Rede von
Ernst
Kuntscher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst muß ich auf einige Äußerungen des Herrn Kollegen Renner eingehen.
Herr Kollege Renner, die Wechsel, die wir hier einzulösen haben und die uns derartige Schwierigkeiten bereiten, sind uns in kühler Berechnung vom Osten präsentiert worden.
— Und es ist d o c h so, meine Herren von der äußersten Linken.
Diese Wechsel sind uns vom Osten präsentiert worden. Alle auftauchenden Schwierigkeiten und ein Großteil der sozialen Nöte, mit denen wir hier im Westen zu ringen haben, haben Ihre Gesinnungsgenossen, Herr Renner, aus dem Osten nach dem Westen importiert.
Das ist der bleibende Tatbestand.
Aber lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zu § 15 Abs. 2 noch etwas anderes sagen und damit zur Sache kommen.
Es ist ganz einfach nicht möglich, daß wir in einer Notzeit, in der einzelne Länder, kleinere Städte und Gemeindeverbände bei der Einstellung von Verdrängten ihre Pflicht erfüllt haben, die anderen nicht dazu anhalten sollen, im Rahmen des Gesetzes zu Art. 131 gleichfalls ihre Verpflichtung zu erfüllen. An Hand von Zahlen wird einem diese Aufgabe so recht augenfällig, und man erkennt immer klarer, daß ein Kernstück dieses Gesetzes, wenn wir das Kapitel Unterbringung wirklich ernst nehmen — und das ist unser Anliegen —, der Abs. 2 des § 15 ist, von dem wir nicht abgehen können. Ich habe die allerjüngste Statistik vor mir liegen, und ich sehe daraus, daß Schleswig-Holstein in der Landesverwaltung mit 37 % das Soll weit überschritten hat. Ich stelle weiter fest, daß Gemeinden von 5 bis 10 000 Einwohner in Schleswig-Holstein mit 21 % über dem Soll liegen. Aber ich sehe auf der andern Seite, daß auch in Schleswig-Holstein die Großstädte noch einen ganz beträchtlichen Teil aufzuholen haben, um das Soll von 20 % zu erreichen. Genau so sieht es in Niedersachsen aus. Auch in Niedersachsen hat die Landesverwaltung mit 37,6 % übererfüllt. Die Stadtkreise über 100 000 Einwohner haben aber nur 9 % Verdrängter eingestellt.
Die Stadtkreise unter 100 000 Einwohner liegen
auch in Niedersachsen mit 19,7 % knapp an der
Grenze des Solls. Die Landkreise in Niedersachsen haben 24 % Verdrängte in Diensten, die unter den Art. 131 fallen, ,die kreisangehörigen Gemeinden in Niedersachsen mit über 10 000 Einwohnern 25%, mit unter 10 000 Einwohnern 23,1°/o.
Wenn ich mir nun die entsprechende Zahlen von den anderen Ländern betrachte, so stelle ich fest, daß die Länder und die Landkreise die 20 °/oige Quote fast erfüllt haben und die großen Städte, dort also, wo für die 131 er die meisten Arbeitsplätze vorhanden sind, weit, weit unter dem vorgesehenen Soll liegen. Hier die Statistik von 14 Städten mit über 100 000 Einwohnern quer durch das Bundesgebiet. Unter diesen 14 Städten sind zwei Städte, die ihren Anteil mit etwas über 10 % erfüllt haben. Neun Städte liegen unter 3 %,
und drei dieser Städte mit über 100 000 Einwohnern haben nicht einmal 1 % aus dem Personenkreis der 131 er eingestellt.
— Soll ich Ihnen die Namen dieser Städte nennen?
Das sind München und Mannheim mit 0,6 % bzw. 0,7 %!
— Die Statistik ist amtlich! Gewissenhaft nachgeprüft und erhoben. — Meine Damen und Herren, wenn Sie sich über diese Zahlen auch noch so sehr aufregen, Sie ändern an dem Tatbestand nichts, und Sie ändern auch nichts an unserer Bemühung, alles zu tun, um die Verpflichtung in dem Gesetz zu verankern, damit auch diese Städte ihrer Pflicht gegenüber dem unter den Art. 131 fallenden Personenkreis nachkommen, und das erreichen wir nur, wenn wir den 25 %igen Ausgleichsbetrag im Falle der Nichterfüllung gesetzlich beibehalten.
Wir sind uns dessen bewußt, daß es unter Umständen bei der Durchführung dieser Verpflichtung so kommen kann, daß, um 131ern ihr Recht zu geben, manchem 1945er die Position gefährdet wird. Aber wir beschließen nun einmal ein Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Personenkreises, der unter Art. 131 des Grundgesetzes fällt und nicht ein Gesetz zum Schutz den 1945iger.