Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann leider nicht so viel Weihrauch auf das Haupt des Herrn Ministers streuen wie
mein Freund und Vorredner; der Herr Abgeordnete Schütz. Ich werde mich aber sehr bemühen,
möglichst objektiv zu bleiben. Ich bedaure es lebhaft, daß ich zu dem Haushaltsplan des Bundesministeriums für Vertriebene nur in sehr gedrängter Form Stellung nehmen kann, obwohl dieses Ministerium für uns Heimatvertriebene eines der wichtigsten Ministerien ist. Wir legen Wert darauf, das der Minister und sein Ministerium mit unseren überparteilichen Gliederungen — das ist der ZvD, VerbaOst, die Landsmannschaften — in engster Fühlung bleiben
und daß sie auf sie hören, daß diese Institutionen unterstützt werden, ohne daß ich die Besorgnis habe, die der Kollege Reitzner hat, daß diese Unterstützung in andere Kanäle fließen könnte. Wir hören und sehen auch, daß der Bundeskanzler mit den Gewerkschaften wiederholt verhandelt, daß er die Bedeutung der Gewerkschaften hoch einschätzt. Wir wissen, wie wertvoll es war, daß er mit den Gewerkschaften die Frage der Mitbestimmung gelöst hat. Ich gehe noch weiter; ich würde es für notwendig halten — und da stimme ich dem Kollegen Reitzner bei —, daß der Herr Minister des öfteren die heimatvertriebenen Abgeordneten informiert.
Wenn das geschehen würde, dann würde vielleicht so manches Mißverständnis aus der Welt geschafft und die Stellung des Ministers bedeutend gestärkt werden. Der Vertriebenenminister muß sich bewußt sein, daß er — und ich verstehe die Kritik des Kollegen Reitzner nach dieser Richtung — im Kabinett, im Bundesrat und bei wichtigen internationalen Tagungen unser Anwalt, der Dolmetsch unserer Forderungen ist. Es ist besonders notwendig, daß er genügend stark ist, wenn es sich darum handelt, das deutsche Flüchtlingsproblem zu lösen, ohne dessen Lösung eine soziale Ordnung in Europa undenkbar ist. Er kann bei dieser Gelegenheit den Westen nicht oft genug auf dessen Kollektivschuld an dem schweren Flüchtlingselend in Deutschland aufmerksam machen.
Ich halte es für notwendig, daß wir im Rahmen dieser Debatte zu dem Bericht der amerikanischen Kommission zum Studium des Vertriebenenproblems, dem sogenannten Sonne-Bericht, und auch zu den Ausführungen des Herrn Vertriebenenministers kritisch Stellung nehmen, die er unlängst in der Presse gemacht hat. Der Sonne-Bericht ist einer der wichtigsten Berichte, die ' wir von amerikanischer Seite seit dem sogenannten Walter-Bericht gehört haben. Der Bericht ist bis heute „reserved". Er umfaßt angeblich 500 Seiten und wurde am 21. 3. 1951 dem Bundeskanzler vorgelegt. Was bis heute in der Öffentlichkeit gesagt wurde, ist nur die positive Seite dieses amerikanischen Berichtes, nicht die negative Seite, die wir ebenso kennen. In dem Bericht heißt es wörtlich:
In den nächsten Jahren muß mehr als bisher
für die Vertriebenen getan werden; anderenfalls ist es nicht ausgeschlossen, daß die Vertriebenen zu einer politischen Gefahr für
Deutschland würden. Weder die politischen
Parteien noch der einheimische Mittelstand
würden dann ihre bisherige Stellung behalten.
Das sagt dieser Bericht ganz deutlich. Wenn der
Sonne-Bericht damit vielleicht die Frage des Lastenausgleichs meint, dann hat er vollständig recht.
Die Regierung, der Bundesrat und, auch die politischen Parteien müssen diesmal damit rechnen,
daß die Heimatvertriebenen, die Kriegsgeschädigten sich mit einem Linsengericht nicht werden abspeisen lassen. Das muß mit aller Deutlichkeit, gesagt werden.
Das Positive des Sonne-Berichts ist wohl die Feststellung, daß die Lösung der Flüchtlingsfrage nicht als eine ausschließlich deutsche, sondern als eine internationale und dringliche Angelegenheit bezeichnet wird. Es wird festgestellt, daß die notwendige Hilfe mit ausländischer Unterstützung schnell durchgeführt werden muß. Das hat ungleich mehr Gewicht, als die gleiche Feststellung aus deutschem Munde haben könnte. Das bedeutet aber nicht, daß wir von Fremden in eigener Sache mehr verlangen dürfen, als wir selber tun!
Wir erleben eine Enttäuschung nach der anderen. Wir wissen noch nicht, was der Bundesrat zum Gesetz nach Art. 131 sagen wird. Wir hören schon heute Stimmen, die über die Stimmung im Bundesrat nicht gerade Günstiges sagen. Die Frage der Umsiedlung der Heimatvertriebenen aus den mit Heimatvertriebenen überbelegten Ländern ist in ihrer Durchführung durch die Haltung der Aufnahmeländer geradezu ein Schandfleck geworden. Man darf nicht vergessen, daß es hier um eine ausgesprochen innerdeutsche Angelegenheit geht, mit der wir selber fertig werden müssen. Dies alles wird im Ausland ernst und kritisch beobachtet.
Wir betrachten das mit großer Aufmachung veröffentlichte sogenannte Blitzprogramm des Herrn Vertriebenenministers ungemein skeptisch und wollen nicht, daß es bei den Heimatvertriebenen allzu große Hoffnungen erweckt. Zur Durchführung eines so groß umrissenen Programms ist die derzeitige gefahrvolle außenpolitische Atmosphäre mit ihrer wirtschaftlichen Unsicherheit nicht geeignet. Wir lehnen jede Kompensation mit erhöhten Besatzungskosten, wie sie Sonne verlangt und verspricht, mit aller Entschiedenheit ab.
Zum Haushaltsplan des Bundesministeriums für Vertriebene muß gesagt werden, daß er im Verhältnis zu verschiedenen Ministerien, deren Bedeutung nicht annähernd mit jener des Vertriebenenministeriums verglichen werden kann, mehr als bescheiden ist. Im Vertriebenenministerium konzentrieren sich die Sorgen um die Forderungen und Wünsche von 9 Millionen deutschen Menschen, die zwangsläufig in Westdeutschland eine neue Heimat gefunden haben und die für Gleichberechtigung und soziale Befriedung kämpfen.
Wir bedauern, nach der Durchsicht des Haus- haltsplanes des Vertriebenenministeriums feststellen zu müssen, daß für ausgesprochen kulturelle Betreuung der Heimatvertriebenen wenig oder fast gar nichts vorgesehen ist. Das hat auch die Frau Berichterstatterin unterstrichen. Unsere Kultur in unserer Heimat stand auf einer sehr hohen Stufe, und wir wollen, daß unsere heimatlichen Sitten und Gebräuche auch hier gepflegt und erhalten werden, weil sie ja ein Kleinod unseres Volkstums sind. Diese Aufgabe müßte das Vertriebenenministerium durch die Schaffung einer eigenen kulturellen Abteilung ganz besonders unterstreichen.
Wir bedauern sehr, daß das Bundesvertriebenengesetz dem Bundestag erst im Spätherbst vorgelegt wird und daß verschiedene Ministerien, wie wir hören, heute schon Schwierigkeiten bereiten. Der jetzige Zustand — wer sich mit den Dingen befaßt, weiß es — ist unhaltbar. Die Judikatur der einzelnen Länder und einzelnen Behörden ist oft entgegengesetzt und schadet den Heimatvertriebenen in Wohnungsfragen, bei Wohlfahrtsunterstüt-
zungsgesuchen, bei Soforthilfe- und Kreditfragen aller Art. Unser Wunsch wäre, daß das Bundesflüchtlingsgesetz raschestens vorgelegt wird. Es war nach unserer Auffassung auch unrichtig, daß das Hauptamt für Soforthilfe zu einer Abteilung des Finanzministeriums gemacht und nicht als oberste Behörde mit einer selbständigen Kompetenz ausgestattet oder dem Vertriebenenministerium angegliedert wurde. In Bayern ist es uns gelungen, das Landesamt für Soforthilfe dem Staatssekretariat für das Flüchtlingswesen anzugliedern, und die Zusammenarbeit ist gut und ungemein wertvoll.
Das wäre alles, was ich zum Haushaltsplan des Vertriebenenministeriums zu sagen hätte. Wir können uns mit Rücksicht auf all das, was auch der Kollege Reitzner in seiner Kritik schon vorgebracht hat, die wir ja im großen teilen, nicht entschließen, für den Haushaltsplan zu stimmen, sondern werden uns der Stimme enthalten.