Rede von
Dr.
Max
Solleder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag bezweckt, im Haushaltsplan dieses Jahres einen Osthilfefonds für Ostbayern in Höhe von 20 Millionen DM zu begründen. Die Lage Ostbayerns haben wir in diesem Hohen Hause wiederholt erörtert. Wir wissen, daß die politische Grenzveränderung dieses ostbayerische Grenzgebiet in außerordentlich schwierige Verhältnisse versetzt hat. Durch die Abschnürung im Norden durch die Sowjetzone und durch die Abschnürung im Osten gegenüber den Ostländern, der Tschechoslowakei usw. ist dieser östlichste Teil Bayerns in einen toten Winkel geraten und die wirtschaftliche Lage dieses Gebietes auf das ernstlichste bedroht.
Die Absatzgebiete des ostbayerischen Raumes lagen in erster Linie in Mitteldeutschland, ebenso die Bezugsgebiete für Rohstoffe wie Kohle und Eisen. Dieses Bezugsgebiet wurde durch die Grenzziehung der Sowjetzone abgeschnürt und damit die Frachtferne zum Ruhrgebiet geschaffen, das ungefähr zehnmal so weit entfernt ist wie das vor den Toren Ostbayerns liegende Kohlengebiet der Tschechoslowakei. So kommt es, daß die Frachtkosten für Kohle und Eisen einen ganz wesentlichen Bestandteil der Gesamtkosten für die Industrien in den dortigen Gebieten ausmachen. Wir haben uns darüber unterhalten, daß hier durch Frachterleichterungen Wandel geschaffen werden muß.
Die soziale und wirtschaftliche Notlage Ostbayerns ist auch durch eine Überbesetzung mit Flüchtlingen entstanden, die strukturell nicht gewandelt werden kann, wenn nicht von seiten des Bundes Abhilfe geschaffen wird. Ich erinnere daran, daß die Arbeitsbeschaffung in diesem Gebiet insbesondere dadurch erschwert ist, daß die Kreditmöglichkeiten dieses armen Landteils außerordentlich dürftig sind, daß die Kreditbeschaffung auf die größten Schwierigkeiten stößt und infolgedessen die wirtschaftliche Belebung dieses Gebiets aus eigener Kraft nicht möglich ist. Wir haben gehört, daß diese Kreditrestriktionen allgemein auf das ganze Bundesgebiet ausgedehnt werden sollen. Wenn dieses ohnedies schon schwer leidende Gebiet durch Kreditrestriktionen noch weiter wirtschaftlich belastet wird, so können wir uns vorstellen, daß das wirtschaftliche und soziale Niveau dieses Gebiets weiter absinken wird.
Der Kapitalmangel und die Frachtferne sind nur ein Teil der Ursachen der Not dieses Gebiets. Es ist weiterhin festzuhalten, daß Ostbayern der am weitesten nach Osten exponierte Teil des Bundesgebiets ist — ebenso wie Berlin — und daß hier eine Infiltration von Osten her erfolgt, die auch
politisch und kulturell ihre Auswirkungen hat. Ich erinnere daran, daß in diesen Gebieten die kommunistischen Organisationen ganz besonders augenfällig in Erscheinung treten und daß sich eine rege radikale Tätigkeit in diesen Gebieten bemerkbar macht.
— Es ist immerhin eigenartig, daß dort, wo die wirtschaftliche und soziale Not am größten ist, diese radikalen Elemente rapide Fuß fassen.
— Wir sind ja hier zu dem Zwecke beisammen, uns darüber zu unterhalten, wie man die Not dort beseitigen kann.
Die Beseitigung dieser Not kann eben nur durch eine Bundeshilfe erfolgen. Deshalb ist die Forderung begründet, daß die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse Ostbayerns durch einen Osthilfefonds gebessert werden. Ich weise darauf hin, daß eben für dasselbe Gebiet im Jahre 1931/32 das Osthilfegesetz geschaffen worden war, das wirtschaftliche und soziale Erleichterungen, auch steuerliche Erleichterungen, für dieses Gebiet vorsah.
Es wäre nicht verständlich, wenn nicht in einem Gebiet, in dem im Gegensatz zu den Verhältnissen im übrigen Bundesgebiet jeder dritte Mensch arbeitslos ist, in einem Gebiet, in dem Tausende von Menschen untätig sein müssen, weil sie eben keine Arbeit finden, von seiten des Bundes eiregegriffen würde. Wir wissen alle, daß in Westdeutschland eine Stärkung des wirtschaftlichen Lebens, eine gewisse Beseitigung der Arbeitslosigkeit stattgefunden hat, während im Osten die Armut und Arbeitslosigkeit nach wie vor in ihrer ganzen Größe bestehen.
Es ist doch so, daß sich das Wirtschaftsgefälle im Bundesgebiet allmählich immer mehr verstärkt, daß wir einen reichen Westen bekommen und einen immer mehr verarmenden Osten.
Die Idee des Bundesstaates und des Föderalismus ist doch die, daß sämtliche Teile des Bundesgebiets lebensfähig erhalten werden. Daher müssen die ärmeren und schwächeren Teile, die Landstriche im Osten des Bundesgebiets, die zum südöstlichen Wirtschaftsraum hin abgeschnürt sind, wirtschaftlich an das westliche Bundesgebiet herangezogen werden, und es müssen Mittel und Wege gefunden werden, die dort außerordentlich dürftigen Verkehrsverbindungen, die nach dem Osten und Norden hin orientiert sind, mehr nach Westen auszubauen. Denn wenn nicht in diesem Bundesgebiet einer für alle und alle für einen einstehen, dann werden wir kein einheitliches Bundesgebiet werden,
sondern werden Gegensätze schaffen, die für die weitere Entwicklung unheilvoll sind.
Das sind Probleme - man müßte darüber länger reden können —, die außerordentlich ernst sind und erkannt werden müssen, weil die Aufgaben im Zusammenhang mit der Frage Ostbayern und bayerische Ostmark echte Aufgaben der Bundesrepublik Deutschland sind.