Rede von
Wilhelm
Tenhagen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der zur Beratung anstehenden Vorlage unternimmt die Bundesregierung den Ver-
such, eine grundsätzliche Neufassung des Gewerbesteuerrechts vom 1.12.1936 durchzuführen. Der Herr Kollege Dr. Dresbach hat eben schon darauf hingewiesen, daß der Bund nach den Bestimmungen über die konkurrierende Gesetzgebung zweifellos das Recht hat, diese Neufassung vorzunehmen, die insbesondere notwendig geworden ist, um die Unsicherheit und die Unübersichtlichkeit der jetzigen Fassung, zu der ja verschiedene Verordnungen hinzugekommen sind — es sind insgesamt drei —, nunmehr durch ein einheitliches Gesetz wieder abzulösen. Es ist auch notwendig, um die Einheitlichkeit in den einzelnen Ländern wiederherzustellen, weil auch hier in der Zeit nach 1945 verschiedenartige Modifikationen dieses Gesetzes vorgenommen wurden. Insoweit begrüßen wir die Vorlage und sind selbstverständlich bereit, im Ausschuß an dem Gesetz weiter mitzuarbeiten.
Es sind dazu einige grundsätzliche Bemerkungen nach der Seite hin zu machen, die teilweise auch schon vom Kollegen Dresbach angesprochen wurde. Es handelt sich um die Fragen, die in den Begriffen Gegenwartsbesteuerung oder Vergangenheitsbesteuerung, wie das früher einmal war, zusammengefaßt werden können. Die Frage, ob so oder so, wird heute noch sehr heftig diskutiert. Auch in den kommunalen Spitzenverbänden herrscht darüber keineswegs eine einheitliche Auffassung. Ich glaube, daß es notwendig sein wird, im Ausschuß den ehrlichen Versuch zu machen, zu einer Lösung zu kommen, mit der alle Partner einverstanden sein können: einmal die Gemeinden als diejenigen, die zweifellos an diesem Gesetz sehr stark interessiert sind, weil die Gewerbesteuer nicht eine ihrer geringsten Finanzquellen darstellt, zum andern auch die Verwaltung, die naturgemäß daran interessiert ist, zu einer möglichst einfachen Handhabung zu kommen; dasselbe gilt für die Wirtschaft als dem Dritten in diesem Bunde. Ich könnte mir vorstellen, daß man vielleicht zu einer Lösung kommt, die, wenn man schon die Gegenwartsbesteuerung beibehalten will, zumindest beinhaltet, daß man zu einem gleichmäßigen Erhebungszeitraum mit dem Rechnungsjahr kommt. Ich glaube, daß man darüber einmal im Ausschuß reden sollte, weil hier meiner Ansicht nach noch einige Möglichkeiten der Vereinfachung gegeben sind.
Es ist bei der Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung steht, wegen der vorgeschrittenen Zeit und in Anbetracht des Pensums, das noch vor uns liegt, nicht angebracht, in sämtliche Einzelheiten dieser Vorlage einzusteigen. Dazu ist sie auch viel zu weitschweifig, als daß das mit Erfolg heute noch gemacht werden könnte. Ich habe insbesondere auf eines hinzuweisen und darf in diesem Zusammenhang grundsätzliche Bedenken unserer Fraktion dagegen anmelden, daß die Regierung in ihrer jetzigen Vorlage die Absicht erkennen läßt, die im Jahre 1943 verordnete Einbeziehung der Lehrlingsvergütungen und der Löhne der Schwerbeschädigten und der über 60 Jahre alten Arbeiter in die Berechnung der Lohnsumme für die Lohnsummensteuer beizubehalten. Sie tut das in ihrer Begründung mit der sehr lakonischen Feststellung:
Diese Beträge durften nach § 12 der Gewerbesteuervereinfachungsverordnung schon vom 1. April 1943 ab nicht mehr von der Lohnsumme abgezogen werden.
Das ist die ganze Begründung für einen Tatbestand,
der unter den veränderten Verhältnissen, wie ich
mit Recht glaube sagen zu können, heute auch anders angesehen werden muß als zu der Zeit, als man diese Verordnung geschaffen hat.
Insbesondere vom Handwerk wird sehr nachdrücklich darauf hingewiesen, daß diese Bestimmung eine nicht zumutbare Belastung der Handwerksbetriebe mit sich bringt. Ich glaube, daß wir schon unter dem Gesichtspunkt, daß heute Zehntausende von jungen Menschen darauf warten, eine Lehrstelle zu bekommen, in der sie ein anständiges Handwerk und einen Beruf erlernen können, alles tun sollten, was auch dem Handwerk den Anreiz bietet, neue Lehrstellen zu schaffen und in größerem Umfang als bisher junge Menschen in die Ausbildung zu nehmen. Ich glaube, daß es auch nicht stichhaltig ist, wenn man vielleicht sagt, das sind keine so enorm hohen Beträge, daß sie einen besonderen Anreiz bieten könnten. Die psychologische Wirkung, die auch hier nicht unterschätzt werden darf, wird, glaube ich, auch noch ein Übriges dazu tun, die Leute vom Handwerk dazu zu bewegen, Lehrstellen zu schaffen. Ich glaube, daß auch die Eingabe, die der Zentralverband des deutschen Handwerks gemacht hat, der sich insbesondere auf diese Dinge stützt, schon ein Beweis dafür ist, daß man weitgehend auf diese Gegebenheiten Rücksicht nehmen will.
Meine Damen und Herren, wie ich eingangs schon sagte, werden wir uns an der Ausschußberatung dieses Gesetzentwurfs selbstverständlich wie bei jedem anderen Gesetz beteiligen. Wir werden auch zu diesen besonderen Fragen unsere Anträge zu stellen haben, und ich hoffe, daß wir sehr bald in die Beratung dieser sehr umfangreichen Materie einsteigen können.