare Scheidung in das Technische und das sogenannte Geistige, läßt sich nicht durchführen; denn der Rundfunk ist schließlich eine Institution besonderer Art. Sie können nicht eine so schematische Zäsur machen.
Meine Fraktion ist der Auffassung, daß Art. 73 Ziffer 7 dem Bunde eine weitgehende Vollmacht im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebung gibt. Sie sehen ja selbst an Ihrem Antrag betreffend Radio München, wie sehr Sie die Hilfe des Bundes nötig haben und wie wenig Sie allein auskommen können. Wenn ich boshaft wäre, würde ich sagen: Der Kopenhagener Wellenplan hat auch etwas Gutes gehabt; denn er hat wenigstens das erreicht, was in Bayern bisher niemand erreicht hat, nämlich viele bayerische Hörer mit den Kommentaren von Walter von Kube ab und zu zu verschonen.
Meine Damen und Herren! Es ist wohl selbstverständlich — und es denkt in diesem Raume keiner anders —, daß die besatzungsatmosphärisch entstandene Situation des Rundfunks von 1945 endlich unter deutscher Verantwortung geändert werden muß.
Man kann sich da nicht auf die Länder berufen. Ich rufe Ihnen auch hier, Herr Kollege Dr. Besold, ein Wort zu, das im Parlamentarischen Rat ausgesprochen wurde: die Entstehung der Länder — jedenfalls mancher Länder — ist mehr originell als originär. Ich spreche nicht von Bayern. Ihnen gestehe ich das Recht zu, sich auf Reservate zu berufen, wie Sie es getan haben. Aber wollen Sie jedem der verschiedenen Zufallsländer seinen eigenen Sender und seine eigene Kulturpolitik geben, Herr Besold? Die Tatsachen sind doch über diese Lösung von 1945 längst hinweggeschritten.
Wir geben Ihnen zu dem Bundesrundfunkgesetz eine ganze Anzahl von Empfehlungen. Wir möchten nicht, daß der Entwurf der Intendanten vom 29.9. 1950 etwa der Rahmen für den Entwurf der Bundesregierung wird. Wenn ich diesen Entwurf der Intendanten der deutschen Sender mit einem Schlagwort umreißen soll, so möchte ich sagen: Jedem Intendanten seinen eigenen Sender! Denn so ist der Entwurf aufgebaut. Er beschränkt die Einwirkungen des Bundes auf das rein Technische. Er will in § 16 einen Rundfunkbeirat schaffen. Er will in § 17 die Befugnisse des Rundfunkbeirats so festsetzen, daß der Bund in Rundfunkangelegenheiten lediglich beratend mitwirkt. An internationalen Verhandlungen der Bundesregierung ist der Rundfunkbeirat zu beteiligen; bei der Festsetzung der Genehmigungsbedingungen und der Vorschriften für
Überwachung der Rundfunkempfangsanlagen wirkt er nach Maßgabe der anderen Paragraphen mit. Das scheint uns in bezug auf die Möglichkeiten des Bundes, im Rundfunkwesen tätig zu werden, wesentlich zu wenig zu sein.
Nun wird die grundsätzliche Frage auftauchen: Wollen wir eine Zerschlagung des Rundfunks in Landessender oder wollen wir leistungsfähige Sendegesellschaften? Die FDP ist der Auffassung, daß es nicht richtig wäre, bestehende starke Sendegesellschaften wie z. B. den NWDR zu zerschlagen und einen Landessender Nord und einen Landessender West zu schaffen. Sie hält vielmehr die Zusammenfassung einiger Sender in eine Sendegesellschaft für viel richtiger, weil eben eine solche Zusammenfassung leistungsfähiger ist. Des weiteren läßt sich auf diesem Wege die Wellensituation optimaler ausnutzen. Auch hier verweise ich auf Ihren eigenen Antrag. Sie brauchen ja gerade die Hilfe der anderen, um für München eine bessere Welle zu bekommen. Gerade der Fall München beweist, daß eben nur Sendegesellschaften die uns leider zur Verfügung stehenden schlechten Wellen so optimal wie möglich einsetzen können. Ich möchte noch erwähnen, daß nur leistungsfähige Sendegesellschaften auch Forschungsarbeit betreiben können. Hier verweise ich auf den großen Abstand, den wir leider Gottes gegenüber dem Ausland haben. Im Fernsehen ist uns das Ausland zehn Jahre, im Amateurfunk vielleicht zwanzig Jahre voraus. Auch dieses Programm kann nicht von finanzschwachen kleinen Sendern, von Landessendern durchgeführt werden. Es bedarf hier der leistungsfähigen Zusammenfassung. Nicht zuletzt ist auch die Repräsentation gegenüber dem Ausland eine deutsche Angelegenheit, Herr Kollege Seelos, und nicht eine bayerische, pfälzische, niedersächsische, bremische oder hamburgische.
Wie soll nun aber diese Organisationsform aussehen? Hier möchte ich etwas auf den NWDR eingehen. Ich möchte dabei nicht die Fortsetzung jener Auseinandersetzung, von Angriff und Gegenangriff, die wir eben hörten, praktizieren. Der NWDR ist durch ein Statut ins Leben gerufen worden, oder besser: seine Körperschaft ist durch die Militärverordnung Nr. 118 am 19. August 1949 ins Leben gerufen worden —, also allzu rasch und allzu eigenartig kurz vor der Konstituierung der Bundesorgane. Er soll parteipolitisch frei sein. Ja, meine Damen und Herren, ist er es denn? Hier kommen wir zum Kernpunkt der NWDR-Auseinandersetzung. Der NWDR ist leider nicht parteipolitisch frei, weil seine beiden Gremien, nämlich der Hauptausschuß und der Verwaltungsrat, nach parteipolitischen Gesichtspunkten besetzt werden müssen. Warum? Der Hauptausschuß besteht aus 16 Mitgliedern, darunter die vier Ministerpräsidenten und die vier Kultusminister. Es ist doch bekannt, daß Ministerpräsidenten und Kultusminister politische Exponenten sind. Auf dem Umwege über die Ministerpräsidentschaft und die Ministerien kommt also doch ein parteipolitischer Exponent in den Hauptausschuß. Von den sieben Persönlichkeiten des Verwaltungsrats sind ebenfalls sechs exponierte politische Persönlichkeiten. Entweder muß hier die gesamte politische Struktur in der britischen Zone — verzeihen Sie mir noch einmal das Zonendenken — beteiligt werden, entweder müssen alle in den Landtagen vertretenen Parteien in Hauptausschuß und Verwaltungsrat mitsprechen können, oder es darf überhaupt keine partei-
politisch exponierte Persönlichkeit, auch nicht auf dem Umwege über den Ministerpräsidenten, in den Hauptausschuß und den Verwaltungsrat hinein.
Zur Frage der politischen Sendung. Vielleicht ist hier an eine Art Selbstkontrolle zu denken. Ich weiß, daß der NWDR selbst die Einrichtung eines Senats plant. Natürlich kann diese Selbstkontrolle immer erst nach den Sendungen tätig werden, aber ich könnte mir denken, daß ein siebenköpfiger Senat in der Lage wäre, bei Streitfällen zu klären, ob diese oder jene politische Richtung benachteiligt ist. Mir sagte unlängst ein von mir hochgeschätzter und hier genannter Rundfunkkommentator: Die eine politische Partei hält uns das linke Nasenloch zu, die andere das rechte, die dritte den Mund, der Verwaltungsrat hält uns die Hände fest, und dann sollen wir noch arbeiten! Im Sinne einer besseren Rundfunkarbeit gilt es, den Rundfunk weitestgehend von den parteipolitischen Einflüssen aller Art zu befreien. Vielleicht ist ein solches Organ der Selbstkontrolle — natürlich nur für die politische Sendung — die richtige Institution.
Nun zur Einschaltung der Bundesregierung. Herr Kollege Brunner, wir sind in vielen Dingen, gerade in Rundfunkangelegenheiten, gleicher Meinung. Sie können aber der Bundesregierung in so hochgespannten politischen Zeiten nicht das Recht absprechen, vom Rundfunk Gebrauch zu machen, wenn es gilt, die Bevölkerung schnell aufzuklären oder eine Panikstimmung zu verhindern. Selbstverständlich ist es auch ein Recht der Opposition, zu Wort zu kommen. Ich habe das Gefühl, daß man jetzt allmählich im NWDR jene Form findet. Wir sollten also die Ansätze, die sich jetzt zeigen, nicht als ein Nachgeben des Generaldirektors Grimme noch als ein zu starkes Drängen der Bundesregierung ansehen, sondern als einen glücklichen Weg, hier die richtige Form des Einsatzes des Rundfunks für Regierung und Opposition zu praktizieren.
Als ich an einem Sonntagabend — da haben sogar Parlamentarier die Zeit, Rundfunk zu hören — den Rundfunk einschaltete, hörte ich nach den Nachrichten jenen von Haß triefenden Kommentar des Herrn Auerbach. Meine Damen und Herren, wenige Stunden vorher hatte sich das Landsberger Ereignis abgespielt, und zwar in einer anderen Form, als es Herr Auerbach dargestellt hat. Herr Kollege Seelos wird es bestätigen können; denn er hat mich wenige Tage später daraufhin angesprochen. War es nötig, daß wenige Stunden später Herr Auerbach eine solche Sendung direkt ins Mikrophon, nicht einmal aufs Band sprach? — Sehen Sie, zumindest so schnell wie Auerbach muß auch die Bundesregierung Gelegenheit haben, zu solch aktuellen Fragen Stellung zu nehmen.
— Daß er es ist, weiß ich nicht einmal. Ich möchte die ganze Debatte aus der parteipolitischen Sphäre heraushalten.
Ich möchte noch auf einige Details zu sprechen kommen, zunächst auf die Frage der Haushalte. Selbstverständlich muß eine öffentlich-rechtliche Körperschaft die Haushalte veröffentlichen. Hier hat der NWDR nicht richtig gehandelt, daß er dies eben erst jetzt tut und nicht schon vor Jahren. — Auch die Ausschreibung gewisser Aufträge ist nötig. Man muß nicht nur Künstler des Hauses beteiligen. Es darf nicht zu einem Team kommen, zu einem Schneeball-System der Vergebung der künstlerischen Aufträge. Es soll und muß hier auch der Künstler, der außerhalb eines Rundfunkteams steht, beteiligt werden können. Ich erinnere an die Auseinandersetzungen um die Schlagertexte von Kurt Feltz und was da alles an unerfreulichen Dingen z. B. durch die Rundfunkpresse der Öffentlichkeit bekanntgegeben wurde.
Ich möchte, daß das Amateur-Funkwesen wesentlich mehr gefördert wird. Es ist 1933 von Hitler verboten worden. Wir hinken daher 20 Jahre hinterher. Das wäre eine Aufgabe des Bundesrundfunkgesetzes, hier große Vollmacht für das Amateur-Funkwesen zu schaffen und ihm vielleicht auch von den Rundfunkbeiträgen materielle Unterstützungen zu geben.
Die Rundfunkzeitschriften sind erwähnt. Selbstverständlich kann der NWDR das Programm erläutern, indem er z. B. einen kostenlosen Kommentar für die 2 DM Sendegebühr leistet. Wir verwahren uns aber dagegen, daß eine rundfunkeigene Zeitschrift den monopolistischen Charakter des Rundfunks noch stärker zum Ausdruck bringt. Die Kritik sollte man ruhig einer Vielzahl von Rundfunkzeitschriften im freien Wettbewerb überlassen.
Ich möchte nun zum Schluß noch etwas zu der Gesamtstellung des Rundfunks sagen. Meine Damen und Herren, es bedarf nicht erst der Erfahrung, die wir haben, und es bedarf auch nicht erst des Lesens von Gustave Le Bons Massenpsychologie, um zu wissen, welch staatspolitisch wertvolles Instrument der Rundfunk sein kann, wenn er richtig angesetzt ist, und wie vernichtend und verheerend der Rundfunk sein kann, wenn er mißbraucht wird. Es muß also hier im neuen Bundesrundfunkgesetz der richtige Rahmen gesucht werden. Vielleicht wird der richtige Weg in der Mitte zwischen der früheren Zentralisation im Reichsrundfunk und der jetzigen Zerschlagung in Zufalls-Sendegesellschaften und Zufalls-Sender liegen. Ich empfehle der Bundesregierung, sich dann speziell auf die alten erfahrenen Rundfunkpioniere Deutschlands, Bredow und Magnus, zu berufen und sie mit heranzuziehen für die Ausarbeitung des Bundesrundfunkgesetzes. Im übrigen, Herr Bundesinnenminister, sollte man in bezug auf Kompetenzen nicht zu ängstlich sein. Sehen Sie: auch das Grundgesetz ist nicht ewig.
Es heißt selbst in Art. 146:
Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Meine Damen und Herren, wer will etwa leugnen, daß die Entwicklung auf vielen Gebieten längst über die Situation hinausgegangen ist, die damals im Parlamentarischen Rat noch geherrscht hat! Ein solches Gebiet, das dringend einer Neuordnung bedarf, einer Herausnahme aus dem besatzungsatmosphärischen Raum und einer Hineinnahme in alleinige deutsche und in europäische Verantwortung, das ist der deutsche Rundfunk.
Ich komme hier noch zu einer Frage, die kurz anzuschneiden ist, zur Frage der Vertretung des deutschen Rundfunks im Ausland. Meine Damen und Herren, jetzt nach sechs Jahren gibt es im ganzen Auslande noch keinen deutschen Rundfunkkorrespondenten, der den Deutschen über die deutsche Welle direkt aus dem Auslande Eindrücke vermittelt. Ich erinnere mich noch der früheren Sendungen von Kurt G. Sell „Worüber man in Amerika spricht". Wenn schon die Sendegesellschaften bisher
nicht in der Lage waren, Auslandskorrespondenzen einzurichten, und zwar so einzurichten, daß sie nicht nur Deutschland repräsentieren, sondern auch wirklich die Stimme aus dem Ausland nach Deutschland hereintragen — unbeeinflußt von den Besatzungsmächten —, dann ist das, wenn es schon die Sendegesellschaften nicht konnten, auch eine Aufgabe, der sich die Bundesregierung annehmen sollte.
Wir stimmen dem Antrage auf Verweisung an die drei Ausschüsse zu und bitten dringend, die Behandlung des Problems so zu beschleunigen, daß wir es nicht nur aus staatspolitischen, sondern auch aus Gründen unserer demokratischen Sicherheit bald nicht mehr nötig haben, den sächsischen Dialekt aus Leipzig in München zu hören, Herr Kollege Seelos.