Rede von
Heinz
Matthes
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Fraktionsvorsitzender Dr. Mühlenfeld hat bereits vor einigen Tagen Gelegenheit genommen, auf die Unzulänglichkeit des deutschen Rundfunkwesens im allgemeinen und bei dem größten deutschen Sender, dem Nordwestdeutschen Rundfunk, im besonderen hinzuweisen. Er hat dabei der deutschen Öffentlichkeit Tatsachen vorgetragen, .die es nach unserer Ansicht nicht nur rechtfertigen, sondern sogar verlangen, daß sich dieses Hohe Haus einmal grundsätzlich über alle Rundfunkangelegenheiten ausspricht. Diese Tatsachen sind so alarmierend und die aus diesen Tatsachen sichtbar werdende Tendenz ist so bedenklich, daß sich meine Fraktion schon auf Grund dieser Tatsachen ausreichend legitimiert fühlt, ihren Antrag auf Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes zu stellen.
Um es vorweg zu sagen: Meine Fraktion bedauert zutiefst, daß sich die Bundesregierung in der so eminent wichtigen Frage des Rundfunkwesens eine gewisse Zurückhaltung auferlegt hat. Sie bedauert das unter anderem schon deshalb, weil bereits im nächsten Jahr die nächste Internationale Wellenkonferenz stattfinden wird und bisher seitens der Bundesregierung nichts unternommen wurde, um zu erreichen, daß die Funkhoheit von der Alliierten Hochkommission auf die Bundesregierung übergeht, damit die Bundesrepublik auf der nächsten Wellenkonferenz mit einer eigenen Abordnung die Interessen unseres Bundes wahrnehmen kann.
Meine Fraktion hatte erwartet, daß die Bundesregierung sich beizeiten um den rein formalen Akt der Übergabe der Funkhoheit an die Bundesrepublik bemüht hätte, weil die Rundfunkversorgung im Gebiet der Bundesrepublik absolut unzureichend ist und auch dieser unerträgliche Zustand nur dann abzuändern ist, wenn wir wieder im Besitz der Funkhoheit sind und es verhindern können, daß man uns wieder so wie auf der Kopenhagener Konferenz übervorteilt. Es sollte für uns ein Grund zum Nachdenken sein, daß die Sender der Bundesrepublik durchweg schlecht zu empfangen sind, während die Sender der _Sowjetzone auch im Gebiet der Bundesrepublik einen hervorragenden Empfangsgrad aufweisen.
Daß die Bundesregierung trotz dieser beiden Tatbestände noch nicht einmal den Versuch gemacht hat, sich um die Rückgabe der Funkhoheit zu bemühen, hat meine Fraktion mit der allergrößten Besorgnis erfüllt. Sie bittet auch heute die Bundesregierung nochmals dringendst, bei den Hochkommissionen zu intervenieren und das Versäumte nachzuholen. Sie bittet die Regierung außerdem, dieses Hohe Haus alsbald über die unternommenen Schritte zu unterrichten. Die beklagenswerte Inaktivität der Regierung hat es vermocht, daß im Laufe der letzten Zeit deutsche Rundfunksender zu selbständigen internationalen Verhandlungspartnern wurden und sich mit ausländischen Sendern über die gemeinsame Benutzung bestimmter Wellen einigten. So hat z. B. der NWDR seit geraumer Zeit die Welle des finnischen Senders Kuopio in Benutzung, mit dem der NWDR verhandelt hatte. Auch die eigenmächtige Verteilung der Ultrakurzwellen ist in der bisher geübten Form einer alsbaldigen einstweiligen Bundesregelung zu unterwerfen.
Aber neben diesen rein technischen Fragen, deren Zahl um viele zu erweitern wäre, gibt es sehr reale politische Gründe, die nach einer bundesgesetzlichen Regelung drängen.
Ich darf hier zunächst auf die schweren Anklagen meines Fraktionsvorsitzenden Dr. Mühlenfeld verweisen, der nachweisen konnte,
daß sich im Nordwestdeutschen Rundfunk eine SPD-Regierung etabliert hat,
die rücksichtslos ihre Hauspolitik ausüben konnte.
— Sie haben ja nachher Gelegenheit, den Gegenbeweis zu führen. Über die Propaganda und Ihre Zwischenrufe brauchen wir uns jetzt nicht zu streiten. Diese Propaganda fällt nur wieder auf Sie selbst zurück. — Mein Fraktionsvorsitzender Dr. Mühlenfeld hat nachgewiesen, daß sich unter der Führung des SPD-Generaldirektors Grimme ein Rundfunkregime der Manager breitgemacht hat, das schon in der Unterdrückung der viel zitierten „demokratischen Grundrechte" recht weit fortgeschritten ist.
Denn was vor kurzer Zeit bei Herrn von Zahn noch ein Einzelfall war, das kann gut und gern, wenn man sich die verantwortlichen Herren des NWDR einmal genauer ansieht, morgen schon System sein. Diese Herren haben nämlich zu einem Teil eine Vergangenheit, die es ratsam macht, einmal die Frage aufzuwerfen: Wie steht denn eigentlich ein Teil dieser Männer, die sich ihre demokratische Reife in Moskau oder sonst irgendwo in
der Schule Stalins holten, — wie stehen überhaupt diese Männer zu unserem demokratischen Staat?
Aber nicht nur diese Frage wird zu prüfen sein.
— Herr Dr. Greve, Sie haben ja nachher Gelegenheit, Ihren Standpunkt darzulegen. Dann sind Ihre Ausführungen besser zu verstehen als jetzt Ihre Zwischenrufe.
— Herr Dr. Greve, Sie haben nachher Gelegenheit, zu sprechen. Ich nehme an, daß Sie sicherlich Gelegenheit dazu nehmen werden. —
Grundsätzlich wird, 'dieses Haus zu entscheiden haben, ob wir in Deutschland einen Rundfunk machen wollen, der ergebener Untertan einer Parteiansicht ist. Wir wollen keinen Rundfunk, der durch die Bundesregierung — —
— Nein, Herr Kollege Mellies, es handelt sich nicht um Schwarz-weiß-rot, absolut nicht. Hier handelt es sich nur um Rot.
— Wir wollen keinen Rundfunk, der durch die Bundesregierung oder durch die Regierung eines Bundeslandes gelenkt wird. Aber wir wollen schon gar keinen Rundfunk, dessen lenkende Hand sich im Rundfunkreferat der Odeonstraße in Hannover befindet.
Unmittelbar nachdem meine Fraktion vor wenigen Tagen der Öffentlichkeit über die Zustände beim NWDR Kenntnis gegeben hatte, bemühte sich der NWDR, zu retten, was zu retten war.
— Wir haben es absolut nicht nötig, eine solche Propaganda zu machen, Herr Kollege!
- Beruhigen Sie sich! Ich habe die Frage des
NWDR in meinen Referaten im Wahlkampf nicht gestreift. — Der NWDR konnte nicht viel retten. Er mußte nur zugeben und im übrigen den Versuch der Ablenkung von dem heißen Eisen im NWDR machen. Der NWDR mußte zugeben, daß durch Veranlassung des SPD-Mitgliedes Dr. Grimme, der ja einmal Kultusminister bei uns im Lande Niedersachsen war, Mitarbeiter des Nordwestdeutschen Rundfunks in bezug auf ihre politischen Beziehungen bespitzelt wurden.
Ich darf Ihnen sagen, daß es sich bei den Bespitzelten und Überwachten u. a. um den ehemaligen Vorsitzenden des Verwaltungsrats des NWDR, Professor Raskop, handelt, dessen Verbrechen offenbar darin bestand, der CDU anzugehören, und um den ehemaligen Intendanten des' NWDR in Hamburg, Herbert Blank. Diese Herren — und nicht nur diese allein — wurden durch das Hamburger Detektivbüro Hoyer und Jonatis überwacht, und der NWDR entrichtete für diese Bespitzelung
— und hier muß ich die bisherigen Erklärungen meines Fraktionsvorsitzenden Mühlenfeld berichtigen — nicht 10 000, sondern 15 000 Mark, die
selbstverständlich der Rundfunkhörer aufzubringen hat.
Wie im Auftrage des Demokraten Grimme diese Detektei bespitzelt hat, möchte ich Ihnen an Hand einer Kostprobe mitteilen. Mit Ihrer gütigen Genehmigung„ Herr Präsident, darf ich aus den Detekteiberichten wörtlich zitieren, und zwar handelt es sich — —
— Daß es Ihnen so unangenehm ist, kann ich begreif en;
denn das sind ja Methoden, die wir aus der Vergangenheit kennen.
In einem dieser Berichte heißt es:
Blank wurde wiederholt besucht von Professor Raskop, Dr. Dovifat, Professor Dr. von der Gablenz, Dr. Werner Nestel,
usw. usw.
Etwa sechsmal aß Blank im Restaurant Alstercafé zu Mittag,
usw. usw. Ich habe diese Berichte im Wortlaut hier vorliegen. Falls Sie sich ,dafür interessieren, stelle ich sie gerne zur Verfügung.
In einem anderen Bericht der Detektei heißt es:
R. wird zu unregelmäßigen Zeiten durch ein Auto mit Hamburger Nummer abgeholt und wieder nach Hause gebracht. Der Wagen nimmt jeweils Richtung auf eine der Ausfallstraßen und scheint nur für Fernfahrten benutzt zu werden usw.
Und in diesem Tenor geht es weiter.
Meine Damen und Herren! Wenn solche Überwachungen in einer Institution möglich sind, die dazu da ist, die öffentliche Meinung zu bilden, und zwar nach unserer Auffassung demokratisch zu bilden, dann ist es wirklich an der Zeit, solchen Menschen dieses Instrument, mit dem sie nicht umgehen können, aus der Hand zu nehmen.
Es ist beschämend zu hören, daß Herr Dr. Grimme offenbar nur dann sein demokratisches Herz entdeckt, wenn es darum geht, seinen Parteifreund Schumacher vor der Wahrheit zu bewahren.
— Das sollte Ihrer Seite verbleiben!
Herr von Zahn war es — also ein Mann, der nach seinem Mitbestimmungskommentar hoch in der Gunst der SPD stand —, der anläßlich eines Kommentars zum Schumanplan dem Vorsitzenden der SPD die Wahrheit sagen wollte. Ausgerechnet bei diesem Kommentar entdeckte Herr Dr. Grimme seine Kompetenzen, und ausgerechnet diesen Kommentar verbot er, und er ließ ihn erst vierzehn Tage später in erheblich geänderter Form sprechen. Abends ließ Herr Dr. Grimme die pikante und sinnige Version verbreiten, von Zahn habe eine Autopanne erlitten und könne daher seinen Kommentar nicht sprechen. Die Öffentlichkeit, also der zahlende Rundfunkhörer, hat ein Recht darauf, zu erfahren, ob und inwieweit der NWDR durch derartige Dinge die fundamentalsten Pflichten eines objektiven und überparteilichen Rundfunks verletzt hat.
I Meine Fraktion, die sich seit einiger Zeit intensiv um die Verhältnisse beim NWDR gekümmert hat, stellt, um diese Dinge zu klären, folgenden Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Zur Klärung der mehrfach in der Öffentlichkeit seit langem behaupteten unzulänglichen sachlichen, personellen und politischen Verhältnisse im NWDR wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt.
Diesem Untersuchungsausschuß gehören 15 Mitglieder an, die von den Fraktionen nach dem d'Hondtschen System zu benennen sind. Der Untersuchungsausschuß hat die ihm gestellten Aufgaben beschleunigt zu erledigen.
— Herr Präsident, ich überreiche Ihnen ,diesen Antrag.
Meine politischen Freunde und ich sind der Meinung, daß dieses Haus unserem Antrag unverzüglich seine Zustimmung geben sollte, schon deshalb, weil es sowohl für dieses Parlament als auch für die Bevölkerung unerträglich ist, zu wissen, daß im NWDR Dinge vor sich gehen, die mit seiner Satzung jedenfalls nicht zu vereinbaren sind.
Es sind aber nicht nur diese politischen Verhältnisse, die nach einer Neuordnung des NWDR drängen. Was z. B. die finanziellen Dinge angeht, so sei hier nur gesagt, daß nach unserer Auffassung der NWDR seit langer Zeit an seinem Reichtum gewissermaßen lebensgefährlich erkrankt ist. Das drückt sich dann darin aus, ,daß er — und das ist meiner Fraktion sehr zuverlässig bekannt geworden —, „um sein Geld anzulegen", die Papiernotlage der Zeitungen dadurch noch verschärft, daß er für die von ihm beabsichtigte Rundfunkprogrammzeitschrift erhebliche Mengen Papier beschaffen will. 81 Millionen DM nimmt diese Sendegesellschaft jährlich ein, also genau so viel, wie alle anderen deutschen Sender zusammen. Mit diesem Geld macht dieser Sender ein Programm, das nach seinen finanziellen Möglichkeiten ein weit besseres sein müßte. Trotz dieses Geldes' aber hat der NWDR die Absicht, 'dem regsamen, zwar kleinen, aber durchweg anerkannten Konkurrenten in Bremen den Lebensfaden abzuschneiden. Auch über die Frage der Erhaltung dieses ausgezeichneten Senders in Bremen, der sich in seinem Hörerkreis der größten Beliebtheit erfreut, wird in positivem Sinne in dem zu schaffenden Bundesrundfunkgesetz zu reden sein.
Über den NWDR ist, solange er besteht, viel Kritisches gesagt und geschrieben worden. Vieles war richtig, aber eines hat man dabei 'übersehen: Der NWDR in seiner jetzigen Form kann ja gar nicht das sein, was sich seine Hörer und Hörerinnen von ihm vorstellen.
Nun noch einige Worte zu der Tendenz des Gesetzes, die wir wünschen und die wir vor allen Dingen in der Vorlage seitens der Bundesregierung sehen möchten. Ich habe bereits erklärt, daß wir keinen Regierungsrundfunk wünschen. Wir wollen ein Gesetz haben, daß die Unantastbarkeit der freien Publizistik sichert. Aber die Zustände beim NWDR haben bereits bewiesen, daß es gewisser Regulative bedarf, um die Einhaltung der Satzungen und die Unabhängigkeit des Rundfunks zu gewährleisten. Zu diesem Punkte schlägt meine Fraktion die Schaffung eines Bundesrundfunkrates vor, der nach der Art einer Selbstkontrolle die Arbeit der Rundfunksender zu überwachen haben würde. Außerdem würde die Funktechnik, insbesondere für das Fernsehen und den UKW, Sache dieses Rates sein und nicht Sache jedes einzelnen Senders. Schließlich sollte dieser Rat den Gebührenausgleich zwischen den Sendern vornehmen und ähnliche Dinge mehr bearbeiten.
Wir wissen sehr wohl, daß es eingehender und sorgfältigster Arbeit bedarf, ehe wir ein Gesetz verabschieden können, das allen Erfordernissen Rechnung trägt. Aber wir glauben, daß dieses Hohe Haus nicht zögern sollte, diese Arbeit in Angriff zu nehmen. In Hamburg ist man dabei, den Ruf des deutschen Rundfunks schwerstens zu schädigen,
und wir glauben, daß sich dieses Hohe Haus an dieser Entwicklung nicht mitschuldig machen sollte und daß es daher in dieser Frage schnellstens aktiv werden müßte. Über die Zuständigkeit des Bundes, auf dem Gebiete des Rundfunks gesetzgeberisch aktiv zu werden, besteht wohl innerhalb dieses Hohen Hauses kein Zweifel mehr. Es ist eine bare Selbstverständlichkeit, daß die Bundesrepublik auf internationalen Funkkonferenzen durch eine zentrale Institution vertreten sein muß und daß demzufolge auch der Zentrale des Bundes das Recht eingeräumt werden muß, die elementarsten Dinge des Funkwesens gesetzlich zu regeln. Wir wünschten, der Bundestag möge das so tun, daß weder die Rechte der Länder noch die der Rundfunkanstalten verletzt werden. Wir wünschen aber auch, daß der Bund die Rechte, die ihm zustehen, ausübt und zwar schnell und gründlich.
Nun gestatten Sie mir zum Schluß noch ein kurzes Wort. Der Herr Dr. Grimme hat uns vor wenigen Tagen auf den Tisch bzw. in die Fächer ein Büchlein legen lassen, in das er selbst einige sehr kluge Worte geschrieben hat. Er hat darin vom „Ethos des Rundfunks" gesprochen und von der Gefahr, die in der Etablierung einer „Rundfunkhausmacht" bestehe. Derartige Worte stehen zwar Herrn Dr. Grimme nach dem bisher Erwähnten nicht gut zu Gesicht, denn 'er und seine Partei haben wie kaum ein anderer in der Bundesrepublik dieses Ethos mißachtet. Aber wir sollten alle miteinander danach trachten, diesen Worten nunmehr Gehalt zu geben. Wir wissen, wie sehr sich im Laufe der letzten Jahre zahllose Rundfunkmänner redlich um den Ruf unseres Rundfunks bemüht haben. Wir wissen aber auch, daß es ihnen oftmals gelungen ist, wirklich Anstrengung mit Leistung und Objektivität zu verbinden. Gerade deshalb aber fragen wir diese deutschen Funkleute, wielange sie eigentlich noch zusehen wollen, bis die NWDR-Bürokratie in Hamburg auch das letzte bißchen Ansehen des Rundfunks zertreten hat.
Und nun noch ein Wort an die Bundesregierung. Meine Fraktion hat nicht die Absicht, von der Regierung zu erfahren, welche formalen Schwierigkeiten bestehen mögen, um uns die Funkhoheit zurückzuholen. Wir möchten aber trotzdem bitten, daß die Regierung in dieser Frage schnellstens handelt, und wir bitten das Hohe Haus, unseren beiden Anträgen zuzustimmen bzw. den Antrag auf Vorlage eines Rundfunkgesetzes dem zuständigen Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film zu überweisen.