Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir hier den Etat des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beraten und naturnotwendig damit Rechenschaft und Kritik an unserer Agrarpolitik verbinden, dann will mir scheinen, daß das eigentlich nicht ganz richtig ist. Wir sollten von der Ernährungspolitik ausgehen. Denn unsere Agrarpolitik ist wie unsere Bauernarbeit eine Dienerin in einer großen Gesamtaufgabe, der Ernährung unseres Volkes. Nur von dieser Warte aus gesehen wird es uns möglich sein, für die unverzichtbaren Forderungen unserer Landwirtschaft das nötige Verständnis im gesamten Volke zu finden. Oft und grausam genug hat das Schicksal uns in seine Schule genommen. Wir haben es durch 'eine harte Erfahrung gelernt, wie wertvoll eine möglichst weitgehende Eigenproduktion- für die Ernährung unseres Volkes ist. Es ist eine tragische Folge des Krieges, daß unser Volk auf einem so engen Raum zusammengedrängt wurde. Wir können unseren Lebensraum nicht erweitern, aber wir können ihn durch eine intensive Wirtschaft vertiefen.
Wenn dadurch — und das ist durchaus möglich — eine erhebliche Produktionssteigerung erreicht würde, dann würde das im größten Interesse unseres gesamten Volkes liegen. Dieses Interesse ist so groß, daß wir dafür notfalls sogar Unannehmlichkeiten oder gewisse Opfer auf anderen Gebieten tragen sollten. Eine Intensivierung unserer landwirtschaftlichen Produktion, auf die wir als Gesamtvolk nicht verzichten können, ist aber nur möglich, wenn durch eine vernünftige Agrarpolitik die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Man sollte es nun endlich glauben, daß die maßvollen Forderungen unserer Landwirtschaft nicht gestellt werden, um ein bequemes Leben auf dem Lande zu ermöglichen, sondern um durch gerechte Löhne und Preise die Arbeitskräfte und das Handwerkszeug zu erhalten, ohne die auch auf dem Acker
licht produziert werden kann. Wenn sich die Landflucht in der Weise weiterentwickelt wie bisbisher, werden wir eines Tages vor der Tatsache stehen, daß nicht mehr genug Kräfte vorhanden sind, um überhaupt noch die eigene Scholle zu bearbeiten.
Wenn man betont, daß ein gerechter Lohn und Preis für den Bauern, aber auch in gleicher Weise für den Landarbeiter nur durch eine Beschränkung unserer Einfuhr auf den tatsächlichen Bedarf zu verwirklichen ist, die Landwirtschaft also aus dem allzu freien Spiel der Kräfte, der Liberalisierung herausgehalten werden muß, dann muß man, wenn man der Wahrheit die Ehre geben und nicht nur aus agitatorischen Gründen kritisieren will,
auch einmal anerkennen, daß gerade in dieser Richtung einiges geleistet worden ist. Richtig gehandhabt, meine ich, sind die Marktordnungsgesetze durchaus ein Instrument, mit dem man in einer sinnvollen Lenkung, durch Einfuhr- und Marktregelung den Preis so regulieren kann, daß er vom Verbraucher und auch vom Erzeuger in gleicher Weise anerkannt wird. Ich meine, es wäre wirklich an der Zeit und wir würden es begrüßen, wenn unserer alten Forderung, den bisherigen Marktordnungsgesetzen noch ein weiteres Marktordnungsgesetz für Obst und Gemüse anzuschließen, möglichst bald Genüge getan würde.
Meine Damen und Herren, wir haben aber auch gerade in dieser Richtung hier ein ernstes Wort zu sagen. Denn durch die langsame Entwicklung auf diesem Gebiet in der Zeit der allzu weitgehenden Liberalisierung — und das ist ja gerade von meinem Herrn Vorredner zum Ausdruck gebracht worden — sind eine ganze Reihe überflüssiger Einfuhren getätigt worden, die bereits in erheblichem Maße die eigene Produktion geschädigt haben. Der Weg aber — das muß wiederum zur Steuer der Wahrheit hier zum Ausdruck gebracht werden — vom Fordern zum Vollbringen ist nicht immer ganz einfach gewesen. Es galt da erhebliche Hindernisse und Schwierigkeiten zu überwinden, um die Marktordnungsgesetze unter Dach zu bringen und wirksam werden zu lassen. Ich erinnere mich noch recht lebhaft, wie zu dem Einbau der Einfuhrschleuse, des Embargos, in das letzte Marktordnungsgesetz beim Vieh- und Fleischgesetz hier von gewisser Seite ganz entschieden nein gesagt wurde. Ich glaube, daß gerade diese Kreise heute mit ihrer Kritik ein bißchen zurückhalten sollten. Wenn man nämlich eine Lenkung der Einfuhr und des Marktes erstrebt und dabei die Freiheit erhalten will, dann ist ein solches Marktordnungsgesetz mit Einfuhrschleuse und Vorratsstelle unerläßlich, es sei denn, daß man noch etwas mehr will, daß man die Dinge überhaupt in die Hand des Staates legen und mit einer restlosen Bewirtschaftung wieder alle Nebenerscheinungen, die im Schwarzen Markt usw. zum Ausdruck kommen, in Kauf nehmen will.
Meine Damen .und Herren, außer der Einfuhr-und Marktregelung, die für eine vernünftige Ernährungs- und Agrarpolitik unerläßlich ist, gibt es noch zahlreiche Aufgaben, deren wir uns mehr als bisher erinnern und denen wir unsere Aufmerksamkeit schenken sollten. Ich bin der Meinung, daß mit einer großzügigen und zentralen, zusammengefaßten Agrarwerbung unter aktiver Teilnahme der berufsständischen Organisationen, die einer solchen Sache erst das Leben geben, der eigenen Überproduktion in einzelnen Sparten abzuhelfen wie auch der Verbrauch zu lenken wäre. Gerade für Milch, Obst und Gemüse, aber auch für Fisch und Fleisch sehe ich hier ein weites Feld noch unbeackert.
Auf diesem Wege müssen wir in der Landwirtschaft auch zu einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen Groß und Klein kommen, die den naturgegebenen Verhältnissen Rechnung trägt. Ich bin der Meinung, daß eine in dieser Weise gelenkte und geplante Arbeitsteilung auf der Grundlage einer europäischen Agrarproduktion auch einmal zur Teilung der bäuerlichen Arbeit in Europa führen muß.
Meine Damen und Herren, ich weiß sehr wohl, daß die wasserwirtschaftliche Gesetzgebung zur konkurrierenden Gesetzgebung gehört. Wenn wir aber die Bedeutung der Wasserwirtschaft für die landwirtschaftliche Produktion richtig würdigen wollen, müssen wir unser Augenmerk auch einmal auf diese Dinge richten. Insbesondere die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben für den Küstenchutz und die Uferbefestigung sehr erhebliche Mittel aufzuwenden, und die dann noch übrigbleibenden Mittel für die Erfüllung binnenländischer wasserwirtschaftlicher Aufgaben sind so außerordentlich beschränkt, daß bisher Maßnahmen von wesentlicher Bedeutung nicht durchgeführt werden konnten. Ich weiß aus meiner engeren Heimat, daß bei einer richtigen Bewässerung des Bodens, der sonst durch die Natur systematisch, wenn auch langsam, so doch unabwendbar demontiert wird, Ertragssteigerungen bis 7i1 50 % denkbar wären. Ich bin der Meinung, daß wir für Hilfsmaßnahmen des Bundes in den Länele rn. die die Aufwendungen für den Schutz der Küste bisher zum weitaus größten Teil allein getragen haben. obwohl das, letzten Endes für das ganze Rundesgebiet von Bedeutung ist, in Zukunft erheblich größere Mittel aufwenden sollten.
Eine bedeutsame und besondere Sorge — das ist hier bereits zum Ausdruck gekommen — ist der Landarbeitermangel. Zu seiner Behebung sind eine Reihe guter Vorschläge gemacht warden. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Landarbeit mit der Arbeit in anderen Berufen und Ständen gleichbewertet werden muß. Darüber hinaus muß im Interesse von Aufstiegsmöglichkeiten auf dem Lande durch eine großzügige Förderung der ländlichen Siedlung weitaus mehr getan werden als in den hinter uns liegenden Jahren. Meines Erachtens muß auch für den Bau von Landarbeiterwohnungen wesentlich mehr geschehen als in der Vergangenheit, um verheiratete Arbeiter auf dem Lande unterzubringen. Hier müssen wir auch ein ernstes Wort an die Bürokratie der Wohnungsämter richten, damit sie dem ländlichen Werkswohnraum diejenige Beachtung schenkt, die die Eigenart der auf dem Dorf nun einmal vorhandenen Verhältnisse erfordert.
Meine Damen und Herren, ich habe hier noch zu einem andern Punkt etwas zu sagen. Es handelt sich um das Schicksal unseres früheren Antrags auf Steuerrückvergütung für Bienenzucker, den wir bereits gesichert glaubten, Ich habe dieserhalb mit den Freunden meiner Fraktion und mit Kollegen aus verschiedenen anderen Fraktionen gesprochen. Wir werden dem Herrn Präsidenten gleich einen Antrag übergeben, in dem wir das Haus bitten, den seinerzeit vorgesehenen Betrag wieder einzusetzen. Es ist eine verhältnismäßig kleine Summe. Wir müssen uns über folgendes klar sein. Wenn die Bienenzucht weiter zurückgeht, bedeutet das nicht
nur einen Verlust der Produktion von Honig und Wachs, sondern es bedeutet auch, daß unser Obstbau und die Samenerzeugung in Deutschland einen Schlag bekommen, den wir uns unter keinen Umständen leisten können. Diese geringen Aufwendungen, die wir hier vorsehen, stehen in keinem Verhältnis zu dem Verlust, der dann entstehen würde. Ich bitte Sie deshalb, meine Damen und Herren, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Lassen Sie mich abschließend noch auf eines hinweisen, was zwar vielleicht nicht direkt hierher gehört, aber doch auch einmal gesagt werden muß. Eine noch so positive Ernährungs- und Agrarpolitik des Ministeriums, über dessen Etat wir beraten, müßte wirkungslos werden, wenn, wie das in der letzten Zeit der Fall gewesen ist, durch Steigerung der Ausgaben alle Einnahmen wieder verlorengehen, so daß man damit nicht durchkommt: Wir müssen deswegen unsere alte Forderung heute hier wiederholen, die steuerliche Belastung und vor allen Dingen die ungeheuere Kompliziertheit unseres Steuersystems durch eine vernünftige Regelung endlich zu beseitigen.
Meine Damen und Herren, damit bin ich am Schluß meiner Ausführungen, um die Dinge, die hier zum Teil schon gesagt worden sind und zu denen heute noch verschiedene Kollegen sprechen werden, nicht ins Endlose zu ziehen. Eines möchte ich aber noch abschließend sagen. Mit einer verantwortungsbewußten und positiven Ernährungspolitik werden wir nicht nur unserem Bauerntum und unserem gesamten Volke einen außerordentlich großen und unerläßlichen Dienst erweisen, sondern wir werden damit auch einen Wall gegen jenen Radikalismus bauen, der auf dem Wege über 1 die Not des deutschen Landvolkes zur Herrschaft strebt und die Demokratie durch eine neue Diktatur wieder ablösen will.