Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erklärungen und Mitteilungen des Herrn Bundesinnenministers waren hinsichtlich der künftigen Unabhängigkeit der deutschen Rundfunkgesellschaften derart alarmierend, daß die größten Bedenken geltend gemacht werden müssen. Anläßlich der Debatte über den Südweststaat ist hier in einer ganzen Anzahl von Reden die Vorzugswürdigkeit des Föderalismus gegenüber dem Zentralismus vertreten worden, wenn auch, wie ich glaube, in einer dafür wenig geeigneten Sache. Nun steht heute ein Antrag zur Debatte, bei dem die Ernsthaftigkeit der Vertreter des Föderalismus hinsichtlich der Treue zu ihren Prinzipien geprüft werden kann, d. h. hier ist wieder einmal an einem Beispiel zu prüfen, für wen der Föderalismus ein Prinzip und für wen er ein taktisches Mittel ist.
Der Antrag will, wenn er überhaupt einen Sinn haben soll, die Priorität des Bundes in Rundfunkfragen durch Erlaß eines Bundesrundfunkgesetzes sicherstellen. Es soll demnach eine öffentliche Einrichtung mit weit überwiegend kulturpolitischem Gehalt, die wie kaum eine andere geeignet ist, die Eigenarten und das Gedankengut der Länder zum Ausdruck zu bringen, einer zentralen Regelung unterworfen werden. Da scheint mir nun die Feststellung erlaubt, daß es wirklich erstaunlich ist, daß dieser Antrag von der Deutschen Partei gestellt wird, von einer Partei also, die zumindest von sich behauptet, eine föderalistische Partei zu sein;
aber möglicherweise ist das weniger erstaunlich als verdächtig.
Denn wenn .man die methodische Irreführung der öffentlichen Meinung durch die Informationsquellen der Deutschen Partei beobachtet, dann nimmt die Richtigkeit der Meinung an Wahrscheinlichkeit zu, daß mit diesem Antrag etwas ganz anderes beabsichtigt wird, als das, von dem gesprochen wird.
Da empfehle ich beispielsweise die Lektüre der der Deutschen Partei nahestehenden Zeitung „Niederdeutsche Stimme". In der Nummer 8 dieser Zeitung heißt es u. a. — Sie gestatten, Herr Präsident, daß ich das zitiere —:
Man fragt in Bonn bis heute vergeblich nach den Hintergründen, die die Vorlage dieses wichtigen Gesetzes immer wieder verzögern. Schon vor Jahresfrist sagte man uns im Bundesinnenministerium die Fertigstellung des Bundesrundfunkgesetzes für Herbst 1950 voraus. Tatsächlich hat der Entwurf bis. heute noch nicht einmal die Kabinettsebene erreicht. Angesichts dieser Verzögerungstendenzen sind Rundfunkgesetzentwürfe nunmehr auch im Bundespostministerium im Entstehen bzw. im Bundesjustizministerium diskutiert warden:
Meine Damen und Herren, ich möchte gern einmal
wissen, was der Bundesjustizminister dazu sagt.
Der Bundesjustizminister, der — wenn man sich
das so überlegt — ja immer grundsätzlich mißverstanden wird, sollte sich darüber klar sein, daß
auch mit dem Erlaß eines Bundesrundfunkgesetzes
diese grundsätzlichen Mißverständnisse seiner
Reden nicht aufhören werden.
In dem Aufsatz heißt es aber nun bemerkenswerterweise weiter:
Und es gibt wirklich eine Fülle ungeklärter
Rechtsfragen dabei, vor allem die, wer Träger
der künftigen Rundfunkgesellschaften werden soll, wie die Meinungsfreiheit garantiert werden soll, —
und dann heißt es — und das kennzeichnet vielleicht die Atmosphäre, aus der dieser Aufsatz geschrieben worden ist —:
aber das sind Probleme, die in Gesetzentwürfen ohne Zweifel zu bändigen sind.
— So heißt es in diesem Aufsatz!
Nun, so glaube ich aber, kommen wir zu dem Kern des ganzen Antrags. Da ich mir kaum vorstellen kann, daß die Deutsche Partei nicht weiß, daß die Rundfunkgesellschaften Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind und damit zur Rechnungslegung gegenüber irgendeinem obersten Rechnungshof verpflichtet sind, daß damit und in Verbindung mit den bei allen Rundfunkgesellschaften geschaffenen überparteilichen Verwaltungs- und Rundfunkräten die wohl zunächst beste Form, einer staatlichen Bevormundung zu entgehen und doch einen irgendwie gearteten Mißbrauch auszuschließen, geschaffen worden ist, — da ich mir nicht vorstellen kann, daß die Deutsche Partei das nicht weiß, möchte ich annehmen, daß sie, wenn sie nicht eine staatliche Kontrolle will, mit der Art und Weise nicht einverstanden ist, wie in den Rundfunkgesellschaften die Meinungsfreiheit garantiert wird.
Ich werde zu der Frage des NWDR nicht Stellung nehmen; das wird mein Freund Brunner tun. Aber ich möchte mich mit diesem Argument einmal grundsätzlich kurz beschäftigen. Wenn es eine wirklich begründete Berechtigung hätte —, die Sicherung und Wahrung der Meinungsfreiheit besteht doch keineswegs darin, meine Damen und Herren, daß der Rundfunk das Sprachrohr der Regierung
oder einer Partei ist.
Und die Meinungsfreiheit wird doch nicht schon dadurch verletzt, daß Kommentatoren gelegentlich — oder auch gelegentlich nicht — die Meinung der Regierung vertreten.
Sie wird verletzt, wenn sie ausschließlich oder überwiegend das eine oder das andere tun.
Wir haben durchaus Veranlassung, zu beanstanden, daß der Nordwestdeutsche Rundfunk — dazu wird mein Parteifreund Brunner etwas sagen — einem starken Druck von Regierungsseite und von CDU-Kreisen und möglicherweise auch von Ihrer Seite
unterstellt wird und diesem Druck allzu leicht nachgegeben hat.
Wir haben Verständnis dafür, wenn sich die Regierung zu gegebener Zeit des Rundfunks bedient,
um zu wichtigen Fragen die gebotene Aufklärung
zu geben. Daraus folgt in einem demokratischen
Staat die selbstverständliche Konsequenz, daß der
Opposition dieselben Möglichkeiten gegeben werden.
— Ach, reden Sie doch nicht! Sie kennen anscheinend die Sendungen des Nordwestdeutschen Rundfunks oder anderer Rundfunkgesellschaften gar nicht! Vielleicht hören Sie sie nicht einmal! Mir ist nicht bekannt, daß die Regierung nicht auch von dieser Möglichkeit ausreichend Gebrauch gemacht
hat, und mir ist auch nicht bekannt, daß die Rundfunkgesellschaften, ganz gleich welche, nicht auch diesen Wünschen weitgehend Rechnung getragen haben. Mir ist im Gegenteil bekannt, daß Rundfunkgesellschaften an die Regierung herangetreten sind — an den Bundeskanzler beispielsweise —, zu wichtigen Fragen der Politik Stellung zu nehmen.
Was bleibt also übrig? Dazu möchte ich folgendes sagen — und das scheint mir besonders wichtig zu sein —: Es ist mir bekannt, daß die ganze Horde der Goebbels-Rundfunkkamarilla und NS-Günstlinge ihre Rückkehr in den Rundfunk anstrebt.
Es ist mir auch bekannt, daß die von diesen Leuten
angewendeten Mittel genau so unsauber sind wie
das System, dem sie begeistert gedient haben.
Ich möchte nicht annehmen, mein Herren Antragsteller, daß Sie sich als diejenigen ansehen, die das unterstützen, obwohl mich der Fall Dr. Ehrich mehr als bedenklich macht.
Sollten Sie aber der Meinung sein, daß die Zugehorigkeit von nur einigen leitenden Persönlichkeiten des Funks zur SPD schon ein Grund sei, die Überparteilichkeit des Funks zu bezweifeln, dann wäre das im Hinblick auf die Verpflichtung, die Öffentlichkeit sachlich zu unterrichten, mehr als eine üble Brunnenvergiftung.
Der Bund hat eine — ich glaube von allen unbestrittene — Aufgabe: die Wiedererlangung der deutschen Funkhoheit zu erwirken und dafür zu sorgen, daß es den deutschen Sendern ermöglicht wird, auf legalen Wellen den deutschen Hörern ein gutes und ordentliches Abhören zu gewährleisten. Ob für diese Aufgabe — und das hat der Herr Bundesinnenminister eben auch unterstrichen — ein besonderes Gesetz erforderlich ist und welches Ministerium die Aufgabe zu übernehmen hat, ein solches Gesetz zu schaffen, möchte ich zunächst außer acht lassen. Aber kein Parlament darf gestatten, daß die Lösung dieser Frage mit Absichten koordiniert wird, die dahin gehen, den Rundfunk von der Regierung abhängig zu machen, und sei es auch nur über das neutral klingende Bundespostministerium, von einer Regierung, die dann alle Mittel in der Hand hat, über die materielle Abhängigkeit eine geistige Hegemonie zu schaffen. Da, meine Damen und Herren, werden Sie unseren schärfsten Widerstand finden.
Wir beantragen, den Antrag der Deutschen Partei dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, dem Ausschuß für Rundfunkfragen und dem kulturpolitischen Ausschuß zu überweisen.
Ich möchte schließen mit der nochmaligen Warnung: Lassen Sie die Unabhängigkeit der Rundfunkgesellschaften bestehen und vermeiden Sie jede staatliche Bevormundung.