Meine Damen und Herren! Die eben vom Herrn Abgeordneten Arndgen vorgetragenen Zahlen betreffend Einzelplan XI Kap. 1 a — Arbeitslosenhilfe — und 1 c — Sozialversicherung — und der Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten — Einzelplan XXVI — bilden zusammen den Sozialhaushalt, dessen Ausgaben gemäß Art. 120 des Grundgesetzes vom Bund zu tragen sind. Diesem Sozialhaushalt kommt mit seinen Ausgaben von rund 5 318 000 000 DM innerhalb des gesamten Bundeshaushalts in Höhe von rund 13,2 Milliarden DM — einschließlich 709 Millionen DM Anleihemittel für den außerordentlichen Haushalt — besondere Bedeutung zu. Neben den Besatzungskosten ist dieser Sozialhaushalt der größte Ausgabeposten. Es sind zwangsläufige Ausgaben, die sich leider von uns aus nur wenig beeinflussen lassen. Die außerordentliche Höhe dieser Beträge und ihr überragender Einfluß auf die Mittelaufbringung, die Steuern, und auch deren Verwendung machen es durchaus erforderlich, daß wir uns mit diesen Beträgen der sozialen Kriegsfolgelasten eingehender beschäftigen.
Die in diesen Einzelplänen veranschlagten Einnahmen und Ausgaben sind erstmalig zum 1. April 1950 von den Ländern auf den Bund übergeleitet worden. Da es auf diesen Sozialgebieten bei der Aufstellung des Haushalts in den Monaten April und Mai 1950 eine einheitliche Länderstatistik, aus der man eine zutreffende Bundesstatistik entwickeln konnte, noch nicht gab, war die Veranschlagung der einzelnen Ausgabeansätze weitgehend auf Schätzungen angewiesen. Darüber hinaus ist es gerade das Kennzeichen eines solchen Haushalts, daß er im Laufe eines Rechnungsjahres sehr starken Schwankungen entsprechend den sozialen Wandlungen durch Gesetzgebung, Arbeitsmarkt und Wirtschaftslage unterworfen ist. Die Ausgabenansätze dieses Sozialhaushalts werden darum auch
zukünftig nur die Bedeutung von Annäherungswerten besitzen.
So ist z. B. die Prognose hinsichtlich der Entwicklung der Arbeitsmarktlage im Bundesgebiet nicht eingetreten. Die Maßnahmen zur Wirtschaftsbelebung, z. B. das sogenannte Schwerpunktprogramm, das Wohnungsbauprogramm und anderes mehr, haben die Erwartung, daß mit der Bereitstellung von Arbeitslosenfürsorgeunterstützungssätzen für durchschnittlich 575 000 Arbeitslose auszukommen sein wird, leider nicht erfüllt. Die Arbeitslosigkeit ist trotz der Vermehrung der Zahl der Beschäftigten um rund 1 Million in einem weiteren, nicht erwarteten Ausmaße gestiegen, im wesentlichen veranlaßt durch die Zuwanderung aus der Ostzone. Die Ende Januar 1951 angestellten statistischen Erhebungen wiesen eine Durchschnittszahl von 810 000 Hauptunterstützungsempfängern bei der Arbeitslosenfürsorge auf. Desgleichen nahmen mehr Heimkehrer die Arbeitslosenfürsorge in Anspruch, als vorauszusehen war. Eine Statistik über die Heimkehrer konnte erstmals im Juli 1950 aufgestellt werden. Durch diese Faktoren ausgelöst, ist eine Mehrausgabe bei der Arbeitslosenfürsorge und der Unterstützung für die Heimkehrer von rund 245 Millionen DM für das Rechnungsjahr 1950 eingetreten.
Das Bundesfinanzministerium beabsichtigt nun nicht, diese Mehrausgaben durch Vorlage eines neuen Ergänzungshaushalts, der einen Deckungsvorschlag enthalten müßte, zum Ausgleich zu bringen, sondern es beabsichtigt, diese Mehrausgaben im Wege der Haushaltsüberschreitung zu leisten. Begründet wird dieses Vorgehen damit, daß der Sozialhaushalt als eine Einheit angesehen werden muß und die Entwicklung auf den anderen Sozialgebieten Einsparungen zur weitgehenden Deckung der Mehrausgaben bei der Arbeitslosenhilfe erwarten läßt. Solche Einsparungen bzw. Mehreinnahmen werden zur Deckung der bei Einzelplan XI Kap. 1 a Tit. 31, Arbeitslosenfürsorgeunterstützung, entstehenden Mehrausgaben in Anspruch genommen.
Die Einsparungen sind auf Grund der bisher bei der Bundeshauptkasse vorliegenden Ist-Abrechnungen bis einschließlich Januar 1951 errechnet worden. Es muß hierbei betont werden, daß es sich um keine echten Einsparungen auf Grund nicht ganz zutreffend geschätzter Haushaltsansätze handelt, sondern zu einem großen Teil um Ausgaben, die lediglich in das nächste Haushaltsjahr hinübergewälzt werden, da teilweise die Länderverwaltungen, wie z. B. bei der Kriegsopferversorgung, die UmAnerkennung auf Grund des neuen Bundesversorgungsgesetzes noch nicht voll durchzuführen imstande waren. Ferner sind bei der Versorgung verdrängter Beamter usw. die Länder ebenfalls teilweise bei der Gewährung der Überbrückungsbeihilfen im Rückstand geblieben. Die ursprünglich geplante Umsiedlung und Auswanderung läuft jetzt erst in größerem Ausmaß an. Lediglich bei der Kriegsfolgenhilfe hat sich durch die Soforthilfe ein größerer Entlastungseffekt ergeben, als vom Bundesfinanzministerium veranschlagt war.
Sieht man den Sozialhaushalt als eine Einheit, so ergibt sich, daß bei Einschluß des Fehlbedarfs bei der Arbeitslosenhilfe nur noch ein Differenzbetrag von 60 Millionen DM zu decken ist. Das Bundesfinanzministerium hofft, daß beim Vorliegen der genauen Ist-Abrechnung für das Rechnungsjahr 1950 sich dieser Fehlbetrag von rund 60 Millionen DM noch etwas vermindern wird. Sollte dies
nicht eintreten, so wird ein Deckungsvorschlag eingebracht werden müssen. Bis dahin soll aber wegen der Schwierigkeit der Erschließung einer neuen Finanzquelle davon abgesehen werden.
Der Haushaltsausschuß hat die Anregung des Bundesfinanzministeriums auf Ausgleich der Mehrausgaben bei der Arbeitslosenhilfe innerhalb des gesamten Sozialhaushalts eingehend beraten. Die Mehrheit des Haushaltsausschusses hält es für zweckmäßig, nicht die sich aus den bisherigen Zahlen ergebenden Ist-Zahlen als neue Ansätze in den Sozialhaushalt einzusetzen, sondern es bei den vorgelegten Soll-Ansätzen zu belassen und den Ausgleich der Haushaltsrechnung zu überlassen. Dies gilt im Zusammenhang für Einzelplan XI Kap. 1 a und 1 c und Einzelplan XXVI.
Volle Übereinstimmung bestand im Haushaltsausschuß darüber, daß für die Aufstellung des neuen Etats weitmöglichst von den Rechnungsergebnissen ausgegangen wird. Dem ist auch seitens der Regierung zugestimmt worden. Daß auch die Ist-Zahlen der Gegenwart für die Zukunft stark wandelbar und wie die Arbeitslosenhilfe von wirtschaftlichen Faktoren abhängig sind, habe ich bereits ausgeführt.
Ein Überblick über die großen Gruppen der Sozialausgaben ergibt folgendes Bild.
Zunächst des Zusammenhangs wegen die Zahlen aus Einzelplan XI: Kap. 1 a Tit. 31-34 Arbeitslosenhilfe 760 700 000 DM, Kap. 1 c Tit. 31-40 Zuschüsse an die Sozialversicherung 729 400 000 DM. Die Gesamtsumme der Kap. 1 a und c im Einzelplan XI beträgt 1 490 100 000 DM.
Nun die Zahlen aus Einzelplan XXVI: Soziale Kriegsfolgelasten: Kap. 1 Tit. 31-36 zusammengefaßt unter Kriegsfolgenhilfe machen die Summe von 575 500 000 DM aus, die im einzelnen wie folgt untergeteilt ist: Kap. 31 Kosten der individuellen Fürsorge 489 000 000 DM. Von dem im Einzelplan XXVI Kap. 1 Tit. 31 im Entwurf vorgesehenen Betrag von 505 000 000 DM wurden 16 000 000 DM abgesetzt und auf Einzelplan VI Jugendwerk übertragen. Tit. 32 Kosten der Grenzdurchgangslager, Rückführung von Deutschen aus dem Ausland 15 000 000 DM. Tit. 33 Kosten der sonstigen Durchgangs- und Wohnlager 65 000 000 DM. Tit. 34 Zuschuß zum Suchdienst für Kriegsgefangene und Heimatvertriebene 2 700 000 DM. Tit. 35 Zuschuß zur Kriegsgräberfürsorge 1 800 000 DM. Tit. 36, wofür das Justizministerium zuständig ist, wurde neu gefaßt in „Kosten für den Rechtsschutz von Deutschen, die von ausländischen Behörden oder Gerichten im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen verfolgt werden oder verurteilt worden sind", 2 000 000 DM.
Das Kap. 2 Tit. 31-32 Umsiedlung und Auswanderung ist mit einem Betrag von 29 000 000 DM eingesetzt, untergeteilt: Tit. 31 Kosten der Umsiedlung für Heimatvertriebene 25 500 000 DM, Tit. 32 Kosten der Auswanderung von Kriegsfolgenhilfeempfängern 3 500 000 DM.
Kap. 3 a Tit. 31-32 Versorgung von verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes und ihrer Hinterbliebenen 300 000 000 DM.
Kap. 3 b Tit. 31-37 Unterhaltsbeträge für ehemalige berufsmäßige Wehrmachtangehörige und ihre Hinterbliebenen 150 000 000 DM.
Kap. 4 Tit. 31-38 und Kap. E 14 Kriegsopferversorgung machen den Betrag von 2 776 557 900 DM aus. Gemäß der Ergänzungsvorlage der Bundesregierung Drucksache Nr. 1784 wurde in Kap. 4 ein
neuer Tit. 38 „Verstärkung der Mittel bei Tit. 31 bis 35 zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes" mit 129 400 000 DM eingesetzt. Hierdurch erhöht sich der in Kap. 4 für die Kriegsopferversorgung vorgesehene Betrag von 2 647 157 900 DM auf 2 776 557 900 DM. Ich bitte die verehrten Damen und Herren, in der Drucksache Nr. 1925, Anlage Seite 2 die unter Kap. 4 angegebenen Zahlen nach den von mir vorgetragenen zu berichtigen. Es ist der in Kap. E 14 vorgesehene Betrag von 157 900 DM noch hinzuzusetzen. Für die weitere Entwicklung dieses hohen Ausgabepostens ist zu beachten, daß das Bundesversorgungsgesetz mit seinen erhöhten Ausgaben erst seit dem 1. Oktober 1950 in Kraft ist, die Rentenumrechnungen noch im Gange und ferner über 800 000 Rentenanträge noch zu erledigen sind. Wir haben im neuen Etat mit einer ansehnlichen Steigerung des Postens Kriegsopferversorgung zu rechnen. Das gleiche gilt auch für die anderen Versorgungsausgaben.
In den Erläuterungen zu Tit. 36 im Einzelplan XXVI ist der Stellenplan der Kriegsopferversorgung enthalten. Es handelt sich um Landesbeamte, die von den Landesregierungen bestellt werden. Die Kosten gehen aber zu Lasten des Bundes. Im Sinne einer Begrenzung dieser Kosten wurde der erste Absatz der Erläuterungen zu Tit. 36 wie folgt gefaßt: „Kosten für die Durchführung der Kriegsopferversorgung. Der Bund trägt die Verwaltungskosten nach Maßgabe der Anlage, die Personalkosten im Rahmen des der Veranschlagung zugrunde gelegten Stellenplans."
Im außerordentlichen Haushalt Kap. 4 Tit. 1-40 waren für Bauaufwendungen der Kriegsopferversorgung 14 842 100 DM vorgesehen. Dieser Betrag war teilweise für die Fortführung früherer Bauarbeiten, zum anderen für Neubauten vorgesehen Der angeforderte Betrag wurde im Haushaltsausschuß um 4 Millionen DM gekürzt, also auf 10 842 100 DM heruntergesetzt. In der Erläuterung zu Kap. 4 wird zu diesen Ausgaben vermerkt:
müssen auch in gewissem Umfange einmalige
Ausgaben übernommen werden für die Einrichtung und den Ausbau von Unterkünften
für die Versorgungsdienststellen, die Versehrtenkrankenhäuser und für den Ausbau
früherer reichseigener Dienstgebäude. Hierdurch wird die erste Voraussetzung für den
Aufbau einer sparsamen und schnell arbeitenden Verwaltung geschaffen.
Wie aus der Einzelaufstellung in Drucksache Nr. 1925 Tit. 1 bis 40 ersichtlich ist, erstrecken sich die Bauten für die Kriegsopferversorgung über das ganze Bundesgebiet. Zu einem wesentlichen Teil waren die Bauten von den Ländern bereits begonnen. Es handelt sich nicht nur um Dienststellen, sondern auch Versorgungskrankenhäuser. Die für die Versorgungskrankenhäuser vorgesehenen Bauaufwendungen in Kap. 4 des außerordentlichen Haushaltsplans betragen 4 761 100 DM. Ich verweise hierzu auf die Einzelbeträge in Tit. 1, — 7, — 8, — 9, — 10, — 21, — 30, — 34, — 35, — 36 — und 38. Aber auch bei den Versorgungsdienststellen kommen ärztliche Untersuchungsräume und Heilbehandlungsstellen in Betracht. Unzureichende Behelfszustände können auch nicht dauernd belassen werden.
Der Einzelplan XXVI sieht im Abschluß vor: in
Einnahmen 69 125 000, in Ausgaben 3 841 900 000 DM. Das ergibt einen Zuschußbedarf von 3 772 775 000 DM. Hinzu treten, wie bereits angeführt, im Einzelplan XI, Arbeitsministerium, Kap. 1 a, Arbeitslosenhilfe, 760 700 000 DM, Kap. 1 c Sozialversicherung, 729 400 000 DM, im Einzelplan XI zusammen ein Betrag von 1 490 100 000 DM. Beides zusammen ergibt den runden Betrag von 5,3 Milliarden.
Diese weiter stark ansteigende Riesensumme von 5,3 Milliarden DM zeigt nicht nur die hohen sozialen Kriegsfolgelasten, sondern auch soziale Leistungen des deutschen Volkes im Riesenausmaß. Diese Leistungen müssen laufend durch die Arbeit des ganzen deutschen Volkes aufgebracht werden. Das müssen auch die Leistungsempfänger sehen und bei ihren Forderungen beachten.
Die notwendigen sozialen Leistungen stehen neben dem Aufwand für Besatzungskosten. •
Namens des Ausschusses beantrage ich Zustimmung zu Einzelplan XXVI, Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten, Drucksache Nr. 1925.