Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Renner Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den zu dieser Gesetzesvorlage vorgetragenen Begründungen wurde mehrfach die, Auffassung herausgestellt, daß der Bund der Rechtsnachfolger des Reiches sei. Besonders bei dem Nachweis der Verpflichtung des Bundes, für die ehemaligen Wehrmachtbeamten einzutreten, wurde diese Meinung des öfteren klar ausgesprochen.
Nun, wenn der Bund der Rechtsnachfolger des Reiches ist, dann sind wir Kommunisten der Auffassung, daß der Bund auch alle aus dieser Rechtsnachfolge sich ergebenden Verpflichtungen selber zu tragen hat und nicht berechtigt ist, diese Verpflichtungen abzuwälzen auf die unteren Organe des Staatsapparates.
— Vielleicht denken Sie einmal nach und machen nicht nur Zwischenrufe!
Bedauerlicherweise ist es im Grundgesetz — und ich muß sagen: auch bewußt — unterblieben, die
Selbstverwaltung in der Gemeinde auch dadurch zu sichern, daß man die finanziellen Grundlagen, dieser Selbstverwaltung der Gemeinden verfassungsrechtlich irgendwie regelte. Ich habe in der letzten Woche Gelegenheit gehabt, der Verabschiedung des Etats der Stadt Essen beizuwohnen. Essen gehört zu den Städten, die mein Herr Vorredner charakterisiert hat als solche, die infolge Zuzugssperre und besonders großer Wohnraumnot gar nicht in der Lage waren, die Verpflichtungen gegenüber dem Personenkreis des Art. 131 in vollem Umfange durchzuführen, die aber, was die bei Ihnen als „Ostflüchtlinge" bezeichneten Personen angeht, mindestens in derselben Situation stehen wie Hannover. In der Erläuterung zu diesem Etat der Stadt Essen, der mit einem Defizit von 3 Millionen DM abschließt, wobei die zwingend kommenden Verpflichtungen infolge der Erhöhung der Bezüge der Arbeiter und Angestellten und der Löhne der Arbeiter nicht einmal berücksichtigt sind, in der Erläuterung also zu diesem Bankrotthaushalt einer Gemeinde wie Essen, die vom Blut des Blutes der CDU-Herren, die hier die Gesetze machen, geführt und geleitet wird,
heißt es — schwarz auf weiß von jedem nachzulesen —
Wenn zu den allgemeinen Belastungen der Gemeinden jetzt auch noch hinzukommt die Einbeziehung der Gemeinden in den Lastenausgleich und in den Artikel 131, dann bleibt der Gemeinde nichts anderes übrig, als die Steuern und die Gebühren, d. h. die Tarife zu erhöhen.
Das steht hier schwarz auf weiß! Das ist die Konsequenz einer Belastung der Gemeinden, einer für die Gemeinden vor allem vollkommen aufgabenfremden Belastung.
Aber warum machen Sie diese Politik, meine Herren von der CDU und von der Regierungskoalition? Warum bringen Sie die Gemeinden in Westdeutschland in diese Misere?
— Ich will Ihnen etwas sagen: In den Gemeinden platzt die Not, platzt das Elend den für dieses Elend hier in Bonn verantwortlichen kleinen Adenauers direkt ins Gesicht, und diesen kleinen Adenauers in den Gemeinden — wie sie heißen mögen, spielt gar keine Rolle — spielen Sie das verlogene und falsche Argument in die Hand: Wir haben kein Geld!
Da aber stellen sich die Herren von der CDU in den Gemeinden hin und erklären: Es tut uns sehr leid, wir können die Wohlfahrtsrichtsätze nicht erhöhen, wir müssen die Gebühren, die Tarife in die Höhe drücken, wir müssen die Gemeindesteuern erhöhen,
weil der böse Bund, der doch regiert wird von so bösen CDU-Leuten, wie wir sie hier kennen,
die finanzielle Kalamität der Gemeinden ständig steigert.
Es kam mir darauf an, die Wechselwirkung Ihrer Politik auf die Gemeinden einmal klar aufzuzeigen. Ihre Bankrottpolitik in der Gemeinde wirkt sich so aus, wie ich es geschildert habe, und diese Bankrottpolitik in der Gemeinde erlaubt es den
Gemeinden eben nicht mehr, solche zusätzlichen Belastungen auf sich zu nehmen. Deshalb sind wir der Auffassung, daß, wenn schon der Bund der Rechtsnachfolger des Reiches sein soll, er auch verpflichtet ist, die ganzen Lasten aus diesem Gesetz mit Bundesmitteln abzudecken.