Rede von
Albert
Walter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Meine Damen! Meine Herren! Die ernste Sorge um die Zukunft des Hauptverkehrsträgers in der Bundesrepublik, unserer Bundesbahn, hat meine Fraktion veranlaßt, den Ihnen vorliegenden Antrag zu stellen, der Bundesbahn den hier beantragten Kredit zu bewilligen. Ich muß Sie in diesem Zusammenhang mit einigen Zahlen über den Zustand unserer Güterwagen bekanntmachen. Wir hatten am 1. Januar 1948 262 000 betriebsfähige Güterwagen, am 1. Januar 1950 waren es noch 258 000, und in der 13. Woche des Jahres 1951 hatten wir noch ganze 243 457 betriebsfähige Güterwagen. Das ist eine Zahl, die bedenklich genug ist; ich brauche nur darauf hinzuweisen, daß unsere Bundesbahn die Produkte aus den Industriegebieten und zudem im Herbst unsere landwirtschaftlichen Produkte an die Verbraucher bringen muß.
Es kann nicht bestritten werden, daß der Bundesverkehrsminister und das Bundesverkehrsministerium sich im Laufe der letzten Jahre emsig bemüht haben, die Kredite zu bekommen, die erforderlich sind, um unsere Bundesbahn auf gesunde Füße zu stellen und das zu schaffen, was dringend notwendig ist. So hat das Bundesverkehrsministerium bereits bei der Economic Cooperative Administration Mittel aus der zweiten Tranche angefordert. Der Antrag wurde jedoch von der ECA im Mai 1950 abgelehnt. Im Rahmen der dritten Tranche durfte die Deutsche Bundesbahn auf Weisung der ECA nicht berücksichtigt werden. Als Begründung für die ablehnende Haltung wurde angegeben, daß man in ein Defizitunternehmen keine Kredite hineinstecken könne.
Nun; diese Angelegenheit ist von der interalliierten Behörde ein klein wenig merkwürdig behandelt worden, denn man hat in der gleichen Zeit ähnlichen Defizitunternehmen, z. B. den Bahnen in Italien 203 Millionen Dollar, den französischen Bahnen 177 Millionen Dollar und den österreichischen Bahnen 68 Millionen Dollar, insgesamt also 448 Millionen Dollar bewilligt. Das sind rund 1,8 Milliarden DM. Dagegen hat man es abgelehnt, unserer Bundesbahn auch nur einen Pfennig zu bewilligen, und zwar mit der seltsamen Begründung, die Bundesbahn und auch die Bundesregierung sollten erst einmal zu erkennen geben, daß sie gewillt seien, das Haus der Bundesbahn in Ordnung zu bringen und die wesentlichen Empfehlungen des Gutachtens des amerikanischen Ingenieurbüros Coverdale & Colpitts anzunehmen. Diesen Empfehlungen hat das Kabinett am 9. Februar zugestimmt. Daraufhin erklärte der Hohe Kommissar der USA in einem Schreiben vom 5. März 1951 an den Herrn
Bundeskanzler, der Bedarf der deutschen Bundesbahn an langfristigen Investitionskrediten werde grundsätzlich anerkannt, und Anträge auf Bewilligung von Gegenwertmitteln würden wohlwollend behandelt werden. Bereits am 7. Februar war beim Bundesministerium für den Marshall-Plan ein Antrag auf Genehmigung von 261 Millionen DM aus dem Restbetrag der dritten Tranche gestellt worden. Diese Anträge haben keine Zustimmung gefunden.
Es besteht nun zur Zeit folgende Situation: Auf der einen Seite erklärt der US-Hohe Kommissar in dem Schreiben vom 5. März an den Herrn Bundeskanzler, der Bedarf der Deutschen Bundesbahn werde grundsätzlich anerkannt, andererseits hat aber die ECA und besonders deren Chef Mr. Cattier erklärt, daß keine Anträge gestellt werden dürften. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß am 8. März auch ein am 7. Februar gestellter Antrag auf Bewilligung von 35 Millionen DM aus den GARIOA-Gegenwertmitteln für die Deutsche Bundesbahn abgelehnt wurde. In einem Schreiben des Mr. Cattier, des Chefs der ECA-Mission in der Bundesrepublik, vom 30. März an den Bundesverkehrsminister wird mit Rücksicht auf die ernste Güterwagenlage — man hat es endlich begriffen und eingesehen — vorgeschlagen, noch im Jahre 1951 18 500 neue Güterwagen zu erstellen. Der Bundesverkehrsminister wird aufgefordert, sofort zu handeln und Mittel für den Neubau von Güterwagen sicherzustellen.
Nun habe ich schon betont, man könne dem Verkehrsminister sicher nicht den Vorwurf machen, er habe sich nicht rechtzeitig um die Beschaffung von Mitteln gekümmert. Er ist nicht nur bei unseren Institutionen, sondern laufend auch bei den hohen interalliierten Behörden vorstellig geworden, um diese Mittel zu bekommen. Jetzt erst, nachdem man begriffen hat. daß doch sehr großer Wert auf die Erhaltung des rollenden Materials unserer Bundesbahn gelegt werden muß, fordert man unseren Bundesminister auf, dafür zu sorgen, daß mindestens 18 500 neue Güterwagen in diesem Jahr erstellt werden. Man hat aber nicht gesagt, daß man auch die dafür notwendigen Mittel hergeben will. Eine fernmündliche Besprechung mit den Herren der ECA hat ergeben, daß man bereit ist, jährlich etwa 100 Millionen für den Neubau von Güterwagen bereitzustellen, wenn die deutsche Bundesregierung ihrerseits den gleichen Betrag zur Verfügung stellt. Nun kommt es also darauf an, daß von der Regierung etwas in diesem Sinne getan wird. Die Möglichkeit besteht, indem wir eben von der dritten Tranche oder gemäß unserem Antrag den Betrag für die Bundesbahn bereitstellen, der notwendig ist, damit wir gleichzeitig auch die bei der ECA angeforderten Mittel bekommen können.
Es war auch nicht möglich, die Mittel für die Aufrechterhaltung des Bestands unseres rollenden Materials aus deutschen Quellen zu bekommen. Das Bundesverkehrsministerium hat sich nicht darauf beschränkt, Gegenwertmittel von der Hohen Behörde anzufordern, sondern hat darüber hinaus in jedem Programm, das sich auf deutsche Kapitalquellen stützen sollte, Mittel für die Beseitigung der Engpässe bei der Deutschen Bundesbahn beantragt. Für die Durchführung der Programme, die unter den Bezeichnungen „Zweites Arbeitsbeschaffungsprogramm", „Wirtschaftsförderungsprogramm" und „Ergänzungsprogramm zum ECA-Gegenwertprogramm" liefen, sind 532,5 Millionen DM, davon allein 230 Millionen für Güterwagen, gefordert worden. Als das deutsche Gesamtprogramm später auf 500 Millionen begrenzt wurde, waren darin noch ganze 50 Millionen für Fahrzeugaufträge der Deutschen Bundesbahn enthalten.
Alle diese Programme sind in ein Nichts verlaufen, sie sind nicht durchgeführt worden. Nun sitzt die Bundesbahn da und weiß nicht, wie sie den Anforderungen, die jetzt auch von alliierter Seite gestellt werden, gerecht werden soll. Ich betone nochmals, es nützt nichts, wenn unsere Industrie voll produziert, es nützt nichts, wenn unsere Landwirtschaft Produkte schafft, wenn wir nicht imstande sind, mit dem rollenden Material unserer Bundesbahn diese Produkte auch sachgemäß und so schnell wie nur irgend möglich zu befördern.
Aus diesem Grunde bitte ich, dem von uns gestellten Antrag zuzustimmen und ihn den Ausschüssen für Verkehrswesen und für ERP-Fragen zu überweisen.