Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe, als der Herr ERP-Minister und Vizekanzler sprach, einige Zwischenrufe gemacht. Ich habe aber mit den Zwischenrufen aufgehört, weil ich fürchtete, sein zart besaitetes Gemüt könnte den Eindruck haben, daß ich ihn totreden wollte. Sonst habe ich wirklich nicht den Eindruck, daß der verehrte Herr Vizekanzler durch einen Zwischenruf aus dem Konzept zu bringen ist. Heute schien es aber so zu sein. Das schien mir damit zusammenzuhängen,
daß ich ihn dabei attrappierte, wie er „Haltet den
Dieb!" machte. Denn während es sich darum handelte,
Ersparnisse bei seinem Etat zu machen, schien er
doch von der Tatsache ablenken zu wollen, daß er
Sparsamkeit nötig hat, indem er auf ganz andere
Gebiete hinwies. Er sprach von Schulen. Ich wüßte
nicht, was Schulen mit dem ERP-Ministerium zu
tun haben. Deswegen die Zwischenrufe. Aber ich
will ganz gern hier darauf eingehen. Das ist nämlich der Kern unserer Beanstandung gegenüber seinem Ministerium, daß es nicht so organisiert ist, wie man es bei den Verhältnissen unseres Landes und unserer Finanzen gegenwärtig fordern muß. Wenn der Herr Finanzminister sich die Haare ausrauft — es sind nicht mehr viel drauf —
weil er nicht weiß, wo er das Geld herkriegen soll, und wenn er dann außerdem glaubt die Steuern, und zwar gerade die Umsatzsteuer, die die breitesten Kreise trifft, steigern zu müssen, muß doch zunächst jede Ersparnismöglichkeit ausgeschöpft werden, die die Organisation unserer Behörden noch bietet. Gerade im ERP-Ministerium sind Ersparnismöglichkeiten da, die darauf beruhen, daß das ERP-Ministerium seine eigentliche Aufgabe zu verkennen scheint.
Nach unserer Ansicht ist das ERP-Ministerium dazu da zu koordinieren. Man muß sich darüber klar sein, daß die sämtlichen Aufgaben des ERP-Ministeriums auch in anderen Ministerien vorkommen, im Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium, im Wirtschaftsministerium, im Finanzministerium und im Auswärtigen Amt. Hier handelt es sich doch bestenfalls darum. daß eine kleine Behörde dasein müßte, um die an verschiedenen Stellen bearbeiteten Angelegenheiten zu koordinieren. Dazu müßte ein Ministerium. wenn es überhaupt ein solches wäre — es genügte dazu an sich eine Abteilung eines der anderen zuständigen Ministerien —, jedenfalls in der Größe ausreichen, wie es vorher bestanden hat, bevor die jetzt vorgesehene Erhöhung geplant war. Eine Erhöhung von 7 Millionen auf rund 13 Millionen DM ist doch allerlei. Nebenbei bemerkt: wieviel Beamte gibt es da? Bei einem Ministerium, das auf Abruf besteht und dessen Aufgaben — ich kann hier sagen: lei -der — von Jahr zu Jahr geringer werden, sollte man sich hüten, planmäßige Beamte anzustellen, die man hinterher zwangsläufig irgendwo anders hineinpumpen muß. Man sollte gerade hier eine sehr bewegliche Organisation haben. Aber man hat gerade bei dem Aufbau dieses Ministeriums den Eindruck, daß es so tut, sich so gebärdet und so einrichtet, als wenn ,es Aufgaben hätte, die nie wieder verschwinden. Wenn das so wäre. könnten wir froh sein. Aber die Amerikaner denken ja nicht daran, und sie können auch nicht daran denken. Sie wollen, daß Europa sich auf eigene Füße stellt.
Es ist also die Gefahr vorhanden, daß die Haupttätigkeit dieses Ministeriums darin besteht, Statistiken und Rechtfertigungen zu machen und mit den anderen, auch mit solchen Aufgaben befaßten Ministerien in einen lebhaften Briefwechsel zu geraten, teils um die Existenzberechtigung nachzuweisen, teils aber auch deshalb, weil sich das aus dem Zug der Behörde selbst ergibt. Je kleiner die Behörde ist, um so sicherer ist es, daß dabei gespart wird und daß konzentriert und straff gearbeitet wird. Eine Vergrößerung des Ministeriums über den bisherigen Rahmen hinaus lehnen wir deswegen ab. Wir halten das Ministerium in seiner Gesamtheit als Ministerium für überflüssig. Wenn der Herr Kanzler glaubt, sich des politischen Rates erfahrener Männer seiner Koalitionsparteien bedienen zu müssen, ein Kabinett von ausreichender Größe zur Verfügung zu haben, mag es nötig sein, daß es Minister ohne Portefeuille gibt. Darum ist es doch nicht notwendig, gleich Ministerien von
dem Umfang und dem Kostenbetrag dieses Ministeriums aufzuziehen. Ich habe beiläufig in einem Zwischenruf gefragt, ob denn diese Aufwendungen auch produktiv sind. Ich habe soeben schon einen Zweifel in die Produktivität angedeutet, indem ich gesagt habe, eine ganze Menge der Arbeit geht dadurch drauf, daß man mit anderen Ministerien korrespondiert, daß man Statistiken macht und seine eigene Notwendigkeit nachweist.
Es kommt noch hinzu, daß das, was man getan hat — ich erinnere nur an die ERP-Fibel —, auch sonst zum Teil von sehr zweifelhafter Zweckmäßigkeit ist. Es ist, um nur diesen einen Fall herauszugreifen — es ist sicherlich nicht der einzige —, ein Betrag von ungefähr 60 000 DM für ein Buch ausgegeben worden, das praktisch kein Mensch liest. Wir sind gegenüber den Amerikanern verpflichtet zu betonen, daß es sich bei den amerikanischen Zuwendungen um eine Angelegenheit amerikanischer Großzügigkeit, Weitherzigkeit, Liberalität handelt. Gut, das mag geschehen. Andere Länder machen es so, daß sie das Geld produktiv anlegèn und auf die Spender dieser Beträge hinweisen. Wir drucken dafür Bücher, die kein Mensch liest. So geht es auch; das hat auch Arbeitskräfte lange intensiv beschäftigt. Wir sind aber der Ansicht, man sollte mehr auf die Sparsamkeit sehen, als es hier der Fall ist.
Wir lehnen deshalb den gesamten Etat dieses Ministeriums ab.