Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu diesem Punkt der Tagesordnung beschäftigt uns allein - jedenfalls formell — die Frage: Wo soll der Sitz des Bundesverfassungsgerichts sein? Der Antrag, den Herr Kollege Dr. Tillmanns soeben begründet hat, ist von fünf Fraktionen, auch von der meinen, unterzeichnet. Für uns ist es ganz allgemein bedauerlich, daß man mit der Frage des Sitzes einer obersten Behörde immer wieder landsmannschaftliche, hochpolitische und Gott weiß welche sonstigen Nebenfragen verbindet. Das verhindert eine sachliche Lösung der Frage, welches im Interesse des Volksganzen der beste Sitz der entsprechenden Behörde ist.
In diesem Falle trifft das besonders ausgeprägt zu. Vom Standpunkt einer geordneten und dem Volke dienenden Justiz aus ist es eine völlige Unmöglichkeit, daß man den Sitz des Bundesverfassungsgerichts, das etwa zur Hälfte mit Richtern des obersten Bundesgerichtshofes besetzt sein soll, für das also der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, daß er eine enge innere und äußere Verbindung mit dem obersten zivilen Gericht für erforderlich hält, nicht an denselben Ort legt, an dem der oberste Bundesgerichtshof schon sitzt. Mit der Entscheidung „Karlsruhe" — mag sie nun richtig oder falsch gewesen sein — sollte sachlich ohne weiteres entschieden gewesen sein, daß dann also auch der Verfassungsgerichtshof nach Karlsruhe gehört.
Als Jurist, als Rechtsbeflissener füge ich hinzu, daß es für jeden, der dem Recht eine höhere Funktion als eine rein äußerliche zumutet und zutraut, klar sein sollte, daß damit auch entschieden sein soll, daß das oberste Arbeitsgericht an demselben Ort zu tagen hat. So war es ja im alten Reich bei Leipzig auch der Fall. Nachdem man bedauerlicherweise die Arbeitsgerichtsbarkeit von der übrigen Gerichtsbarkeit getrennt hat — man hat es auch ressortmäßig getan —, als ob es zwei verschiedene Rechte gäbe, sollte man wenigstens dafür sorgen, daß in der obersten Spitze eine sehr starke innere Annäherung in Richtung auf ein gemeinsames Rechtsdenken herbeigeführt wird. Aber das ist eine Sache für sich. Jedenfalls sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, daß das Bundesverfassungsgericht an demselben Ort sitzen muß, an dem die Ziviljustiz ihre oberste Spitze hat.
Aus diesem Grund sind wir der Ansicht, daß ein anderer Ort als Karlsruhe überhaupt nicht in Frage kommen kann.
Wir unsrerseits aber lehnen in diesen Dingen jedes Junktim mit Berlin oder einem sonstigen Ort ab. Das gilt auch hinsichtlich des Bundesaufsichtsamts für Privatversicherung.
Darüber wird aber erst zu seiner Zeit etwas zu sagen sein. Heute habe ich dazu nichts auszuführen.
Berlin kommt als Sitz für ein oberstes Gericht nach allgemeinen demokratischen Meinungen jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn es jemals Bundeshauptstadt werden sollte; und das wollen wir doch hoffentlich alle. Wenn späterhin der Sitz der Bundesregierung dorthin kommen sollte, müßte man das Bundesverfassungsgericht bestimmt wieder wegverlegen; denn die enge Verbindung zwischen der Regierung des Bundes und den höchsten Richtern ist politisch bestimmt nicht erwünscht. Berlin muß in jeder Beziehung zum Bunde gezogen werden und das Gefühl bekommen, ein Teil des Bundes zu sein; und es muß die Möglichkeit haben, wenn es morgen hoffentlich zwölftes Land wird, daß es dann schon so eingegliedert ist, als wäre es schon seit langem Teil unsres Staates. Gerichtsbehörden aber gehören so lange nicht nach Berlin, als diese alte Hauptstadt auch wieder als neue Hauptstadt des Deutschen Reiches oder Bundes in Aussicht genommen ist.