Meine Damen und Herren! Der Herr Marshallplan-Minister Blücher hat gleich zu Anfang zwei Dinge durcheinandergebracht, nämlich einerseits die Frage, ob seine Beamten, Angestellten und Arbeiter tätig sind und viel zu tun haben, und andererseits die Frage, ob dafür ein Ministerium notwendig ist. Wir haben nicht bestritten, daß die Tätigkeit im Marshallplan-Ministerium sehr intensiv ist und daß viele der dort vollbrachten Leistungen notwendig sind. Wir bestreiten, daß für diese Arbeiten ein ERP-Ministerium notwendig ist. Darauf beruht unser Antrag, dieses Ministerium nicht über die Größe des Jahres 1949 hinaus auszudehnen, besonders deshalb nicht, weil — worauf der Herr Vorredner, Herr Kollege Dr. Reismann schon hingewiesen hat — diese Aufgaben im Jahre 1952 zu Ende sein werden und man sich also dann neue Aufgaben suchen müßte.
Von den elf Aufgaben, die in dem Vorwort des Berichts aufgezählt werden, sind doch nur drei echte Aufgaben, die den Marshallplan wirklich angehen. Alles andere sind allgemeine wirtschaftspolitische Aufgaben. Es war interessant, daß unter dem Kopfnicken von Herrn Blücher hier gesagt wurde, die Aufgabe des ERP-Ministeriums sei es, die wirtschaftspolitischen Arbeiten der Regierung zu koordinieren. Für diese spezielle Aufgabe hat sich Herr Adenauer aber inzwischen jemand anderen gesucht, nämlich einen Kommissar, Herrn Dr. Ernst. Herr Blücher hat also — ich weiß nicht, aus welchen Gründen — diese Aufgabe nicht übertragen bekommen. Jedenfalls ist, soweit man sehen kann, Herrn Blücher und seinem Ministerium diese Aufgabe nicht übertragen worden. Ähnlich hat sich auch in den Beratungen des Haushaltsausschusses der Vertreter des ERP-Ministeriums geäußert. Er hat nämlich erklärt, sein Ministerium sei die Plattform für interministerielle Planung. Abgesehen davon, daß man von einer interministeriellen Planung in positiver Hinsicht absolut nichts spüren kann, sondern heute wieder in der Zeitung liest, daß das Programm einer Wirtschaftsplanung, die man seit Monaten auch seitens Herrn Erhard und dieser Regierung für so dringend hält, wieder verzögert worden ist, kann man hier feststellen, daß 'diese Planungsarbeiten dem ERP-Ministerium vom Kabinett offenbar nicht zugewiesen werden. Das scheint mir ein wesentlicher Grund dafür zu sein, dieses Ministerium als Ministerium abzulehnen.
Der Bericht des ERP-Ministeriums enthält noch einen für mich unverständlichen Punkt, in dem über die Berlin-Hilfe außerordentlich gründlich informiert wird. Nun gebe ich zu, daß das Marshallplan-Ministerium der Berlin-Hilfe sehr aufgeschlossen gegenübergetreten ist, viel mehr als der Herr Bundesfinanzminister. Aber das rechtfertigt noch nicht, daß man die Begründung für die Berlin-Hilfe hier gibt, nachdem man sich einige Tage vorher in dem Sonderhaushalt Berlin ganz mit nackten Tatsachen begnügt hat. Ich möchte doch die Regierung bitten, den Sonderhaushalt Berlin zusammen mit der Begründung, die sich plötzlich in dem Bericht des ERP-Ministeriums findet, vorzulegen, um dem Haus Gelegenheit zu einer gründlichen Besprechung zu geben.
Herr Blücher hat nun auch die Verantwortung für die Europäische Zahlungsunion übernommen, d. h. für die Zahlungsvorgänge, die mit 'dem deutschen Außenhandel aufs engste verknüpft sind. Wir wollen hier undiskutiert lassen, wie es zu den Zahlungsbilanzschwierigkeiten im vorigen Jahr gekommen ist. Wir wissen, daß Korea einen Teil Schuld daran gehabt hat. Wir wissen, daß der EZU-Kredit zweifellos zu gering war, weil er nach dem Jahre 1949 berechnet wurde, als Deutschland sich erst in einer aufsteigenden Entwicklung befand, während die anderen Länder eine fixe Höhe ihres Außenhandels bereits erreicht hatten. Aber was hat Herr Blücher und was hat sein Ministerium getan, als die Zahlungskrise im Oktober 1950 sichtbar wurde? Da hat das ERP-Ministerium nichts getan, so wenig wie alle anderen Instanzen dieser Regierung. Man hat die Bank 'deutscher Länder handeln lassen, die mit banktechnischen Mitteln vergeblich versucht hat, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden. Sie werden sich möglicherweise daran erinnern, daß ich im Dezember auf diese Mißstände hingewiesen und der Bank deutscher Länder vorausgesagt habe, daß sie mit ihren banktechnischen Mitteln Mißerfolg haben müßte. Das hat sich 'dann im Februar zu meinem persönlichen Bedauern bewahrheitet. Die Regierung blieb von diesen rechtzeitigen Warnungen ungerührt.
Man bekam dann, als die Situation immer kritischer wurde, von zwei Ausländern, den Herren Jacobson und Cairncross, ein Gutachten über die deutsche Wirtschaftslage, in dem eine Straffung unserer Außenhandelsbeziehungen und eine planmäßigere Lenkung unserer Wirtschaft gefordert wurde. Zur Unterstützung wurden dann 120 Millionen Dollar kurzfristig ausgeliehen. Dieses Gutachten war nicht der Weisheit letzter Schluß, und zwar deshalb nicht, weil den deutschen Zahlungsbilanzschwierigkeiten ja mit kurzfristigen Mitteln nicht beizukommen ist. Es konnte also nur eine Überbrückungshilfe sein, die es notwendig machte, in dieser relativ kurzen Zeit mit drakonischen Maßnahmen etwas zu unternehmen. Das hat diese Re-
gierung wiederum nicht getan. Sie hat auch diesen
kurzfristigen Kredit zum größten Teil verpulvert.
Nun hat Herr Blücher uns eben klarmachen wollen, daß die Rückzahlung dieses Kredits außer allem Zweifel stehe. Gut, diese Rückzahlungsmöglichkeit ist gegeben. Aber sie ist doch nur möglich durch eine weitere nachhaltige Verschlechterung unserer allgemeinen Zahlungsmöglichkeiten im Außenhandel. Denn es bedeutet doch, wenn man diese 120 Millionen Dollar nach den heutigen Möglichkeiten zurückbezahlt — es sind augenblicklich in den 90 Millionen Dollar Außenstände —, daß man dann mit täglichen Geldern mitgehen muß, daß man, wenn man es jetzt •zurückzahlt, euch nicht mehr die leiseste Möglichkeit hat, bei Außenhandelseinkäufen, dem dringendsten Problem, eine Zahlung zu leisten.
Als man diesen kurzfristigen Kredit fast verpulvert hatte und immer noch nichts Entscheidendes gewonnen hatte, um die Situation zu wenden, da wußte man keinen anderen Ausweg als den, den man in der Privatwirtschaft schlechthin Konkurs oder mindestens Erklärung der Zahlungsunfähigkeit nennt. Das war am 12. März; und man überreichte dann dem DZU-Direktorium in Paris ein Memorandum, als 'Beweis dafür, wie man sich, nachdem man nun nicht mehr einführen konnte, die weitere Lage vorstellte. Dieses Memorandum hat es in sich. Denn es bestimmt die restriktive Außenhandelspolitik unserer Regierung seitdem und in der nächsten Zukunft. Dieses Memorandum ist ein kaufmännisch -banktechnischer Zahlungsplan auf der Grundlage der zu erwartenden Zahlungseingänge. Die Folge, die sich ergibt, ist, daß wir eine erhebliche Einfuhrdrosselung in Kauf nehmen müssen. Da wir selber keinen Einfluß darauf haben, in welchen Sparten die Einfuhr gedrosselt wird, ist zu erwarten, daß die Folge dieser Einfuhrdrosselung Rohstoffmangel und die weitere Folge davon eine erhebliche Ausfuhrdrosselung in den nächsten Monaten sein wird.
Als man die Zahlungsunfähigkeit, eben dieses Moratorium erklären maßte, hatte man einen taktischen Sieg über das EZU-Direktorium erreicht, indem man dieses Direktorium mit seinen eigenen Plänen geschlagen hatte. Man schlug gerade das als Lösung vor, was auch nach EZU rein banktechnisch gesehen möglich war. Man hat aber übersehen, daß ein privatwirtschaftliches Moratorium keine volkswirtschaftliche Lösung darstellt, und man ist deshalb von der Überlegung ausgegangen, daß man sich nach den eingehenden Geldern richten muß. Entsprechend wird man dann, da die Gelder eben geringer eingehen, den ganzen Außenhandel zusammenstreichen. anstatt von der volkswirtschaftlich einzig möglichen Regelung auszugehen, nämlich einen konstruktiven Plan vorzulegen, aus dem sich ergibt, welche Rohstoffe man unbedingt braucht, um die Ausfuhr auszuweiten und als Folge dieser Ausfuhrweitung dann den Außenhandel wirklich wieder auf das alte Niveau zu bringen und darüber hinaus zu heben.
Das Fehlen dieser konstruktiven Vorschläge in dem EZU-Memorandum dieser Regierung hat natürlich bei den Kontrahenten, bei Holland und anderen, erhebliche Verbitterung hervorgerufen. Die Folge davon war, daß diese Kontrahenten zu Gegenmaßnahmen griffen und wir heute zeitweilig eine Ausfuhrsperre nach diesen Ländern haben, so daß sich dieses Memorandum inzwischen gegen uns gewandt hat. Wir haben es auch hinnehmen müssen, daß man uns drei Konkursverwalter, einen Italiener, einen Belgier und einen Norweger vorsetzte, die nun heute und in nächster Zeit die Einfuhr nach Deutschland von sich aus bewilligen. Nun ist es klar. daß es nicht die Aufgabe von Konkursverwaltern ist. die Interessen des Schuldners wahrzunehmen. sondern die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen. Man kann es diesen Leuten also nicht verwehren, daß sie die Einfuhren so nach Deutschland schleusen, wie es die Lieferanten gern haben möchten. Sie werden also Frühgemüse bevorzugen — das haben sie auch in letzter Zeit getan — gegenüber dringend wichtigen Rohstoffen. Dafür. daß es zu dieser Situation kommen mußte, daß wir nämlich nicht mehr Herr unserer eigenen Außenhandelszahlungsbilanz und unserer Einfuhren sind, sondern daß es zu ausländischen Konkursverwaltern, wie ich die Herren nennen muß, gekommen ist, dafür trägt die Verantwortung diese Regierung und innerhalb dieser Regierung Herr Blücher.
— Nein, ich bin kein Nazi gewesen. Sie brauchen mir mit solchen Zwischenbemerkungen nicht zu kommen.
Nun wird als Milderungsgrund frohlockend gesagt, die Zahlungsbilanz habe sich in den letzten Wochen infolge dieser restriktiven Maßnahmen verbessert. Die Besserung, die scheinbare Besserung der Zahlungsbilanz ist nur die Folge langfristiger Zahlungseingänge und Ausfuhrbehinderungen. Die Ausfuhrbehinderungen, die sich in diesen Wochen ergeben haben, sind negativ in der Zahlungsbilanz selber noch nicht sichtbar geworden. Ich würde Herrn Blücher entschuldigend zugestehen, wenn er sagt, er habe auf die Außenhandels- und Zahlungsbilanzentwicklung faktisch keinen Einfluß, da diese von Instanzen außerhalb seines Ministeriums entscheidend beeinflußt wird. Mit dieser Entschuldigung, die ich persönlich hingehen lassen würde, würden wir aber wieder an den Anfang meiner Ausführungen kommen: daß dieses Ministerium fehl am Platze ist, weil es nur eine Konstruktion der Regierungskoalition ist und nicht sachlichen Notwendigkeiten entspricht. Deshalb bitten wir, den Etat des ERP-Ministeriums abzulehnen. Für den Fall aber, daß man aus Koalitionsrücksichten dieser Ablehnung nicht zustimmen zu können glaubt, bitte ich Sie dringend, wenigstens einer Erweiterung dieses Ministeriums nicht zuzustimmen, weil es ja nach Lage der Dinge 1952 zu existieren aufhören muß.
Wenn ich diese Forderung auf Einschränkung erhebe, möchte ich ausdrücklich betonen: Das ist keine Kritik an der Tätigkeit dieser Beamten, sondern das ist eine Kritik an der Konstruktion dieses Ministeriums.