Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, bis zu 6 Milliarden können wir zahlen; aber darüber hinaus nicht. Wenn ich dem die sehr eindrucksvollen,
fast erschütternden Mitteilungen des Herrn Bundesfinanzminister von heute gegenüberstelle, in
denen er sagt, daß für alle die 'dringend notwendigen Renten- und Gehaltserhöhungen einfach die Mittel fehlen, dann muß ich sagen: ich kann nicht verstehen, wie er noch Anfang März erklären konnte: Ja, eine Erhöhung von 41/2 auf 6 Milliarden DM ist zwar das Äußerste; aber das geht. Ich bin nämlich nicht der Auffassung, daß auch nur 41/2 Milliarden DM angesichts der furchtbaren zusätzlichen inneren Belastungen für uns tragbar sind.
Die Reaktion der Bundesregierung hat sich eigentlich erst vorgestern in einer Denkschrift dargestellt, die eben — was schon öfters betont wor- den ist — sagt, daß wir außer den 5,6 Milliarden DM noch 3,6 Milliarden oder 3,8 Milliarden DM an sozialen Leistungen aufbringen müßten und daß wir somit 40 % unseres Steueraufkommens zahlen, eine Summe, an die die anderen Völker mit ihren Wehrausgaben noch kaum herankommen. Wir fragen uns aber: Wo bleibt angesichts dieser geradezu verzweifelten Situation die Anklageschrift der Bundesregierung, die endlich einmal die Wertvergeudungen durch die Besatzungsmacht, all die überflüssigen und untragbaren Ausgaben zusammenstellt, damit wir endlich das Material haben, um mit plastischen Beispielen an die Volksvertretungen der alliierten Mächte heranzugehen und ihnen zu zeigen, in welcher unmöglichen Situation wir uns — sechs Jahre nach dem Kriege — immer noch befinden? Sehen denn auch die -Alliierten — wenn es bewußter Wille ist — nicht die unerhörte Selbstüberwindung der Bundesregierung, die um des Friedens nach außen willen, geradezu ein innenpolitisches Harakiri treibt, wenn sie den ,Unmut der Bevölkerung wegen der zu niedrigen Renten,
der zu niedrigen Gehälter und der zu hohen Steuern auf sich zukommen läßt, statt der Bevölkerung zu sagen: wir haben im letzten Jahre 5 Milliarden DM Besatzungskosten bezahlt; wenn wir die zur Verfügung hätten, dann könnten wir all diese dringendsten Nöte beheben; wendet euch an die Alliierten! — Die Bundesregierung hat auf diese Belastungen schon hingewiesen, sie hat aber nicht mit der Intensität, die eine solche Maßnahme erfordert, reagiert. In einem solchen Falle muß man es meiner Ansicht nach auch auf einen gewissen Konflikt ankommen lassen, wenn man nur die jedem doch verständliche Forderung stellt, vor Zahlung erhöhter Gelder eine gemeinsame Kontrolle zu haben, so daß man in diese eigenartigen Besatzungsfinanzverhältnisse endlich einmal hineinleuchten kann.
Die Weigerung, erhöhte Zahlungen zu leisten, ergibt sich vor allem auch aus völkerrechtlichen Gründen. Die neuen vier Divisionen, die demnächst von der USA nach Deutschland geschickt werden sollen
und über die der US-Senat erst am 4. April beschlossen hat, werden nicht auf Grund der allgemeinen Kriegsvollmachten, die der Präsident der Vereinigten Staaten als oberster Kriegsherr hat, sondern sie werden auf Grund von neuen Vollmachten des USA-Präsidenten, auf Grund der Verpflichtungen, die Amerika aus dem Atlantikpakt und seinen anderen Sicherheitsverträgen hat, entsandt. Die neuen Besatzungskosten in Höhe von 2 Milliarden DM werden vom Bund jedoch mit dem ausdrücklichen Hinweis verlangt, daß wir für die Sicherheitszusicherungen, die die drei Mächte gegeben haben, einen Beitrag leisten müssen.
Nun muß man sich fragen: Ist denn diese Zusicherung der Sicherheit, wie sie von der Außenministerkonferenz im September gegeben worden ist, den Betrag von 61/2 Milliarden DM wert, wenn andererseits der innere soziale Friede Deutschlands und die Abwehrkraft gegen den Kommunismus so stark geschwächt werden kann? Vorweg möchte ich, um hier keine falschen Auffassungen Platz greifen zu lassen, betonen: wir sind bereit, von unserem Einkommen, von unserem Nationaleinkommen auch noch mehr, wenn es sein muß, die Hälfte, zu geben, sofern wir die Überzeugung haben, daß die Sicherheitsgarantie gegen einen Überfall oder gegen einen Einfall von außen her etwas Sicheres ist. Man hat damals, im September, das Recht gehabt, zu glauben, daß die alliierten Mächte — besonders angesichts des Überfalls von Korea — die Möglichkeit und den Willen haben, dagegen vorzugehen. Wenn man aber nun heute, vielleicht an dem Tage, an dem Söul zum sechsten Male den Besitzer wechselt, sieht, wie in dem Hin und Her der furchtbaren Kämpfe, der Walze des modernen Krieges, Korea zerstört ist, dann muß man doch berechtigte Zweifel haben, ob eine Garantie, die nur mit unzureichenden Militärentsendungen und unzureichenden Truppen durchgeführt wird, wirklich die Chance der Sicherheit hat, für die man alles zu opfern bereit wäre. Jedenfalls ist# es unerträglich, daß man mit uns über die Kosten für unsere Sicherheit überhaupt nicht verhandelt, sondern daß man einfach diktiert: ihr habt für eure Sicherheit soundsoviel mehr zu zahlen! Man kann für eine völlig neue Art von Sicherheitsbesatzung unmöglich Besatzungsrecht anwenden. Wenn der Friede von den Alliierten nicht so miserabel organisiert worden wäre, dann hätten wir doch schon längst einen last völligen Abbau der Besatzung. Es ist aber unerträglich, jetzt noch nach alten Kriegsrezepten vorzugehen. Das tut man praktisch. In einer neuen Note vor wenigen Tagen wurde nach wie vor das Beschlagnahmerecht der Alliierten auf Wohnungen und dergleichen vorbehalten, wenn auch die Anforderungen von Grundstücken, von Wohnbauten und von Übungsgelände zentral an die Bundesregierung gerichtet werden sollen.
Die Alliierten übersehen vollkommen, daß die psychologischen Voraussetzungen dafür einfach nicht mehr gegeben sind. Seit dem Kriege sind sechs Jahre vergangen. Die Bevölkerung nimmt nicht mehr ohne innere Reaktion jeden Besatzungsbefehl hin. Das Erkennen der Fehler auch auf der anderen Seite ist im Fortschreiten begriffen. Es ist für die Bevölkerung unerträglich, das Gefühl zu haben, daß wir auf Grund von falschen politischen Nachkriegsmaßnahmen der anderen, die sich für uns schon so negativ ausgewirkt haben, auch noch büßen sollen. Es ist ein Faktum, daß wir mit der wachsenden Unruhe der Besatzungsgeschädigten rechnen müssen. Die Demonstrationszüge, die Versammlungen, die Schriften nehmen immer mehr zu, und Sie alle spüren doch in Ihrer Tätigkeit als Abgeordnete, daß sich hier etwas vollzieht, was wir nicht einfach so hinnehmen können, ohne etwas zu tun. Die Organisationen der Besatzungsgeschädigten sind allmählich bereits ein politischer Machtfaktor geworden, mit dem wir rechnen müssen. Schließlich fallen diese neuen Besatzungsforderungen in eine Zeit der sozialen Unruhe, der Preiserhöhungen und der Steuererhöhungen. Sie sind deshalb besonders gravierend.
Wenn wir alle diese Bedenken haben, muß ich doch immer wieder sagen, daß wir uns nicht um unseren Beitrag zur Sicherung des Friedens drücken wollen. In dem gemeinsamen Antrag aller Parteien wird das auch ganz deutlich zum Ausdruck gebracht. Wir wenden uns aber dagegen, daß wir höher als andere Völker herangezogen werden sollen und daß uns die Vorbelastungen, die wir durch den Krieg haben, nicht angerechnet werden. Es ist ein Faktum, daß wir bereits 40 % der Steuern des Bundes und der Länder zahlen und daß auf den Kopf der deutschen Bevölkerung ein Einkommen von nur 784 DM jährlich trifft, während es in den Vereinigten Staaten 4615 Mark, in England 1402 Mark und in Frankreich immer noch 1250 Mark sind.
Welche praktischen Maßnahmen sind nun möglich? Wenn die Besatzungsmächte sich nicht endlich zu ernsthaften Schritten entschließen, kann die Regierung doch nur so vorgehen, daß sie z. B. ,die Umsatzsteuer, die etwa 51/2 Milliarden DM beträgt, nunmehr als Besatzungssteuer deklariert, damit jedem im Volke klar wird, was er für die Besatzung täglich leisten muß. Dann wird man die Reaktion bald spüren. Wir wollen das gar nicht. Aber die Besatzungsmächte müssen endlich mit uns über das verhandeln, was möglich ist. Oder wir müssen endlich die Denkschrift über die Fehler und die Vergehen des Besatzungsregimes haben, damit wir den Parlamenten der anderen die Einzelfälle vorlegen können. Oder wir müssen von der Bundesregierung endlich die Denkschrift, die auch in dem gemeinsamen Antrag verlangt wird, bekommen, die Punkt für Punkt die Einsparungsmöglichkeiten aufzählt. Die 39 Punkte, die jetzt von der Besatzungsmacht mit der Bundesregierung hinsichtlich der Erstellung eines neuen Besatzungsabkommens diskutiert werden sollen, sind nun zwei Monate alt geworden. Wir müssen von der Bundesregierung erwarten, daß man von deutscher Seite
Tag und Nacht daran arbeitet, um den Alliierten die Gegenvorschläge in einer Woche zu geben, damit man ihnen die Schuld für die Verzögerung des Zustandekommens eines Besatzungsabkommens zuschieben kann und damit wir uns nicht etwa an unsere eigene Brust schlagen und sagen müssen, daß diese Änderung durch den Mangel unseres eigenen Arbeitens nicht zustande gekommen ist.