Rede von
Dr.
Else
Brökelschen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bin nicht der Meinung, daß wir die schwierigen und ernsten Fragen, die heute hier vor uns stehen, durch ein Übermaß an Stimmenaufwand erledigen. Ich bin deswegen entschlossen, sehr ruhig und ohne Stimmenaufwand das zu sagen, was wir zu den Dingen zu sagen haben.
Meine Herren und Damen! Es ist heute sehr viel von allen Seiten von der Würde des Menschen geredet worden. Ich bin der Meinung, daß zur Wahrung der Würde des Menschen allmählich gehört, daß wir uns hier im Bundestag die Reden der Kommunisten nicht mehr anzuhören brauchen.
Es ist nach meinem Empfinden gegen die Würde des Menschen, daß wir uns immer wieder mit diesen Dingen hier befassen müssen, obwohl wir genau wissen, daß es ferngesteuerte Wünsche des Kreml sind.
— Ich bin kein Kommunist und stehe nicht unter Fernleitung des Kreml. Deswegen brauche ich es nicht auswendig zu lernen.
Meine Herren und Damen! Die Wahrnehmung der Bürgerrechte ist heute von den Kommunisten verlangt worden. Ich bin allerdings sehr für die Wahrnehmung der Bürgerrechte. Deswegen bin ich dafür, daß die Regierung alles tut, um den Schutz der Wahrung dieser Bürgerrechte zu übernehmen,
und ich bin froh über die klaren Entscheidungen, die der Herr Innenminister heute hier verkündet hat.
Drittens. Die ganze Taktik der Kommunisten — und ich bedauere als Frau, hier auch etwas gegen Frau Wessel sagen zu müssen — geht auch heute wieder dahin, die Aufmerksamkeit von dem, worum es wirklich geht, abzulenken auf das, was sie debattiert haben wollen. Wir debattieren heute nicht über Remilitarisierung, sondern wir debattieren über das Legale oder Illegale der Volksbefragungsausschüsse.
Die Taktik der KPD und der ostzonalen Machthaber ist sehr wechselnd. Die Tatsache, daß man mit immer neuen Methoden, immer neuen Versuchen beginnt, hat etwas Tröstliches. Sie zeigt nämlich, daß bislang jedenfalls keiner der Wege, die von der Ostzone gegangen worden sind, zu dem erwünschten Ziele geführt hat.
Deswegen werden die Dinge immer drängender und werden die Versuche im kalten Krieg immer ernster. Ich bin aber der Meinung, daß gerade auch wir Frauen trotz allem noch genug gesunden Instinkt und gesundes Lebensgefühl haben, um auch diesen schweren Pressionen uns entgegenzustemmen und sie siegreich zu bestehen,,
Meine Herren und Damen! Gerade wir Frauen — das sage ich in allem Ernst — laufen Gefahr, in der begreiflichen und bis ans letzte gehenden Sehnsucht nach Frieden auf Wunschbilder hereinzufallen, die der Wirklichkeit nicht gerecht werden und die statt des ersehnten Friedens das Ende alles wirklichen Lebens bedeuten.
Ich glaube, es ist Aufgabe gerade von uns Frauen, in immer stärkerem Maße in unseren Kreisen darauf hinzuwirken, daß eine geschichtliche Wirklichkeit beachtet werden sollte und daß wir nicht jenseits einer geschichtlichen Wirklichkeit auf Wunschbilder hereinfallen, die ja ganz anders aussehen, je nachdem, ob man sie östlich oder westlich formuliert, Wunschbilder, die die politische Wirklichkeit vollkommen ignorieren und das Gegenteil von dem bezwecken, was wir hier im Westen unter Frieden und Freiheit verstehen.
— Ich tue Ihnen nicht den Gefallen, auf dieses Wort einzugehen; ich täte dann das, was ich von vornherein bekämpft habe: ich ließe mich abbringen von dem, was ich hier sagen will.
Meine Herren und Damen, ich bedauere — ich sagte das vorhin schon —, in einigen Worten auf das eingehen zu müssen, was Frau Wessel hier ausgeführt hat. Frau Wessel hat gesagt, wir sollten die Parole vom Frieden nicht nur der KPD überlassen. Ich bedauere, daß das Wort „Parole" hier gefallen ist.
Parolen gehören in den Wahlkampf — leider Gottes; sie gehören aber nicht in diese ernsten Dinge, um die es hier geht. Meine Herren und Damen, Friede ist für mich keine Parole, sondern der Friede ist das letzte Ziel, um das ich als Frau
kämpfe, und ist infolgedessen für mich die Forderung einer letzten Wahrhaftigkeit, um die es geht.
Frau Wessel hat weiter gesagt, der Ausgangspunkt der Befragung sei es, die Stimmung zu erforschen. Nein, Frau Wessel, der Ausgangspunkt dieser Befragung ist nicht, die Stimmung zu erforschen! Sehen Sie in die ostzonale Presse hinein! Das Ziel dieser Befragung ist es, die westdeutschen Menschen in die Aktionsfront des Ostens hineinzuzwingen.
Darüber gibt es gar keine Debatte.
Und ein Weiteres, Frau Wessel! Es stimmt bedenklich, daß an zwei Stellen Ihrer Ausführungen — ich bedauere das ganz unendlich — von der kommunistischen Seite Ihnen ein „Sehr gut!" zugerufen worden ist. Ich meine, dieses „Sehr gut!" der KPD sollte Sie doch zum Nachdenken darüber bringen, ob das, was Sie in der letzten Zeit so stark propagiert haben — nicht nur hier, sondern auch anderswo —, tatsächlich den Interessen und Lebensnotwendigkeiten gerade auch der Frauen in Westdeutschland dient.
Und in diesem Zusammenhang, meine Herren und Damen, ein letztes. Frau Wessel, Sie haben gesagt, es bestünde die Gefahr, daß ein Eiserner Vorhang sich zwischen die Regierung und das Volk senke.
Frau Wessel, das ist der Tenor der ostzonalen Presse; das ist das, was seit Wochen in der ostzonalen Presse als Ziel und Tendenz der ostzonalen Machthaber vertreten wird.
Ich bin der Meinung, wir sollten diese Parolen — denn das sind Parolen! — in aller Schärfe hier zurückweisen, und ich appelliere hier, Frau Wessel, an Ihre Solidarität mit uns als Frauen, daß wir uns diesen Parolen entgegensetzen, daß wir die Lage in aller Klarheit, in allem Ernst und in aller Nüchternheit sehen, daß wir uns klipp und klar dazu bekennen, daß der Friede, den wir hier wollen, etwas vollkommen anderes ist als das, was uns vom Osten serviert wird, und daß wir, wohin wir hier im Westen kommen, diese Differenz der Friedensbegriffe klarmachen und in der Wahrung unserer Freiheit hier die Dinge so nennen, so formulieren und so fordern, wie wir das im Interesse der gesamtdeutschen Menschen hier im Westen tun müssen.