Jawohl, wir sind zur Aufnahme bereit, aber nur dann, wenn uns die entsprechenden Wohnungsbauten finanziert werden. Wir wissen, daß ausreichende Mittel für diesen Zweck nicht zur Verfügung stehen. Daher wird dieses Weisungsrecht des Ministers wahrscheinlich auch nicht zur vollen Auswirkung kommen können.
Einen ganz besonderen Fortschritt bedeutet die Errichtung der Flüchtlingsbank. Damit ist endlich die Kreditierung von Flüchtlingsbetrieben in die Hand einer Zentralstelle gelegt worden. Allein schon die Tatsache, daß nun eine Zentralstelle in der Lage ist, die Vergebung dieser Kredite zu prüfen, ist ein gewaltiger Fortschritt. Auch hier gab es bei den Ländern manche Schwierigkeiten, weil die für diesen Zweck bewilligten Mittel nicht immer in die dafür bestimmten Kanäle geflossen sind. Aber auch heute sind wir leider noch in einer schwierigen Situation insofern, als die Mittel, die der Flüchtlingsbank zufließen, zu gering sind; die Entwicklung hat hier eher rückläufige als ansteigende Tendenz. Hoffen wir, daß es gelingen wird, auch hier entsprechend schnell voranzukommen!
Wir begrüßen es insbesondere, daß in diesem Haushalt die Mittel für Informationsmaterial wesentlich erhöht worden sind. Wir haben schon im vorigen Jahr den wohl einzig dastehenden Fall erlebt, daß die dafür vorgesehenen Mittel im Haushaltsausschuß von 1000 auf 50 000 DM erhöht worden sind, und in diesem Jahre ist der Ansatz sogar auf 500 000 DM gesteigert worden.
Ich komme zur Frage der Internationalisierung des Flüchtlingsproblems. In meinen Augen ist einer der schönsten Erfolge dieses Ministeriums darin zu sehen, daß es durch intensive Aufklärung aller möglichen ausländischen Staaten gelungen ist, dieses Problem allmählich zu einem internationalen Problem zu machen. Wir wissen, daß es noch vor 11/2 und 2 Jahren Amerikaner gegeben hat, die gesagt haben: Das deutsche Flüchtlingsproblem ist ein rein innerdeutsches Problem, Deutschland muß damit allein fertig werden! Das ist längst überwunden. Der Walter-Bericht war der erste wesentliche Schritt auf diesem Wege. Es war von besonderer Bedeutung, daß eine Kommission des amerikanischen Kongresses durch die eigene Staatsdruckerei die Weltöffentlichkeit über diesen Fragenkomplex aufgeklärt hat. Einen weiteren Fortschritt sehen wir in dem Bericht der Sonne-Kommission; wir
werden sicherlich Gelegenheit haben, uns über diesen Bericht einmal eingehend zu unterhalten.
Inzwischen ist auch bei der UNO ein Flüchtlingskommissariat für die europäische Flüchtlingsfrage eingerichtet worden. Auch hier bildet die deutsche Flüchtlingsfrage einen Bestandteil der gesamteuropäischen Flüchtlingsfrage. Wir haben es weiter erlebt, daß in Straßburg ein Sonderausschuß für Flüchtlingsfragen eingerichtet wurde, der allmählich zu einer Behörde ausgebaut werden soll. Auch auf diesem Sektor ist also ein gewaltiger Fortschritt erzielt worden. Wir sind dem Ministerium wirklich dankbar, weil es ihm mit dem ihm gebotenen entsprechenden Informationsmaterial und durch geschickte Verhandlungsführung an verschiedenen Stellen gelungen ist, diesen Fortschritt zu erzielen.
Zum Tit. 32, kulturelle Fragen und andere, geben wir ebenfalls unsere volle Zustimmung.
Nun zur Aufgabenstellung. Im kommenden Jahre ist wohl das Kernproblem der Lastenausgleich. Wir können nicht genug betonen, daß hier ein gerechter Ausgleich kommen soll. Auf diesem Gebiet hat das Ministerium die Möglichkeit, von sich aus viel zu tun. Allerdings wollen wir den Betroffenen sagen: Jetzt besonders zu drängen, wäre fehl am Platze. Ich glaube, wir können es von diesem Hause aus in Anspruch nehmen, zu sagen, daß alle wesentlichen großen sozialpolitischen Gesetze in ganz anderer Fassung verabschiedet wurden, als sie von der Regierung vorgelegt wurden, und zwar mit Änderungen immer zugunsten der jeweils betroffenen. Es wäre falsch, wenn man hier zu sehr beschleunigen wollte und dann bei der Behandlung dieser Frage nicht genügend Zeit hätte, sich mit dem Problem wirklich ernsthaft zu befassen. Ich bin der Überzeugung, daß hier ein, zwei Monate keine Rolle spielen sollten, weil eine so kurze Verzögerung sich wahrscheinlich zugunsten derer auswirken wird, die davon betroffen sind.
Das Vertriebenengesetz — das ist bereits erwähnt worden — ist außerordentlich wichtig. Es muß möglichst schnell kommen; denn es ist Tatsache, daß in den einzelnen Ländern die Bestimmung des Art. 116 des Grundgesetzes, nach dem alle Heimatvertriebenen den Einheimischen gleichgestellt sind, in der Praxis nicht so durchgeführt wird. Ich habe eine ganze Reihe von Landsleuten, die z. B. in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen als Volksdeutsche aus dem Südosten nicht als Heimatvertriebene und damit nicht als im Sinne des Art. 116 gleichgestellt anerkannt werden. Hier wird es sehr gut tun, wenn das Vertriebenengesetz kommt. Insbesondere wird dabei die Frage schwierig sein, den Begriff Ostzonenflüchtling zu klären und diese Gruppe von Flüchtlingen entsprechend einzubauen.
Eine besondere Aufgabe des Bundesministeriums würde ich darin sehen, dafür zu sorgen, daß die Misere unter den Arbeitslosen, nämlich das zahlenmäßige Mißverhältnis der heimatvertriebenen zu den anderen Arbeitslosen, in irgendeiner Form beseitigt wird. Es wird sehr schwierig sein, aber man muß sich mit diesem Problem sehr eingehend befassen, und das Ministerium soll eben an den verschiedenen Türen klopfen, damit hier eine Besserung eintritt.
Ganz besonders aber glaube ich, daß im nächsten Jahre die Frage, die unser Freund Schütz angeschnitten hat, nämlich die Frage der ländlichen Siedlung, der landwirtschaftlichen Siedlung auch mehr als bisher behandelt werden muß. Wir müs-
sen zugeben, daß auch unser Bundestag sich erst in den letzten Wochen nach dem Antrage Frühwald entschlossen hat, sich überhaupt mit diesem Problem zu befassen. Im letzten Jahre hat noch niemand daran gedacht, im Etat des Landwirtschaftsministeriums für diesen Zweck irgendwelche Mittel zu bewilligen. In diesem vergangenen Jahre waren es nur fünf Millionen DM. Das ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach dem Entschließungsantrag der SPD — wir wollen hoffen, daß er durchgeht — sollen wenigstens im nächsten Jahre 60 Millionen für diesen Zweck bewilligt werden.
Es wird hier im Hause und auch überall immer wieder gesagt: Landarbeiterfrage, Landarbeitermangel. Ich behaupte: Überall, wohin ich komme, herrscht doch eine merkwürdige Situation. Von Woche zu Woche erleben wir, daß ausländische Kommissionen hier in das Bundesgebiet kommen und sich hier Landarbeiter und landwirtschaftliche Kolonisatoren suchen und sie tatsächlich mit hinausnehmen. Ich behaupte, daß die Bundesrepublik heute das Land in der Welt ist, das über das größte Reservoir erstklassiger landwirtschaftlicher Arbeiter und Facharbeiter verfügt, daß es uns aber nicht gelingt, diese Menschen tatsächlich in den Arbeitsprozeß einzuschalten. Das liegt an der gesamten Wirtschaftspolitik; denn man kann von einem Flüchtling, von dem Landarbeiter und von dem Bauern nicht verlangen, daß er vielleicht für 10 bis 12 DM in der Woche für sich und seine Familie zu einem Bauern arbeiten geht, weil er davon nicht einmal die Kleider kaufen kann, die er zerreißt. Die Landarbeiter sind da. Trachten wir danach, daß eine andere Politik kommt, und wir werden genügend erstklassige Arbeiter haben und werden es vor allen Dingen verhindern, daß uns das Ausland unsere besten Kräfte abzieht, was zur Zeit tatsächlich geschieht.
Mit der Landarbeiterfrage hängt auch ganz eng der Wohnungsbau zusammen. Wir müssen uns wirklich Gedanken darüber machen, im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Siedlung auch diesen Fragenkomplex von der Flüchtlingsseite her aufzugreifen, und wir müssen versuchen, daß Landarbeiterwohnungen gebaut werden, genau so wie wir den Bergarbeiterwohnungsbau bevorzugt betreiben, damit die Landarbeiter hier zu einem Eigenheim kommen und schollenverbunden werden. Dann werden sie auch auf die Dauer zur Verfügung stehen.
Dabei möchte ich ausdrücklich betonen, daß es uns Heimatvertriebenen auch nicht gleichgültig ist, auf welchem Wege die Mittel für diese Zwecke eingesetzt werden. Wir werden in der nächsten Woche wahrscheinlich Debatten im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen über diese Frage zwischen verschiedenen Banken haben. Auch hier muß es, wenn schon Bundesanstalten da sind, die diese Aufgabe seit Jahrzehnten zentral gelöst haben und nach ihrer Zusammensetzung eine entsprechende Möglichkeit der Bundeskontrolle bieten, Grundsatz sein, daß wir möglichst diesen Weg und nicht einen anderen gehen, auf dem ganz andere Kreise ihre Interessen vertreten sehen und darüber entscheiden wollen, aber nicht unter entsprechender Einschaltung und Kontrolle auch der Heimatvertriebenen selbst.
Wenn ich mir nun noch in gewisser Hinsicht eine kleine Kritik am Ministerium erlauben darf, denn an der Personalpolitik. Wir hatten seinerzeit nach der Schaffung des Bundes unter uns im Heimatvertriebenen-Ausschuß einen Schlüssel ermittelt und hatten uns damals geeinigt, daß wir das Verhältnis der Ostvertriebenen zu den Sudetendeutschen und zu den ehemaligen Minderheiten entsprechend festlegen und uns an diese Schlüsselzahl halten wollen. Das wurde festgelegt, und wir hätten doch zumindest erwartet, daß unser eigenes Ministerium, das Flüchtlingsministerium, sich im wesentlichen an diese Schlüsselzahl hielte. Das ist nicht geschehen. Ich denke da an meine eigene Gruppe aus dem Südosten. Von all diesen Leuten haben wir heute nur zwei im Bundesministerium. Auch die Gruppe der anderen Auslandsdeutschen, die Reichsdeutschen, wurde bisher vernachlässigt. Wir haben hier im Bundesgebiet etwa 300 000 ehemalige Reichsdeutsche, die in allen möglichen Ländern der Welt, in Kolonien, z. B. den holländischen usw. gelebt haben. Sie bilden ein wertvolles Element, haben dort draußen sehr viel deutsches Vermögen verloren, über dessen Rechtsstellung zu verhandeln sich sicherlich lohnen würde. Auch diese Gruppe ist also nicht entsprechend zum Zuge gekommen.
Im übrigen geben wir unsere Zustimmung zu dem Etat und wünschen nur von Herzen, daß das Ministerium auch weiterhin und vielleicht mit noch mehr Druck sich dafür einsetzt, daß die Probleme schneller gelöst werden. Wenn es von uns abhinge, dann würden wir dafür Sorge tragen, daß die Kompetenz dieses Ministers eine stärkere und kräftigere wird, damit er sich insbesondere den Ländern gegenüber auch durchsetzen kann.