Ganz recht, das möchte ich tun.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir fordern in unserem Antrag eine 30prozentige Erhöhung der Bezüge der Sozialversicherungsgesetzgebung, der knappschaftlichen Versicherung, der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenfürsorge, der Kriegsopferversorgung, und, im Gegensatz zur Formulierung in der gedruckten Vorlage, statt 40% eine 50%ige Erhöhung der Wohlfahrtsrichtsätze. Ich kann es mir wohl versagen, eine Begründung für die Notwendigkeit einer Erhöhung in dem von uns beantragten Ausmaß zu geben. Ich nehme an, daß die Besprechung des Etats allen Fraktionen, auch der unsrigen, Anlaß geben wird, das Problem, Renten, Unterstützungen und Lebenshaltungskosten zueinander ins richtige Verhältnis zu setzen, zu behandeln. Ich verzichte also bei der Begründung dieses Punktes ausdrücklich auf eine Zitierung der Renten bzw. Unterstützungen in ihrer derzeitigen materiellen Höhe. Ich weise nur darauf hin; die Tatsache, daß heute, in letzter Minute noch, zum Problem der Invalidenversicherung ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion eingereicht worden ist und daß die CDU zum Problem der Kriegsopferversorgung am heutigen Tage noch eine Anfrage eingebracht hat, ist ein Beweis dafür, daß die Renten- und Unterstützungssätze in ihrer derzeitigen Höhe als absolut ungenügend allseitig anerkannt werden.
Ich will die kurze, mir für die Begründung dieses Antrages zur Verfügung stehende Zeit nur dazu ausnutzen, um auf ein Problem einzugehen, das in diesem Hohen Hause bisher nur sehr wenig behandelt worden ist. Das ist das Problem der kommunalen öffentlichen Wohlfahrtspflege, das Problem der kommunalen Wohlfahrtsrichtsätze. Ich zitiere die Sätze aus der Stadt Essen und bemerke dazu, daß ich bewußt die höchsten im Lande Nordrhein-Westfalen überhaupt existierenden Wohlfahrtsrichtsätze mit diesen Zahlen bekanntgebe. In Essen beträgt der Wohlfahrtsrichtsatz für eine alleinstehende Person 51 DM. In diesem Betrage sind 8 DM als sogenannte Teuerungszulage enthalten. Diese 8 DM Teuerungszulage sind aber, wenn man die Verhältnisse im ganzen Lande ansieht, nicht allgemein und überall zahlbar. Der Haushaltsvorstand bezieht eine Wohlfahrtsunterstützung in der Höhe von 47 DM, Haushaltsangehörige über 16 Jahre — also auch die Ehefrau — in dem Falle 33 DM, unter 16 Jahre 30 DM.
Niemand kann behaupten und es behauptet auch niemand, daß mit diesen Sätzen auch nur annähernd das Existenzminimum sichergestellt wird. Werden wir uns darüber klar, daß in diesen Sätzen zwar keine direkten Steuern, aber eine beachtlich hohe Summe von indirekten Steuern enthalten ist, die auch diese Ärmsten der Armen aufzubringen verpflichtet sind!
Lassen Sie mich zuletzt noch etwas sagen. Die Forderung, den Bund zu verpflichten, den Ländern nicht nur Anweisungen zu geben, die von uns vorgeschlagene Erhöhung der Wohlfahrtsrichtsätze um 50 % durchzuführen, muß zur Folge haben, daß der Bund den Ländern die zur Durchführung dieser Maßnahme erforderlichen Mittel aus Bundesmitteln zur Verfügung stellt. Wir sind zu diesem Vorschlag gezwungen, weil die Politik der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit gegenüber den Gemeinden dazu geführt hat, daß, wenn in den Gemeinden die Stadtverordnetenfraktionen, die Gemeindevertretungen Forderungen auf Erhöhung der Wohlfahrtsrichtsätze stellen, argumentiert wird, daß die Verelendungspolitik der Bundesregierung gegenüber Land und Gemeinden es unmöglich mache, die als notwendig erachtete Erhöhung der Wohlfahrtsrichtsätze durchzuführen. Wir sind also gezwungen, den Bund, der im Land von den kleinen Funktionären der Parteien, die hier in Bonn hinter der Koalitionsregierung stehen, für die finanzielle Notlage der Länder und für den finanziellen Zusammenbruch der Gemeinden verantwortlich gemacht wird, für diese Auswirkung verantwortlich zu machen. Das im Augenblick zu dieser Frage. Weitere Ausführungen zu diesem Thema, vor allen Dingen auch Ausführungen zu dem Problem der Renten- und Unterstützungssätze in ihrem Verhältnis zu den derzeitigen Lebenshaltungskosten, werde ich bei günstiger Gelegenheit im Rahmen der Besprechung des Etats machen.
Meine Damen und Herren! Ich weise Sie bei dieser Gelegenheit nur darauf hin, daß es hohe Zeit ist, daß Sie die Versprechungen, die Sie draußen diesem Personenkreis des öfteren — auch noch in den letzten Wochen — gemacht haben, endlich einlösen. Ich weise darauf hin, daß wir seit 1949, seit den ersten Monaten der Tätigkeit dieses Hohen Hauses darauf warten, daß die Bundesregierung die feierlich zugesagten Gesetzes-
änderungsanträge zur Sozialversicherung z. B. usw. endlich einbringt. Kommen Sie also nicht mit der Behauptung, es müsse mit unserem Antrag abgewartet werden, bis die Bundesregierung, das Bundesarbeitsministerium diese angekündigten Gesetzesvorlagen einbringt. Die Not in diesen Personenkreisen ist so ungeheuerlich, daß man daran einfach nicht mehr vorbeigehen darf. Wenn Sie vor wenigen Wochen die Pensionen der Renten- und Bezugsberechtigten erhöht haben, die Ansprüche gegenüber den privaten Versicherungsgesellschaften haben, wenn Sie also da eine Aufwertung in der Form vorgenommen haben, daß bis zu 50 Mark Rechtsanspruch eine volle Aufwertung, für Beträge von 50 bis zu 100 Mark eine Aufwertung von 2:1 und für Beträge über 100 Mark eine solche im Verhältnis von 10:1 beschlossen wurde, dann erinnern Sie sich bitte auch daran, daß die rechtliche Grundlage der Forderungen, die von dem Personenkreis der Sozialunterstützungsberechtigten und der Kriegsopfer gestellt werden, zumindest genau so anzuerkennen ist wie der Rechtsanspruch jeder anderen Personengruppe, die sich zu Recht auf geltendes Recht beruft.