Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, um die es sich bei dieser Interpellation handelt, ist die, ob Parteien, die die Demokratie vernichten wollen, das Recht haben und in Anspruch nehmen können, sich der Mittel der Demokratie zu ihrer Vernichtung zu bedienen. Es geht bei dem, was durch die Interpellation an-
gerührt worden ist, nicht um Volksbefragungen schlechhin und nicht um die Freiheit der Meinung schlechthin, wenn Sie es so wollen, sondern es geht hier um die Frage, ob die Freiheit der Einwohner der Bundesrepublik geschützt werden kann gegen den Versuch, sie zu vernichten,
Die Aktion, um die es hier geht, ist von einer Partei organisiert und beschlossen worden, die außerhalb des Gebietes existiert, in dem das Grundgesetz gilt, die aber nach dem Geltungsgebiet des Grundgesetzes hineinagiert, um dieses Grundgesetz zu Fall zu bringen.
So wenig ist man sich der Sache sicher!
Wir haben den Art. 9 des Grundgesetzes, und ich muß sagen, meine Fraktion ist nur zum Teil befriedigt und kann nur zum Teil befriedigt sein von der Antwort, die hier vom Herrn Bundesinnenminister über die Anwendung des Art. 9 gegeben worden ist. Es geht bei dem Art. 9 um die Bestimmung, daß Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten sind.
Die Tatbestände treffen in jedem Falle zu; diese Organisationen arbeiten mit den Mitteln des Rufmords, ob sie nun SRP sind oder was sie sonst für Organisationen und Komitees sind. Die Tatbestände der Verfassungsfeindlichkeit sind gegeben, und wir hätten gewünscht, daß man in aller Deutlichkeit sagt: Die ganze Aktion und das, was sich in ihrem Kielwasser an rechtsextremistischen Organisationen bewegt, die den aufgewühlten Sümpf zu benützen versuchen, ist ungesetzlich.
Es geht hier nicht um die Frage, ob man für oder gegen die Remilitarisierung ist. Das muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden.
Denn es ist ja — und das haben wir in der Sitzung des Bundestages am 9. März deutlich gesagt — das Ziel unserer Politik, einen neuen Krieg zu verhindern.
Wenn man hier mit zwei irreführenden Fragen: Bist du gegen die Remilitarisierung und bist du für den Abschluß eines Friedensvertrages noch im Jahre 1951? die wirklichen Ziele einer Aktion zu verschleiern versucht, so muß man der Öffentlichkeit sagen, was hinter diesen Fragen steht. Sehen Sie, wenn man für den Frieden und gegen die
Remilitarisierung ist, dann muß man doch wohl gegen die Schreckensurteile sein, die an den Bibelforschern und Kriegsdienstverweigerern in der sowjetischen Besatzungszone exerziert werden
und die schlimmer sind als die im „Dritten Reich" über diese Kategorien verhängten.
Ich will in diesem Zusammenhang erwähnen, daß erst kürzlich in einem zentralen Schulungsmaterial der sogenannten SED ein namhafter Funktionär der SED abgekanzelt wurde, weil er gegen den Krieg überhaupt ist und weil er sich als Pazifisten bezeichnete. Aber „Pazifist" ist eines der schlimmsten Schimpfworte in der Terminologie der SED!
Ich will weiter daran erinnern, daß ein Bundestagsabgeordneter, der, wie man erfuhr, jetzt sein Mandat niederlegen mußte, sich schon auf dem dritten Parteitag der SED den Vorwurf — und zwar als schwersten in einer Reihe von Vorwürfen — gefallen lassen mußte, daß er es abgelehnt oder verabsäumt habe, auf einer Tagung der Kommunistischen Partei in Westdeutschland eine Resolution einzubringen, die darauf hinauslief, die Kommunisten und die arbeitende Bevölkerung hier zu verpflichten, im Falle eines Krieges mit der sowjetischen Armee zu marschieren.
Der Mann wurde dafür gemaßregelt, daß er eine solche Resolution nicht eingebracht hat; nur insofern kann uns der Fall hier interessieren.
Wir müssen bei dieser Sachlage auch noch einmal erklären, daß diese verdächtige Eile —„Friedensvertrag noch im Jahre 1951" — den Zweck hat, unter dem Druck der Ereignisse von Korea und in Asien überhaupt das deutsche Volk auf dem Umweg über eine gefälschte Volksbefragung, die zu kontrollieren keine Möglichkeit besteht, dazu zu bringen, daß es die Oder-NeißeGrenze anerkennen, in einem eilfertigen Tempo schlucken soll.
Das steckt in dieser Frage und in dieser Formulierung.
Die sowjetische Besatzungszone und die dort aufgerichtete Ordnung wird als das Modell einer Friedensordnung für ganz Deutschland, hingestellt. Ich greife zurück auf eine bis heute nicht desavouierte Erklärung der offiziellen Zeitschrift „Neue Zeit", die in mehreren Sprachen von Moskau aus erscheint und in der es heißt, daß die Verhältnisse, die in der sowjetischen Besatzungszone geschaffen worden sind, bei einer Friedensordnung für Gesamtdeutschland allein maßgebend sein können.
Damit haben Sie es schwarz auf weiß! In einer
sowjetoffiziellen Verlautbarung, in einer Übersicht
über die Außenpolitik und die Grundsätze der
Außenpolitik der Sowjetregierung ist ein denkwürdiger Satz enthalten, der heute in Erinnerung gerufen werden muß:
Parteien und deren Politik sowie Regierungen werden nicht nach ihren Programmen, nach ihren Erklärungen und Bekanntmachungen, sondern nach den Ergebnissen ihrer Tätigkeit beurteilt.
Das trifft haargenau auf die SED und auf die von ihr organisierte sogenannte Bewegung zur Bekämpfung der Remilitarisierung und für die Herstellung eines Friedensvertrages im Jahre 1951 zu.
Der Herr Grotewohl hat in einer heute veröffentlichten Erklärung gesagt, die sogenannte Deutsche Demokratische Republik, d. h. der Organismus der Sowjetzone, solle ganz Deutschland umfassen. Das steht heute morgen als offizielle Verlautbarung des Herrn Grotewohl in den sowjetzonalen Zeitungen.
Im Zusammenhang mit der Verlautbarung des sogenannten Essener Komitees wird gesagt, daß eine „Lawine des nationalen Widerstandes" in Westdeutschland niedergehe. Die Formel für den sogenannten „Nationalen Widerstand" hat Herr Ulbricht freundlicherweise gegeben. Diese Formel, die er in der „Freien Tribüne" vom vorigen Jahre anläßlich des „Nationalkongresses" der kommunistischen SED veröffentlicht hat, lautet: nationaler Widerstand bedeute, daß irgendwelche Anweisungen von Bonn und irgendwelche Anweisungen des Berliner Oberbürgermeisters nicht anerkannt oder für gültig erklärt werden können. Es wird also der Versuch gemacht, durch Organe, die den legitim gewählten gesetzgebenden und Exekutivorganen gegenübergestellt werden, diese in die Rolle der Ungesetzlichkeit zu verdrängen
und illegitime Organe „gesetzlich" zu machen. Die Erklärungen, die Ulbricht offiziell zur Veröffentlichung dieses Appells des Komitees für die Volksbefragung hat ergehen lassen, gipfeln immer in Drohungen: Wer zu diesen Fragen nicht ja sagt — es fehlt die Zeit, das hier ausführlich zu zitieren; Sie können es einsehen —, muß es sich gefallen lassen, als Verbrecher bezeichnet zu werden. Wir sind langmütig genug uns das anzuhören!
Es gibt Artikel — ich habe mir allein fünf Stellen in zwei Artikeln, die zusammengehören, angestrichen —, die nicht mehr und nicht weniger sagen, als daß der, der nicht ja sagt, a) kein Patriot und b) ein Verbrecher ist. Damit haben Sie den Tatbestand der Erpressung mit dieser angeblichen Volksbefragung und Unterschriftensammlung schwarz auf weiß.
Ein in diesem Hause akkreditierter Journalist, der aber nebenbei an Nachrichtendienst noch manches andere tut, hat heute in einem ebenfalls in der sowjetzonalen Presse veröffentlichten Artikel geschrieben, kein Deutscher sei zur Einhaltung der Gesetze der Bundesrepublik verpflichtet. Um das zu beweisen, zieht er die Parallele zum Widerstand gegen das Hitlerregime.
Mehr muß man nicht sagen, um den Sinn der
Volksbefragungsaktion klarzustellen.
Wenn ich nun vorhin gesagt habe, der dadurch aufgewühlte Sumpf gestatte solchen Desperados der Politik wie Remer und Doris, sich ebenfalls in die Menge zu mischen, nun, so ist das nicht einmal ein Versuch, hier nach berühmtem Muster mal gegen „rechts" und dann nach „links" — wobei beide Himmelsrichtungen falsch sind — zu schlagen, sondern es ist doch eine feststehende Tatsache, daß der Herr Dorls und der Herr Remer und einige andere dem damals, Anfang dieses Jahres von Kommunisten und anderen, zusammen mit Professor Noack, veröffentlichten Aufruf „für Frieden und gegen die Remilitarisierung" — der doch die Grundlage dieses ganzen Schwindels ist — telegraphisch ihre Zustimmung gegeben haben.
Es spielt dabei doch gar keine Rolle, wie sich die Herren
sonst in Versammlungen gegeneinander betragen;
entscheidend ist doch, wie sie in der entscheidenden Frage strategisch miteinander zusammenwirken. Und wenn man in Niedersachsen, Oldenburg
und an der Wasserkante heute in den Versammlungen des Herrn Remer und seinesgleichen hören
muß, daß gesagt wird: „Wir werden, wenn die
Russen kommen, die Verkehrsschutzleute sein, die
ihnen sagen: bitte, weiter über den Rhein!" — so
ist das doch eine Art der Zersetzung, so ist das doch
eine Sumpfpolitik, die man sich, wenn man einen
Staat entwickeln will, nicht gefallen lassen darf!
Ich würde vorschlagen, daß der Herr Bundesinnenminister und die Bundesregierung das ihnen bekannte Material über die Umtriebe der SRP, .der Remer, der DSP und der anderen den Mitgliedern dieses Hauses vorlegen.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß schon auf dem dritten Parteitag der SED das Mitglied des Politbüros der SED, das für die Zersetzung dieses Teiles Deutschlands verantwortlich ist, Herr Dahlem, erklärt hat, man müsse die Angst, die in der Bevölkerung Westdeutschlands vor einem neuen Kriege herrscht, bis zur Panik steigern.
Sehen Sie: eine Regierung ist doch verpflichtet, Leute, die Panik kaltblütig organisieren, in die Schranken zurückzuweisen.
Die SED und die Kommunistische Partei haben eine große Gelegenheit, zu zeigen, wieviele Leute hinter ihnen stehen.
Sehen Sie, das ist auch der eigentliche Sinn dieses
Manövers, daß sie diese Gelegenheit nicht benützen können und nicht benützen wollen. Wir
haben am 9. März, und zwar einmütig, hier gesagt: Freie Wahlen unter gleichen Bedingungen in allen vier Zonen und in Berlin! — Darauf hat der Herr Grotewohl nur mit Beschimpfungen zu antworten vermocht.
Jetzt kommen sie mit dieser Aktion, weil sie sich scheuen müssen, sich bei wirklich freien Wahlen dem Urteil der Bevölkerung zu stellen.
Auch bei dieser Gelegenheit will ich erklären — und ich hoffe, das ist auch die Meinung der Regierung und ihrer Parteien —, daß wir die Kommunistische Partei und die sogenannte SED bei freien Wahlen in allen vier Zonen und in Berlin, die unter den gleichen Bedingungen stattfinden, in keiner Weise gegenüber irgendwelchen anderen Parteien benachteiligen wollen. Sie haben dasselbe Recht und dieselbe Möglichkeit, aber auch nicht mehr als jede andere Partei.
Und. weil sie das offenbar nicht wollen — wenn sie es wollen, sollen sie uns den Beweis dafür liefern —, kommt diese Aktion zur Verwirrung der Bevölkerung in der Bundesrepublik. Diese Aktion muß als ungesetzlich unterbunden werden!