Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Punkt 1 der an die Bundesregierung gerichteten Anfrage ist der dort niedergelegte Tatbestand bekannt.
Zu Punkt 2: Die Bundesregierung hat zu umfassenden Maßnahmen gegriffen.
Ich beehre mich, Ihnen die Begründung der Bundesregierung zu einem Beschluß, den sie auf meinen Antrag am 24. April 1951 gefaßt hat und den der Kanzler und ich gezeichnet haben, jetzt vorzutragen.
Die SED-Politiker der Sowjetzone führen zur Zeit den bisher massivsten Angriff gegen die Bundesregierung. Alle Kräfte der politischen Organisationen des Kommunismus sind für die sogenannte Volksbefragung gegen die Remilitarisierung und den Abschluß eines Friedensvertrages 1951 planmäßig eingesetzt.
Die Aktion ist seit längerer Zeit planmäßig und umfassend vorbereitet und zielt in Wirklichkeit auf einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung des Bundesgebietes ab.
Grotewohl hat am 21. Juli 1950 zum nationalen
Widerstand gegen die Bundesrepublik aufgerufen.
Pieck hat am 16. August 1950 zum offenen Kampf gegen die freiheitliche Ordnung der Bundesrepublik aufgerufen.
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Ulbricht hat im August 1950 die Mißachtung der Gesetze und Verordnungen in der Bundesrepublik als nationales Recht des deutschen Volkes proklamiert. Die im Februar 1951 veröffentlichten Thesen zum Parteitag der KPD rufen zu einer aktiven Widerstandsbewegung gegen die Remilitarisierung auf.
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Die sogenannte Europäische Arbeiterkonferenz,
die im März des Jahres in Ost-Berlin tagte, gibt als Parole der Arbeiterschaft die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Deutschlands aus.
Im Januar 1951 ist in Essen die Bildung einer großen einheitlichen Organisation zur Vorbereitung der Volksbefragung beschlossen worden. Die Gefährlichkeit der Volksbefragungsaktion ist dann aus der Thälmann-Rede Ulbrichts klar zu erkennen, die Mitte dieses Monats gehalten wurde. Hier wird der aktive Widerstand gegen die Remilitarisierung in Deutschland verlangt
und dabei auf mächtige Demonstrationen und Massenstreiks hingewiesen. In dieser Thälmann-Rede Ulbrichts heißt es wörtlich:
Wer sich nicht an der Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und für einen Friedensvertrag im Jahre 1951 beteiligt, der macht sich mitschuldig an den Verbrechen, die von den Eisenhower, Adenauer und Kompanie vorbereitet werden.
Pieck und Grotewohl verlangen vollzählige Beteiligung aller Deutschen unter Androhung des Verrufs gegen jeden, der sich nicht beteiligt.
Inzwischen sind im Bundesgebiet gebildet worden — meine Damen und Herren, achten Sie auf die Schritte, die bereits eingeleitet sind —: ein Hauptausschuß, Landesausschüsse, Orts- und Betriebsausschüsse.
Örtliche Abstimmungen und Unterschriftensammlungen werden durchgeführt.
Die Aktion wird von kommunistischen Organisationen betrieben, die sich nach Möglichkeit auch, nichtkommunistischer Persönlichkeiten Westdeutschlands als Aushängeschild bedienen
oder zu bedienen versuchen. Vertreter der beiden großen christlichen Konfessionen, frühere Militärs, sind vor allem umworben.
Die kommunistische Propaganda durch Rundfunk und Presse für die Volksbefragung läuft bereits auf allerhöchsten Touren. Flugblätter werden in Millionen-Auflage gedruckt. Eine große Welle von Versammlungen, Ansprachen und Beratungen wird zur Zeit durchgeführt.
Am vergangenen Sonntag tagte in einem Essener Zirkusbau der sogenannte Hauptausschuß dieser Aktionen. Es nahmen etwa 1600 Personen teil. Eine große Anzahl von Teilnehmern war aus weiten Gegenden durch das Versprechen kostenloser Reise und Verpflegung zusammengeholt worden.
Die Finanzierung der Gesamtaktion erfolgt zentral aus Mitteln, die vom Osten zur Verfügung gestellt werden.
Die Ermittlung der Volksmeinung durch eine
nichtamtliche Befragung ist an sich im demokratischen Staat nichts Außergewöhnliches
und ists solche unter normalen Verhältnissen nicht zu beanstanden.
Dies mögen auch die zahlreichen Juristen feststellen, die im Auftrage der Volksbefragungsakteure die Rechtsmäßigkeit dieser Aktion zu begründen versuchen.
Hier dient aber die sogenannte Volksbefragung nur zum Vorwand für eine Aktion,
die in ihren letzten Enden ausgerichtet ist auf die Erschütterung der freien demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik.
Durch diese ihre Zielsetzung wird die betriebene Aktion zu einem Angriff auf die Verfassung der Bundesrepublik.
Durch die öffentliche Ermittlung der Stellungnahme jedes einzelnen soll zugleich unter Verletzung des Geheimhaltungsgrundsatzes einer demokratischen Abstimmung die Einstellung der westdeutschen Bevölkerung zur kommunistischen Politik ermittelt werden, und Terrormaßnahmen gegen die Ablehnenden und sich Enthaltenden sollen festgelegt werden.
Nun, Ihnen als Ostzonenpolitiker auf der äußersten Linken steht es wirklich schlecht an, über Rüstungsvorbereitungen im eigenen Bereich hinwegzugehen und gegen eine von Ihnen erdichtete Remilitarisierung in der Bundesrepublik Sturm zu laufen.
In dem Thema für die Volksbefragung sind nach hitlerischem Muster zwei Fragen verkoppelt in der Absicht, eine einheitliche Beantwortung zu erschleichen. Darin liegt zugleich die verleumderische Tendenz, der Bundesregierung die Absicht der Remilitarisierung zum Zwecke der Führung eines Angriffskrieges unter Bedrohung des Friedens zu unterstellen. Das erklärt Ulbricht deutlich, indem er von der Teilnahme an den Verbrechen spricht, die gegen das deutsche Volk vorbereitet werden.
Meine Damen und Herren, die Herren aus der Ostzone sind in der Formulierung ihrer Anfragen gelehrige Schüler von Herrn Goebbels gewesen, und Herr Goebbels müßte eigentlich, wenn er noch lebte, vor Neid erblassen über die meisterhafte Anwendung seiner Theorien.
Der Gesamtangriff richtet sich gegen die Bundesrepublik und ihre demokratischen Grundlagen.
Immer wieder wird, um mit Ulbricht zu sprechen,
erklärt, daß der Remilitarisierung und Kriegspoli-
5488 Deutscher Bundestag — 13g. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. April 1951
tik der Adenauer, Blücher und ihres Helfershelfers Schumacher aktiver Widerstand geleistet werden müsse
Die Früchte dieses Aufreizens zeigen sich bereits. Bei der Kundgebung der VVN
in Gelsenkirchen am 15. dieses Monats haben die Demonstranten, die zum großen Teil der FDJ, dem Sturmtrupp des Bolschewismus, angehörten, die Polizeibeamten mit Dachlatten und Fahnenstöcken angegriffen und einer ganzen Anzahl vonolizisten erhebliche Verletzungen beigefügt. Es war verboten, Uniformen anzuziehen; es war verboten, Umzüge zu veranstalten;
es war verboten, Transparente zu führen. Alle diese Verbote sind von vornherein von den Teilnehmern vorsätzlich mißachtet worden. Den Teilnehmern, die in Autobussen, in Lastwagen und mit der Eisenbahn aus allen Teilen Westdeutschlands von den Alpen bis zur Nordsee herangeführt waren, sind nicht nur die Kosten der Reise und die Kosten des Aufenthalts, sondern ist sogar der Ausfall an Arbeitslohn erstattet worden. Die vorhandenen reichen Mittel sind nicht von der Kommunistischen Partei am Ort, in Gelsenkirchen, sondern über Frankfurt aus ,der Ostzone im Betrag von 40 000 DM gezahlt worden.
— Beruhigen Sie sich! Sie kriegen noch mehr zu hören.
Zusammenfassend muß ich folgendes feststellen. Es handelt sich bei der Volksbefragungsaktion um ein Glied einer planmäßiger Aktion, die den aktiven Widerstand gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes und deren Beseitigung zum Ziel hat. Es handelt sich wiederum um etwas, was wir zum Schaden des ganzen Volkes, ja zum Schaden des Weltfriedens schon einmal erlebt haben, daß freiheitliche demokratische Ordnungen mißbraucht werden sollen, um diese freiheitlichen demokratischen Ordnungen im Interesse eines totalitären Staates zu beseitigen.
Sie hat deshalb auf meinen Antrag einen einstimmigen Beschluß gefaßt, der, wie ich Ihnen schon gesagt habe, von dem Kanzler gezeichnet und von mir gegengezeichnet worden ist. Der Beschluß lautet:
1. Die von der SED, dem Gewalthaber der Sowjetzone, betriebene Volksbefragung gegen Remilitarisierung und für Friedensschluß im Jahre 1951 ist dazu bestimmt, unter Verschleierung der verfassungsfeindlichen Ziele die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu untergraben. Die Durchführung der Aktion stellt einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes dar.
2. Vereinigungen, die diese Aktion durchführen, insbesondere die dazu errichteten Ausschüsse, richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und sind daher durch Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes kraft Gesetzes verboten.
3. Die Landesregierungen werden gemäß § 5 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950 ersucht, jede Betätigung solcher Vereinigungen für die Volksbefragung zu unterbinden.
Die Bundesregierung läßt auch gegen die rechtsradikalen Organisationen
schärfste Aufmerksamkeit walten.
— Das sind Ihre engsten Freunde, das wissen wir.
In letzter Zeit macht sich die SRP fast unverhüllt die Wiederbelebung nationalsozialistischer Ideen und Formeln zur Aufgabe.
Was diese Hetzer des Neofaschismus sich zur Zeit im Wahlkampf Niedersachsens an Herabsetzung der demokratischen Staatsformen und an Herausforderung der staatstreuen Bevölkerung leisten, übersteigt das Maß des Erträglichen.
Die Mehrheit des deutschen Volkes hat noch nicht vergessen, welch unabsehbares Unheil die Nazidiktatur über unser Volk und die Völker Europas gebracht hat.
Hier bahnt sich eine Entwicklung an, die in auffallender Übereinstimmung der politischen Zielsetzung mit dem Linksradikalismus
ebenfalls geeignet ist, unsere demokratische Staatsform zu gefährden.
Auch hier gibt der Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes die Möglichkeit, wirksam vorzugehen.
Es ist sehr bedauerlich, meine Damen und Herren, daß wir in diesem Augenblick praktisch noch nicht in der Lage sind, das Bundesverfassungsgericht anzurufen und damit von Art. 21 unseres Grundgesetzes Gebrauch zu machen.
Die Bundesregierung wird alles tun, um die Ingangsetzung des Bundesverfassungsgerichts zu beschleunigen, und wird unverzüglich, sobald der erste Senat zur Verfügung steht, dort die ent-
sprechenden Anträge aus Art. 21 des Grundgesetzes stellen.
Aber auch solange das Bundesverfassungsgericht noch nicht existiert, sind die übrigen Schutzbestimmungen der Verfassung und des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Wirksamkeit; und auch hier würde die Bundesregierung sich einer unverzeihlichen Unterlassung schuldig machen, wenn sie nicht alle ihr zu Gebote stehenden Mittel ergriffe, um diesen Ausschreitungen des Rechtsradikalismus wirksam zu begegnen.
Die Bundesregierung wird deshalb die Landesregierungen auf die Entwicklung der Lage im rechtsradikalen Lager und auf die gesetzlichen Handhaben, dagegen vorzugehen, hinweisen. Sie erwartet von den Landesregierungen, daß sie auch gegen diese rechtsradikalen Organisationen mit den schärfsten Mitteln vorgehen.
— Jetzt kommt es etwas stärker! — Sollte ein Land nicht in der Lage sein, durch seine Polizeikräfte
mit den Staatsfeinden fertigzuwerden, ist die Bundesregierung entschlossen, einen Antrag auf Einschreiten nach Art. 91 des Grundgesetzes entgegenzunehmen und die erforderlichen Folgerungen daraus zu ziehen.
— Hören Sie noch den letzten Absatz! — Angesichts
der Tatsache, daß die SRP, und zwar unverhüllt,
dieselben staatszersetzenden Wege geht wie einst
zu unserem nationalen Unheil die NSDAP, behalte
ich mir nach Prüfung weiterer Tatbestände vor, die
Länder anzuweisen, bereits nach Art. 9 des Grundgesetzes vorzugehen und auch die SRP aufzulösen.