Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, daß die Regierung dem Hohen Hause ein Rundfunkgesetz unterbreiten sollte, entspricht durchaus dem Wunsche der Regierung. Die Materie ist sowohl nach der rechtlichen als auch nach der tatsächlichen Seite nicht einfach. Daraus erklärt es sich auch, daß dieses Rundfunkgesetz, das von meinem Hause bereits in Angriff genommen ist, noch im Stadium der Entwicklung ist. Ich habe wenige Monate nach der Übernahme meines Amtes den zuständigen Sachbearbeiter damit beauftragt, eingehende juristische Untersuchungen vorzunehmen, die die Rückübertragung der Rundfunkhoheit an die deutschen Behörden zum Gegenstand haben sollten; und weil die Angelegenheit nicht ganz einfach ist — die Ergebnisse der Arbeit des Herrn Referenten sind in einem dreißigseitigen Memorandum zusammengefaßt, das mir kurz vor Weihnachten vorgelegt wurde —, habe ich mich veranlaßt gesehen, die Angelegenheit bereits in dem Stadium der Vorerwägungen des Entwurfs dem Kabinett vorzulegen. Das Kabinett hat sich der Auffassung meines Hauses angeschlossen, daß man zunächst die Alliierte Hohe Kommission mit der Frage beschäftigen sollte, eine Reihe von Militärverordnungen und ein Kontrollratsgesetz — den Art. 3 der Verordnung Nr. 5 — aufzuheben. Diese Anregung liegt zur Zeit unserem Auswärtigen Amt vor. Ich habe mich noch heute morgen nach dem Stande der Sache erkundigt und gehört, daß die Angelegenheit in wenigen Tagen von dort aus der Hohen Kommission vorgetragen werden kann.
Meine Damen und Herren, wenn man vom Rundfunk spricht, muß man sich stets zwei Seiten dieses wichtigen Zweiges unserer öffentlichen Unterrichtung vergegenwärtigen: eine geistige und eine technische Seite. Die geistige Seite — das ist die Rundfunkanstalt, die ein Programm herstellt, dieses Programm bearbeitet, durcharbeitet, redigiert, um einen Presseausdruck zu verwenden; und dann die technische Seite — das ist das drahtlose Senden. Ich möchte mich zunächst einmal kurz mit der technischen Seite befassen, mit dem drahtlosen Senden. Hier steht nach unserer Verfassung, nach Art. 73 Ziffer 7 unseres Grundgesetzes, zweifellos dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung zu. Unter diesen Begriff Post- und Fernmeldewesen in Art. 73 Ziffer 7 fällt die Rundfunkhoheit, die nach der Auffassung der Bundesregierung dem Bunde gebührt. Auch insoweit betrachtet sich der Bund als der Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs. Die Tatsache, daß die Rundfunkgesetze z. B. im amerikanischen Gebiet von den Landtagen verabschiedet sind, hat verschiedentlich die Meinung aufkommen lassen, nicht nur der gegenwärtige Betrieb der Sender sei Ländersache, sondern auch die Rundfunkhoheit ruhe bei den Ländern. Diese Auffassung teilt die Bundesregierung nicht. Die Rundfunkhoheit ruht zur Zeit bei den Besatzungsmächten, und deshalb sind wir zur Zeit verhindert, selbständig zu handeln. Gemäß Art. 3 des Gesetzes Nr. 5 der Allierten Hohen
Kommission darf die bestehende sendetechnische Rundfunkorganisation ohne die Genehmigung der Alliierten nicht verändert werden. An diesem Zustand hat sich auch durch die kleine Änderung des Besatzungsstatuts zur Zeit noch nichts geändert. Auch die Wellenverteilung ist den deutschen Stellen entzogen. Sie obliegt ausschließlich der Hohen Kommission. Bevor also ein sendetechnisches Rundfunkgesetz entstehen und von uns Ihnen hier vorgelegt werden könnte, müßten die Alliierten veranlaßt werden, die genannten Bestimmungen aufzuheben und der Bundesrepublik die völlige Rundfunkhoheit zu übertragen. Wie ich Ihnen bereits sagte, ist ein entsprechender Entwurf von meinem Ministerium vorbereitet, und er wird in wenigen Tagen in den Händen der Alliierten Hohen Kommission zu deren Entscheidung sein.
Ich möchte in diesem Zusammenhang vor Ihnen betonen, daß durch die Revision des Besatzungsstatuts keine Änderung eingetreten ist und daß trotz Errichtung eines Außenministeriums die Bundesrepublik gemäß Ziffer 2 c des Besatzungsstatuts auch in der neuen Fassung noch nicht befugt ist, internationale Verträge, insbesondere auch nicht über die Wellenverteilung, abzuschließen. Solange diese Rechtslage besteht, müssen wir uns nach den von den Alliierten abgeschlossenen Wellenverträgen richten und können auch nicht von uns aus neue Wellenverteilungen vornehmen, soweit sie etwa in Widerspruch zu den alliierten Verträgen stehen. Wir müssen also die Übertragung der vollen Rundfunkhoheit mit der Forderung koppeln, der Bundesrepublik das Recht zum Abschluß von internationalen Wellenverträgen zu gewähren.
Im übrigen bedarf es in bezug auf die sendetechnische Seite des Rundfunks nicht unbedingt der Vorlage eines neuen technischen Rundfunkgesetzes. Das alte Fernmeldeanlagengesetz von 1928 enthält auch die sendetechnischen Bestimmungen für den Rundfunk. Dieses Gesetz ist heute auch noch in. Kraft; jedoch ist hier eben das Gesetz Nr. 5 der Alliierten Hohen Kommission vorhanden, das teilweise das sendetechnische Gesetz überdeckt, das in einigen süddeutschen Ländern durch das Landesrecht mit partieller Wirkung abgeändert worden ist. Auf alle Fälle ist dieses alte sendetechnische Reichsgesetz über die Fernmeldeanlagen in einer ganzen Reihe von Punkten revisionsbedürftig.
Ich komme nunmehr im Anschluß an die Ausführungen über die technische Seite des Rundfunks zu seiner geistigen Seite. Das sind also, wie ich vorhin sagte, die Rundfunkanstalten, die das Programm vorbereiten und redigieren. Hier kommen wir auf ein äußerst umstrittenes Rechtsgebiet, nämlich auf die Frage, ob und inwieweit der Bund ordnend in diese Organisation eingreifen darf. Es läge meiner Meinung nach im Interesse der Rundfunkanstalten selbst, wenn der Bund alle im Grundgesetz gegebenen Möglichkeiten im vollen Umfang benutzen würde, um wenigstens in den Grundzügen eine gewisse Einheitlichkeit der Organisation in den Rundfunkanstalten herbeizuführen. Dabei wird es selbstverständlich das Bestreben der Bundesregierung sein, das kommende Gesetz in ständiger Fühlungnahme und möglichst im Einvernehmen mit den Ländern und mit den Rundfunkanstalten selbst vorzubereiten. Entsprechende Vorarbeiten sind von meinem Hause aufgenommen.
Bevor aber diese bundesgesetzliche Regelung über die Grundzüge der Rundfunkorganisation ergehen kann, müssen wir auch hier für den
geistigen Rundfunk die Aufhebung besatzungsrechtlicher Bestimmungen erstreben. In der britischen Zone handelt es sich um die Verordnung Nr. 118, die das rechtliche Fundament des Nordwestdeutschen Rundfunks darstellt. In der französischen Zone sind es die Verordnungen 187 und 198, auf denen der Südwestfunk basiert. Diese rundfunk-organisatorischen Bestimmungen des Besatzungsrechts liegen zweifellos nach dem neuen, aber auch nach dem alten Besatzungsstatut außerhalb der den Besatzungsmächten vorbehaltenen Gebiete. Sie müssen also auf einen entsprechenden Antrag der zuständigen deutschen Dienststellen aufgehoben werden, sofern und sobald die dann gegebene Rechtslücke durch deutscherseits neu zu erlassende gesetzliche Bestimmungen geschlossen werden kann. Das ist auch das Ziel unserer vorbereitenden Arbeiten.
Angesichts der sowohl für den technischen als auch für den geistigen Rundfunk bestehenden rechtlichen Schwierigkeiten und auch angesichts der politischen Schwierigkeiten, die die Materie mit sich bringt, möchte ich Ihnen noch folgendes ergänzend ausführen. Die Neuordnung des deutschen Rundfunkwesens, wie sie durch das Ihnen vorzulegende Bundesrundfunkgesetz geschaffen werden soll, wird die Grundrechte der freien Meinungsäußerung und -verbreitung sowie die Freiheit der Rundfunkberichterstattung, wie sie ausdrücklich in Art. 5 unserer Verfassung festgelegt sind, auf das Genaueste zu beachten haben. Diese Rechte finden gemäß Abs. 2 des Art. 5 ja nur insoweit eine Einschränkung, als sie nicht den Vorschriften der allgemeinen Gesetze widersprechen dürfen, als sie den Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre Rechnung zu tragen haben.
Ich habe nun vor einiger Zeit aus Anlaß von Einzelfällen einmal den Verwaltungsrat des Nordwestdeutschen Rundfunks gebeten, zu einer Aussprache nach Düsseldorf zu kommen. An der Aussprache beteiligten sich der Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks, Herr Professor Dr. Grimme, der Vorsitzende deis Verwaltungsrats, Herr Professor Dovifat, auch der Vorsitzende des Hauptausschusses selbst. Wir haben in einer eingehenden Besprechung alle die Zweifelsfragen, die bei uns entstanden waren, einer gründlichen Diskussion unterzogen. Ich darf feststellen, daß erfreulicherweise bei allen Beteiligten eine Übereinstimmung in der Hinsicht erzielt werden konnte, daß eine starke Selbstkontrolle bei dem Rundfunk notwendig ist. Es ist anerkannt worden, daß das Recht der freien Meinungsäußerung und das Recht der freien, ungehinderten Übertragung im Rundfunk seine Grenzen hat und daß auch die organisatorischen Fragen unter besonderer Betonung der Unparteilichkeit und Überparteilichkeit des Rundfunks zu berücksichtigen sind. Es ist unser Bestreben gewesen, in dieser Besprechung auch schon vor Erlaß des von Ihnen heute begehrten Gesetzes zu einer gewissen Kontrolle 'im Wege der Selbstverwaltung zu kommen, sowohl hinsichtlich des politischen Programms, hinsichtlich der Ausführungen der politischen Kommentatoren und der Fühlungnahme des Generaldirektors des Rundfunks mit seinen Kommentatoren in dieser Hinsicht als auch hinsichtlich der Prüfung von Beschwerden aus dem Hörerkreis und von anderer Seite. Ich hoffe, daß die dort besprochenen Möglichkeiten inzwischen verwirklicht werden, auch ehe das Hohe Haus hier über ein Gesetz beschließt. Wir haben auch ebenso freimütig alle personellen
Beanstandungen und Wünsche 'durchgesprochen, und seit der Zeit besteht eine lebendige, ständige Fühlungnahme zwischen dem Referat meines Hauses und mir selbst einerseits und dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats des Nordwestdeutschen Rundfunks wie auch mit Herrn Generaldirektor Professor Dr. Grimme selbst andererseits. Wir hoffen, daß es unter geeignetem, gedeihlichem, freimütigem Zusammenwirken aller beteiligten Kräfte gelingen wird, dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die verfassungsmäßige Freiheit des Rundfunks ebenso beachtet, wie der Entwurf auch die Verantwortung betonen wird, die mit einer wahren Freiheit untrennbar verbunden ist.