Rede von
Matthias
Hoogen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Wuppertal hat in seinem Bericht an den Herrn Präsidenten des Bundestages vom 15. 12. 50 vorgeschlagen, die Immunität des Abgeordneten Karl Wirths aus Wuppertal-Elberfeld zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen Beleidigung des Ministerialdirigenten Dr. Frenkel aus Düsseldorf aufzuheben. Diesem Vorschlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde.
Abgeordneter Wirths ist Herausgeber der „Westdeutschen Rundschau". In der Ausgabe vom 18. 10. 1950 veröffentlichte Abgeordneter Wirths unter der Überschrift „Wir fordern Rechenschaft, Herr Minister" einen Artikel, in welchem unter Anführung von Einzelheiten unter anderem dem Ministerialdirigenten Dr. Frenkel bei der ihm übertragenen Fürsorge für die politisch Geschädigten der Vorwurf der Korruption gemacht wurde.
Auf diesen Artikel erwiderte der Minister Dr. Amelunxen in der Ausgabe vom 2. 11. 1950 der „Westdeutschen Rundschau". In der gleichen Ausgabe veröffentlichte Abgeordneter Wirths unter der Überschrift „Verschiebung der Verantwortung" einen weiteren Artikel. In diesem Artikel heißt es wörtlich wie folgt:
Der Herr Frenkel hat sich inzwischen auch gemeldet. Er verlangte eine Berichtigung auf Grund des § 11 des Pressegesetzes. Wir sind dem nachgekommen und sind gespannt, ob Herr Frenkel gegen den Verfasser des Artikels
— den Abgeordneten Wirths —
Strafantrag stellen wird. Wir bleiben jedenfalls bei unserer Feststellung, daß die Art, wie Herr Frenkel seine Abteilung geführt hat, korrupt war.
Der Vorwurf der Korruption wird mit zahlreichen Einzelheiten und einem Bericht des Landesrechnungshofs in Düsseldorf erläutert. Darauf hat Dr. Frenkel am 13. 11. 1950 gegen den Abgeordneten Wirths Strafantrag wegen Beleidigung gestellt.
Bei diesem Sachverhalt empfiehlt der Ausschuß einstimmig, die Immunität des Abgeordneten Wirths zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen Beleidigung des Dr. Frenkel aufzuheben. Vorweg sei bemerkt, daß hierin selbstverständlich keine Stellungnahme zu der Frage, ob eine Beleidigung vorliegt oder ob der Vorwurf der Korruption berechtigt ist, zu erblicken ist. Das festzustellen, ist ausschließlich Sache des ordentlichen Gerichts.
Bei seiner Empfehlung läßt sich der Ausschuß von folgenden Erwägungen leiten. Es ist nicht zu verkennen, daß der eben mitgeteilte Sachverhalt u. a. auch politischen Charakter hat. Das ergibt sich aus den politisch umstrittenen Problemen, mit denen sich die verschiedenen Artikel befassen, aus der Stellung der in den Artikeln angesprochenen Persönlichkeiten im öffentlichen Leben und aus ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen politischen Parteien. Der Sachverhalt ist also jedenfalls „politisch infiziert", wie es in diesem Hohen Hause einmal hieß. In solchen Fällen mit politischem Interesse oder Hintergrund hat das Haus bisher den Standpunkt vertreten, daß sie jedenfalls grundsätzlich nicht zur Aufhebung der Immunität führen sollten. Damit dürfte es Ausnahmen in besonders gelagerten Fällen für zulässig erachtet haben. Eine solche Ausnahme ist nach der einmütigen Auffassung des Immunitätsausschusses hier gegeben.
Bei seinen Überlegungen ist der Ausschuß vom Zweck des Immunitätsrechtes ausgegangen. Das Immunitätsrecht soll die Funktionsfähigkeit und das Ansehen des Parlamentes sicherstellen. Es war also gegeneinander abzuwägen, ob das Ansehen dieses Hohen Hauses durch die Aufhebung der Immunität oder durch die Verweigerung der Aufhebung der Immunität gefördert wird. Im vorliegenden Falle würde nach der Überzeugung des Ausschusses durch eine Verweigerung der Immunitätsaufhebung das Ansehen des Parlaments aber nicht gefördert, sondern sogar gefährdet werden. Denn es dürfte dem Ansehen des Bundestages und —wenn sich solche Fälle wiederholen sollten — auch seiner Funktionsfähigkeit nicht förderlich sein, wenn aus den Reihen seiner Abgeordneten Staatsbürgern schwerwiegende kriminelle Vorwürfe gemacht werden — ob zu Recht oder zu Unrecht, haben die Gerichte zu entscheiden —, diesen Staatsbürgern zur Widerlegung der Vorwürfe die Einleitung von gerichtlichen Verfahren anheimgestellt wird und der Bundestag als höchster rechtsetzender Repräsentant der Staatsgewalt die Durchführung dieser Verfahren für längere Zeit durch Ablehnen der Immunitätsaufhebung unmöglich macht.
Ich darf an dieser Stelle bemerken, daß der Abgeordnete Wirths selbst die Aufhebung seiner Immunität wünscht, um in dem gerichtlichen Verf ah-ren den Wahrheitsbeweis für seine Behauptungen antreten zu können.
Es dürfte bei der Behandlung dieses Falles, meine Damen und Herren, von Interesse sein, zu hören, daß die jetzt geltenden Verfassungen der Länder Bremen und Hessen die Immunität dann versagen, wenn ein Abgeordneter wegen einer Straftat verfolgt werden soll, die er als Schriftleiter begangen hat. Und weiterhin: Der Reichstag hat 1931 ein Gesetz beschlossen, wonach Schriftleiter nicht sein darf, wer nur mit besonderer Genehmigung verfolgt werden kann. Hierauf hat in den Beratungen des Immunitätsausschusses Herr Präsident Löbe besonders und zutreffend hingewiesen.
Aus den eben erwähnten gesetzlichen Bestimmungen und dem Art. 46 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes dürfte also eine die Immunität einengende Entwicklung in Fällen wie dem vorliegenden zu entnehmen sein. Im Zuge dieser Entwicklung liegt auch der Ihnen vom Ausschuß zur Annahme emnfohlene Antrag auf Drucksache Nr. 2137.
Zur Konkretisierung des Antrages darf ich jedoch vorschlagen, in dem Passus „die Immunität des Abgeordneten Wirths aufzuheben" vor dem Worte „aufzuheben" die Worte einzufügen: „im Rahmen und nach Maßgabe des Berichtes des Oberstaatsanwaltes in Wuppertal vom 15. 12. 1950." Namens des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität darf ich Sie bitten, dem Antrage zuzustimmen.
— Herr Abgeordneter Renner, weil das der Ausschuß nicht beschlossen hat!