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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 134. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1951 5199 134. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. April 1951. Geschäftliche Mitteilungen 5200B, 5210B Zur Tagesordnung . . . 5203B, D, 5204A, 5210C, 5229D, 5254B, 5256A Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan VI — Haushalt des Bundesministeriums des Innern (Nr. 1907 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Wiederbesiedlung der Insel Helgoland (Nr. 2017 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Sicherung von Eigentum auf der Insel Helgoland (Nr. 2018 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Bemühungen zur Freilassung von in der Ostzone inhaftierten Jugendlichen (Nr. 2019 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Zurückziehung des Beschlusses der Bundesregierung über Maßnahmen gegen Unternehmungen, die politische Organisationen verfassungsfeindlichen Charakters unterstützen (Nr. 2099 der Drucksachen) . . 5200C Abstimmungen 5200D, 5202B zur Abstimmung bzw. zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 5200D, 5202A Frau Dr. Hubert (SPD) 5201A Dr. Wuermeling (CDU) 5201B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 5201C Dr. Hammer (FDP) 5202A Bausch (CDU) 5203B Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit (Nr. 1912 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Erhöhungen der Leistungen der Sozialversicherungsgesetzgebung, des Bundesversorgungsgesetzes und der öffentlichen Wohlfahrtspflege (Nr. 2087 der Drucksachen), sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Teuerungszulage als Vorschuß auf die beantragte Erhöhung der Sozialversicherungsrenten (Nr. 2143 der Drucksachen) und in Verbindung mit Einzelplan XXVI - Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten (Nr. 1925 der Druck- sachen) 5203C, 5210D Mellies (SPD) : zur Geschäftsordnung 5203C zur Sache 5215A Arndgen (CDU), Berichterstatter . 5210D Gengler (CDU), Berichterstatter . 5212A Renner (KPD) : als Antragsteller 5214A als Abgeordneter 5224D Hartmann, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium 5215C Bazille (SPD) 5215D, 5230D Storch, Bundesminister für Arbeit 5217D, 5231D Pohle (SPD) 5218A Horn (CDU) 5219C, 5235A Frau Kalinke (DP) 5222C Dr. Mende (FDP) 5226D Frau Dr. Probst (CSU) 5228B Brese (CDU) 5229D Willenberg (Z) 5231B Abstimmungen 5234D, 5235B Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Freistellung landwirtschaftlichen Kleinbesitzes von der Grundsteuer (Nr 2020 der Drucksachen) 5203D Beratung vertagt 5203 Beratung der Zweiten Ergänzungsvorlage der Bundesregierung zum Entwurf eines .Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 2092 der Drucksachen) . .5204A, 5254B Ausschußüberweisung 5204A Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 5254B Beratung der Übersicht Nr. 24 über Anträge von Ausschüssen des Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 128) 5204B Beschlußfassung 5204B Beratung des Antrags der Abg. Dr. Solleder, Dr. Schatz, Strauß u. Gen. betr. Osthilfefonds zur Behebung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Notstandes Ostbayern (Nr. 2069 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, WAV, Z und Gruppe BHE-DG betr. Bildung eines Grenzlandfonds zur Behebung wirtschaftlicher und kultureller Notstände (Nr. 2078 der Drucksachen) 5204B Dr. Solleder (CDU), Antragsteller . . 5204C Dr. Edert (CDU-Hosp.), Antragsteller 5205C Storch, Bundesminister für Arbeit . 5205D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5206A Höhne (SPD) 5206D Dr. Horlacher (CSU) 5207C Müller (Frankfurt) (KPD) 5208D Frau Dr. Brökelschen (CDU) . . . 5209C Fröhlich (NHE-DG) 5210A Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP) 5210B Kemper (CDU) 5210B Ausschußüberweisung 5210C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan XII — Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr (Nr. 1913 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Kredite zur Beseitigung des Notstandes bei der Deutschen Bundesbahn (Nr. 2064 der Drucksachen) . . 5235D, 5255D Dr. Bärsch (SPD), Berichterstatter 5235D Walter (DP), Antragsteller 5239C Rademacher (FDP) 5240C, 5254A Gengler (CDU) 5243D Jahn (SPD) 5245A Schulze-Pellengahr (CDU) 5249A Ritzel (SPD) 5250B Pohle (SPD) 5250C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 5250D Mellies (SPD) 5254A Abstimmungen . . . .5253D, 5254A, 5255D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) über den Entwurf einer gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß (Nr. 745, 2139 der Drucksachen) 5254C Ritzel (SPD): zur Geschäftsordnung 5254C als Berichterstatter 5254D Beschlußfassung 5255D Nächste Sitzung 5256D Die Sitzung wird um 9 Uhr 34 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe nicht, warum der Herr Vorredner sich so ereifert und angesichts der so mäßig besetzten Tribüne und auch des Hauses einen solchen Stimmaufwand für angemessen hält, der doch nachher im Protokoll nicht besonders vermerkt wird.

    (Heiterkeit. — Zuruf von der KPD: Nicht sehr geistreich!)

    Nun zur Sache: Ich weiß, Herr Kollege Renner ist ein sehr guter — und deswegen auch von mir geschätzter — Sozialpolitiker. Das haben wir im Ausschuß gemerkt. Aber ich glaube, daß er eine Ausnahme in der Organisation seiner ideellen Richtung ist. Wenn er nämlich keine Ausnahme wäre, dann müßten die von ihm hier vertretenen Grundsätze auch dort Richtschnur sein, wo seine Freunde die Gesetzgebungsmaschinerie allein in der Hand haben.

    (Zuruf von der KPD: Neue Platte!)

    Da stellen wir plötzlich mit Erschrecken fest, daß z. B. in der Sowjetzone ein hundertprozentig Beschädigter nur 50 Ostmark bekommt, d. h. den Kaufwert von 8 DM-West.

    (Abg. Renner: Das ist ja gar nicht wahr!)



    (Dr. Mende)

    Sehen Sie, meine Damen und Herren, hier glaube ich doch, daß Herr Renner nicht als der Sprecher seiner Kommunistischen Partei zu betrachten ist, sondern als ein Ausnahme-Sozialpolitiker seiner Partei.

    (Heiterkeit.)

    Dieser Haushalt des Herrn Bundesarbeitsministers gibt Gelegenheit zu einer generellen Debatte über sozialpolitische Probleme, und das ist sehr gut und sehr richtig. Ich möchte hier speziell auf die Kriegsopferversorgungsfragen eingehen. Ich gebe Herrn Kollegen Bazille recht, daß leider das Vertrauen, das wir durch das Bundesversorgungsgesetz in den Kreisen der Kriegsopfer gewonnen hatten, infolge der schleppenden Ausführung des Gesetzes und durch eine Verfälschung und Umdeutung des Willens des Gesetzgebers durch eine Bürokratie mehr und mehr im Schwinden ist. Der Herr Bundesarbeitsminister hat hier selbst erklärt, daß hierfür nach dem Grundgesetz in erster Linie die Länder verantwortlich seien. Wenn ich hier z. B. feststelle, daß einzelne Länder gegen die Empfehlung des Bundestages, zunächst die Rentenumstellung der achtzigprozentig und mehr Beschädigten, der Witwen mit drei und mehr Kindern, der Waisen vorzunehmen, umgekehrt verfahren sind, dann muß ich sagen: Hier liegt ein erheblicher Verstoß gegen Moralgrundsätze, aber auch gegen politische und sozialpolitische Grundsätze vor, wie sie der Gesetzgeber anläßlich der zweiten und dritten Lesung hier zum Ausdruck gebracht hat.

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)

    Herr Kollege Bazille, wir müssen aus dieser Kritik die Konsequenzen ziehen. Wenn wir sehen, daß es in der bisherigen Form nicht geht, dann müssen wir neue Wege suchen.
    Diesen neuen Weg erlaubt sich die FDP-Fraktion Ihnen hier aufzuzeigen. Wir legen Ihnen ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vor, und zwar des Inhalts, daß die Bundesverwaltung auch für die Kriegsopferversorgung eingerichtet wird. Das Gesetz hat folgenden Wortlaut:
    Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949.
    Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
    § 1
    Artikel 87 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 erhält folgende Fassung:
    In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung, die Bundesverwaltung des Kriegsopferwesens, die Bundeseisenbahnen, die Bundespost und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt.
    § 2
    Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
    Meine Damen und Herren! Damit würde eine erhebliche Verbesserung eintreten. Ich will Ihnen schlagwortartig nur kurz sagen, was diese Grundgesetzänderung zur Folge hätte:

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Erstens eine zentrale Regelung in allen Versorgungsangelegenheiten. Zweitens die Möglichkeit,
    Weisungen und nicht nur Empfehlungen zu geben,
    und zwar an die Versorgungsdienststellen unmittelbar, um die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes in dem vom Bundestag und seinem Kriegsopferausschuß gewollten Sinne zu gewährleisten. Zur Zeit können an die Länder leider nur Empfehlungen gegeben werden, und Sie haben ja den Ausführungen des Bundesarbeitsministers entnommen, wie selbst das Verwaltungsabkommen nicht zustande gekommen ist, das mit den Arbeitsministern der Länder geplant war. Drittens die Möglichkeit, die Bundesaufsicht nicht nur auf die Gesetzmäßigkeit, sondern auch auf die Zweckmäßigkeit der Verwaltungsakte der unteren Dienststellen auszudehnen. Sehen Sie, Herr Renner, hier könnte sich z. B. in dem Fall der 86jährigen Witwe in Köln im Rahmen einer Überprüfung auch der Zweckmäßigkeit das Bundesarbeitsministerium einschalten. Jetzt kann es das nicht.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Viertens die Möglichkeit, die Vorprüfung durch Bundesorgane schon in der Mittelinstanz durchführen zu lassen. Fünftens Beschleunigung des Verwaltungsganges durch Ausschaltung der Länderministerien. Sechstens erhebliche Verbilligung durch Beseitigung der Länderministerialinstanzen. Siebentens weitere Verbilligung der Verwaltung durch Zusammenlegung von kleineren Landesversorgungsämtern. Achtens weitere Möglichkeit der Verbilligung durch Zusammenfassung von Landessozialgerichten. Neuntens Schaffung eines einheitlichen Beamtenkörpers, der nach Grundsätzen ausgebildet ist, die die Gewähr für eine sachgemäße Erledigung der Aufgabe bieten. Zehntens: Schwierigkeiten mit den Länderfinanzministern über die Aufbringung der Verwaltungsausgaben in den Bundeshaushalten und in den Länderhaushalten fallen weg. Und elftens: Schwierigkeiten und die Auseinandersetzung mit den Ländern über die Bewirtschaftung früheren Reichsvermögens kommen in Wegfall.
    Meine Damen und Herren! Man soll hier von diesem Platz nicht nur Kritik üben; man soll auch konstruktive Verbesserungsvorschläge machen, und wir glauben, mit diesem Gesetzentwurf Ihnen einen solchen konstruktiven Verbesserungsvorschlag gemacht zu haben. Im übrigen wird er ja nach den Erfahrungen der 20monatigen Tätigkeit nur der Anfang sein zu einer allgemeinen Revision des Grundrechtskatalogs der Kompetenzen dahingehend, nunmehr aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen und den Föderalismus dort abzubauen, wo er sich in der Praxis selbst stranguliert hat.
    Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch an den Herrn Bundesarbeitsminister, über dessen gute Arbeit wie über die gute Arbeit des Ministeriums hier gar keine Meinungsverschiedenheiten herrschen dürften, einen Appell richten. Wir haben im Kriegsopferausschuß bewußt alle Verhandlungen stenographisch festgehalten, und es war das Verdienst des leider zu früh verstorbenen Vorsitzenden, des Kollegen Leddin, daß hier mit aller Peinlichkeit der Wille des Gesetzgebers für eine spätere Interpretation festgehalten wurde. Wir haben das Gefühl, daß in den Verwaltungsvorschriften, den Ausführungsbestimmungen jenem Willen des Gesetzgebers nicht immer Rechnung getragen ist und es hier zu mancher Umdeutung und Verfälschung kommen könnte. Wir bitten daher den Herrn Bundesarbeitsminister, die stenographischen Protokolle des Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenausschusses


    (Dr. Mende)

    immer wieder zur Interpretation der einschlägigen Bestimmungen heranzuziehen.
    Das gleiche gilt für das Heimkehrergesetz. Gerade die Novelle, die in Arbeit ist, muß das wieder gutmachen, was leider in Ausführung des Heimkehrergesetzes durch die Länder verfälscht wurde.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einer Feststellung schließen. Ich weiß, daß die Verbände, die an dem Gesetz mitgearbeitet haben — VdK, Reichsbund, Bund der Hirnverletzten —, die Entwicklung draußen jetzt mit erheblichem Miß- trauen verfolgen und demonstrieren, und das mit Recht. Aber diese Demonstrationen richten sich oft an den falschen Adressaten, nämlich an den Bund, während sie sich an die Länder richten sollten, die für diese Mißstände doch in erster Linie verantwortlich sind, wenn Herr Renner das auch bestreitet, der an sich sonst ein so guter Kenner des Grundgesetzes und vor allem des Verwaltungsaufbaus der Bundesrepublik ist.

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Wuermeling: Mehr Renner als Kenner! — Gegenruf des Abg. Renner.)

    Hier muß also eine gewisse Aufklärung einsetzen, und ich wäre vor allen Dingen den politischen Kräften, die in den Ländern die Verantwortung tragen, dankbar, wenn sie sich von ihnen nahestehenden Kollegen hier im Bundestag belehren ließen, daß man nicht auf der Länderverwaltung beharre, sondern den Schritt zur Bundesverwaltung im Kriegsopferwesen tut, so wie wir es Ihnen vorgeschlagen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Der soeben übergebene Gesetzentwurf kann, da er nicht auf der Tagesordnung steht, in erster Lesung nur beraten werden, wenn niemand widerspricht. Oder wollten Sie den Entwurf so auf dem Tisch des Hauses niederlegen?

(Abg. Dr. Mende: Wir können ihn doch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überweisen!)

— Das können wir erst nach der ersten Lesung, und dazu muß man eine erste Lesung abhalten. Da es doch immerhin der erste Antrag auf Änderung des Grundgesetzes ist

(Zuruf: Der zweite!)

— oder der zweite —, scheint mir eine ausführliche Generaldebatte zur ersten Lesung notwendig zu sein.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Es widerstrebt mir auch, einen solchen Antrag in erster Lesung vor einem nur so schwach besetzten Hause zu behandeln.

(Zustimmung in der Mitte. — Abg. Dr. Mende: Dann bitte ich, das als Niederlegung auf den Tisch des Hauses zu betrachten!)

— Der Ältestenrat wird sich dann über die Behandlung dieses Antrages schlüssig werden.

(Abg. Renner: Auf die tatsächlichen Rentenbezüge hat Ihr Antrag keinerlei Auswirkung! Wenn Sie darauf warten, sind die Leute längst tot! Es ist ein Schmonzesantrag!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Maria Probst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir dem Kern des Problems der Kriegsopferversorgung und vor allem einer realen Lösung der brennenden Fragen, um die es den Kriegsopfern draußen geht, näherkommen wollen, müssen wir zunächst einmal heraus aus der Vernebelungstaktik, die Herr Kollege Renner mit der Vermischung von Ursache und Wirkung betrieben hat. Aber ich glaube, daß wir auch nicht ohne weiteres den Weg beschreiten können, den Herr Kollege Mende aufgezeigt hat. Wir können eine Änderung des Grundgesetzes nicht in einigen Minuten — so über den Daumen gepeilt — durchziehen. Ich würde darin eine Gefahr für das Staatsganze sehen. Ein solches Problem bedarf ernster Beratungen, und es steht zu erwarten, daß diese Beratungen allzuviel Zeit in Anspruch nehmen würden, als daß man im Augenblick darin d e n Weg sehen könnte, die Schwierigkeiten zu beheben, die sich zur Zeit in der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes ergeben.
    Wir stehen hier vor einer sehr grundsätzlichen Entscheidung. Es handelt sich um die Durchführung des ersten großen Sozialgesetzes der Bundesrepublik. Wir erproben zum erstenmal in der Praxis die Bestimmungen des Grundgesetzes in bezug auf die Handhabung der Sozialgesetze der Bundesrepublik in der Verwaltung.
    Aus den Erfahrungen des ersten halben Jahres ergeben sich eine Reihe von Konsequenzen. Ich möchte sie möglichst konkret fassen, um zu Ergebnissen zu kommen, die das Hauptanliegen der Kriegsopfer befriedigen, nämlich eine beschleunigte Durchführung des Gesetzes mit dem Ziele einer möglichst schnellen Besserung der unerträglichen Notlage der Millionen unserer Kriegsopfer.

    (Abg. Renner: Also höhere Renten!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muß hier einmal folgendes anklingen lassen, allerdings nur am Rande der Debatte. Der Weg der Rechtsverordnung zur Durchführung unserer Gesetze, also der Erlaß von Durchführungsverordnungen im Wege der Rechtsverordnung ist nach meiner Auffassung irgendwo fragwürdig. Die Durchführung des Gesetzes wird damit aus der Hand des Gesetzgebers genommen. Wir schalten für den Erlaß der Durchführungsverordnungen ein anderes Gremium ein und nehmen damit dem Gesetzgeber die Einwirkung. Darin sehe ich eine große Gefahr. Man sollte den Weg vom Erlaß des Gesetzes zum Erlaß der Durchführungsverordnung möglichst kurz halten und dem Gesetzgeber eine möglichst große Einwirkung belassen.
    Ich muß ferner folgendes sagen. Es kommt vor allem darauf an, daß wir in den Paragraphen und Richtlinien nicht nur den Buchstaben des Gesetzes hinausgeben, sondern daß es uns gelingt, auch den Geist des Gesetzes bis in die weitesten Verästelungen der Verwaltung, bis hinunter in die letzten Instanzen, die Versorgungsämter in den Ländern, mit hinauszugeben. Wenn ich hier von dem Geist unseres Gesetzes spreche, so meine ich eben diese Wendung um 180 Grad, die das Versorgungsgesetz vollzogen hat, die Abwendung von der reinen Entschädigung, von der rein mechanischen Abfindung nach versicherungsmathematischen Gesichtspunkten, wie wir sie noch im KBLG, in der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 finden, eine Hinwendung zu einer neuen Auffassung, nämlich zu der Beachtung der Unterhaltspflicht des Staates als einer ethischen Pflicht angesichts der Größe des gebrachten Opfers, und vor allem auch die Forderung nach einer individuellen Betreuung, wie sie der Versorgungspflicht entspricht. Das ist eine


    (Frau Dr. Probst)

    Forderung an die Verwaltung, und sie verlangt einen echt demokratischen Geist des Verwaltungsbeamten, sie verlangt den Dienst am Einzelschicksal in der Achtung vor der Einzelpersönlichkeit.
    Wenn wir bei der Durchführung des Gesetzes in den letzten Monaten beklagenswerterweise erleben mußten, daß draußen kollektivistisch, mechanisch, sogar in Akkordlohn heruntergestuft worden ist, so müssen wir feststellen, daß das gegen den Geist des Gesetzes ist. Es ist eine Schicksalsfrage der Bundesrepublik, ob es gelingt, den neuen Geist des Gesetzes in die Verwaltungen in den Ländern bis zur letzten Gemeinde hinunterzutragen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muß nun an den Herrn Bundesarbeitsminister erneut eine Bitte richten. Diese Angelegenheit hat bereits zu einem Beschluß des Haushaltsausschusses geführt. Es ist also mehr als eine Bitte, es ist bereits ein Beschluß, eine Forderung, nämlich die, daß wir endlich zu einer selbständigen Kriegsopferverwaltung kommen, die von der Sozialversicherung losgelöst und völlig selbständig einem Ministerialdirektor unterstellt ist. Nur einer solchen selbständigen Abteilung kann es gelingen, der Größe dieses sozialen Problems für acht Millionen Menschen — wir müssen ja die Angehörigen hinzurechnen — gerecht zu werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf des Abg. Renner.)

    Ich muß noch eines sagen. Es wird vor allem darauf ankommen, jeden Kompetenzstreit zwischen Bundesarbeitsministerium und Bundesinnenministerium so rasch wie möglich auszuräumen. Es geht nicht an, daß die Soziale Fürsorge für die Kriegsopfer deshalb nicht zum Anlaufen kommt, weil diese Kompetenzstreitigkeiten bis heute noch nicht behoben sind. Es muß die Frage gestellt werden, wohin die Verwaltung der 21 Millionen DM gegeben wird, die im alten Haushalt noch für die Erziehungsbeihilfen vorgesehen waren. Ich für meine Person muß dafür eintreten, daß die Hauptfürsorgestelle, also die Verwaltung des Innern damit befaßt bleibt. Es muß hier möglichst rasch eine Lösung gefunden werden.
    Ein weiteres. Wenn wir an die Länderverwaltungen diese Auflage hinausgeben, müssen wir sie aber auch instand setzen, sie zu erfüllen. Es kommt darauf an, daß wir im Vorgriff auf den Haushalt 1951 möglichst sofort die Mittel bekommen, um die noch vorgesehenen 1800 Stellen in den Ländern besetzen zu können. Wenn wir einen Beamten für einen Fall am Tag rechnen, sind das im halben Jahr rund 250 000 Rentenfälle, die sofort bearbeitet werden können, wenn wir im Vorgriff die Mittel für diese 1800 Stellen erhalten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Es kommt vor allem auch darauf an — ich befinde mich da im Gegensatz zu unserem verehrten Herrn Kollegen Brese und bedauere, daß hier die Grüne Front aufgespalten werden muß, zu der ich mich sonst durchaus bekenne —, daß wir möglichst bald die Bauten durchführen können, die die unerläßliche Voraussetzung zu einem Funktionieren der Länderverwaltungen, wie wir sie fordern müssen, sind.
    Nun, meine Damen und Herren, wir haben in völliger Übereinstimmung mit den Rednern des heutigen Tages gestern schon die Anfrage Nr. 177 an die Bundesregierung gerichtet. Ich darf mit besonderer Genugtuung feststellen, daß die Einheitsfront für unsere Kriegsopfer, von der heute schon einmal die Rede war, sich heute über alle Parteien hinweg nach wie vor fest und unerschüttert dokumentiert hat. Die Forderung, die wir in unserer gestrigen Anfrage folgendermaßen formuliert haben, wird von dem ganzen Hohen Hause getragen:
    Wir bitten ferner die Bundesregierung um Auskunft darüber, welche Maßnahmen vorgesehen sind, um auch auf dem Gebiete der Kriegsopferversorgung den Preiserhöhungen Rechnung zu tragen.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Auch das ist ein Anliegen des ganzen Hauses. Es geht nicht an, daß Erhöhungen der Sozialversicherungsrenten oder sonstige Erhöhungen ihre Grenze etwa an den Einkommensgrenzen unseres Gesetzes finden. Das ist undenkbar. Ich möchte deshalb diese Forderung auch von uns aus nochmals mit allem Nachdruck anmelden.
    Schließlich muß ich, um dem von dem Herrn Kollegen Mende besonders betonten Anliegen Rechnung zu tragen, auf Art. 84 des Grundgesetzes hinweisen. In diesem Art. 84 ist ein Aufsichtsrecht verankert. Unsere Anfrage Nr. 177 hat den Zweck, die Bundesregierung zu diesem Aufsichtsrecht, ich will nicht sagen, zu ermahnen,

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Aufmuntern!)

    aber doch aufzumuntern, wie der Zwischenruf eben lautete. Wir werden also zur Schulung der Beamten kommen müssen, vor allem auch zur Beratung. Bei der Durchführung des Reichsversorgungsgesetzes hat sich ja diese Beratung von zentraler Stelle aus als sehr nützlich und zweckmäßig erwiesen. Ich darf bemerken, daß der Bundestagsausschuß schon den Wunsch geäußert hat, selbst auf Reisen zu gehen, um draußen bei einem Versorgungsamt alle diese Fragen an Ort und Stelle zu besprechen und zu klären.
    Meine Herren und Damen! Ich sehe das Schlußzeichen. Jedenfalls möchte ich bitten, daß sich aus der heutigen Aussprache, die, wie gesagt, eine Einmütigkeit im ganzen Hause gezeigt hat, sehr rasch praktische Konsequenzen ergeben, damit wir unser Gesetz, zu dem sich die Kriegsopfer in den Grundlagen nach wie vor bekennen — es ist nicht mehr als ein Fundament; wir feiern noch kein Richtfest, wie ich immer wieder betone —, so rasch wie nur möglich und so gut wie nur möglich durchführen, und zwar — ich möchte dies als Überschrift über alles setzen —: zugunsten der Kriegsopfer.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)