Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat in der zweiten Lesung den Antrag gestellt, in § 7 Abs. 1 die Stelle zu streichen, die Ernennungen und Beförderungen unberücksichtigt lassen will, welche, wie es ursprünglich hieß, „überwiegend mit Rücksicht auf die Verbindung zum Nationalsozialismus vorgenommen worden sind". Der Antrag ist deshalb für notwendig gehalten worden, weil die FDP-
Fraktion der Auffassung ist, daß in dieser Bestimmung die Absicht zu einer neuen Entnazifizierung zum Vorschein kommt.
Die FDP-Fraktion ist nach wie vor der Meinung, daß damit endgültig Schluß gemacht werden sollte, damit endlich der Weg zu der immer noch nicht herbeigeführten inneren Befriedung frei gemacht werde.
Wenn wir heute den Antrag wiederholen, die Worte des § 7, die in der zweiten Lesung an die Stelle der ursprünglichen Fassung getreten sind, zu streichen, nämlich die Worte „wegen enger Verbindung zum Nationalsozialismus", so geschieht das aus den gleichen Gründen, die uns veranlaßt haben, den entsprechenden Antrag in der zweiten Lesung zu stellen. Wir sind durch die Hinweise in der Debatte zur zweiten Lesung keineswegs zu einer anderen Überzeugung gelangt, durch die Hinweise nämlich, daß niemand daran denke, durch diese Vorschrift eine neue Entnazifizierung einzuführen. Es ist doch so, daß hier erneut Folgen verhängt werden sollen eben wegen Verbindung mit dem Nationalsozialismus. Daraus ergibt sich, daß es sich bei der Anwendung dieser Bestimmung in jedem Fall um eine Entnazifizierungsmaßnahme handelt. Wir sind der Überzeugung, daß diese gesetzliche Bestimmung aus vielfachen Gründen nicht oder heute jedenfalls nicht mehr möglich ist.
Ich darf dazu folgendes ausführen. Die Bestimmung verletzt den Gleichheitsgrundsatz, da sie augenfällig ein Ausnahmerecht gegen einen Teil des Volkes und innerhalb dessen gegen einen Teil der Beamtenschaft darstellt.
— Ja, Herr Dr. Wuermeling, daß Sie gegensätzlicher Auffassung sind, war mir aus den Ausschußsitzungen völlig vertraut; aber es ist sehr freundlich, daß Sie es auch hier noch einmal besonders hervorheben. — Es ist vom Rechtsstandpunkt aus nicht möglich, die außerhalb des Dienstes stehenden Beamten, die ohnehin durch den Verlust ihres Amtes und die Folgen dieses Verlustes schwer genug betroffen sind, unter Anwendung einwandfrei kaum feststellbarer Tatbestandsmerkmale einer solchen Prüfung zu unterziehen, gleichzeitig aber die im Dienst verbliebenen oder die inzwischen entsprechend ihrer letzten Dienststellung wieder verwendeten und damit dem Art. 131 des Grundgesetzes entwachsenen Beamten von dieser Prüfung auszuschließen. Dies zur Frage der unterschiedlichen Behandlung verschiedener Personengruppen desselben Berufsstandes.
Die Bestimmung verstößt aber durch ihren Inhalt auch gegen zwingendes, also auch vom Gesetzgeber zu beachtendes Recht. Die Befreiungsgesetzgebung hat die Prüfung der Frage, ob und welche Folgerungen im einzelnen aus der Verbindung zum Nationalsozialismus zu ziehen sind, eigens dafür gebildeten Spruchbehörden übertragen. Deren Kornpetenz ist eine ausschließliche. Die auf Grund des Befreiungsrechts von den mit ausschließlicher Kompetenz hierzu versehenen Spruchbehörden gefällten Entscheidungen sollen verbindlich sein. Der Ausschließlichkeitscharakter des Befreiungsrechts findet in Art. 139 des Grundgesetzes seinen sinnfälligen Ausdruck. Nach dieser grundsätzlichen Bestimmung ist der Bundesgesetzgeber gehalten, die
Regelung des Art. 131 den Auswirkungen des Befreiungsgesetzes d. h. den rechtskräftigen Entscheidungen der Spruchbehörden anzupassen. Weitere Maßnahmen wegen Verbindung mit dem Nationalsozialismus kann er aber nicht verhängen. Das trifft um so mehr zu, als der Bund seine eigene Kompetenz für solche Maßnahmen bekanntlich kürzlich von dieser Stelle aus verneint hat. Es ist nicht möglich, auf Grund des sogenannten Befreiungsrechts Instanzen mit ausschließlicher Kompetenz für die Entnazifizierung zu begründen und dann dié in Ausübung der Kompetenz erlassenen und in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen dieser Spruchbehörden nicht auch zu beachten. Es ist auch nicht möglich oder ein rechtlich mehr als fragwürdiger Sachverhalt, die Rechtskraft zu teilen. So aber geschieht es durch § 8 des Entwurfs, indem die Rechtskraft der Spruchkammerentcheidungen hier anerkannt wird, soweit sie für die Betroffenen ungünstig gewesen sind, während § 7 Fälle mit günstigem Ausgang für die Betroffenen einer Nachbehandlung unterwerfen will.
Materiell ist dieser Teil des § 7 auch überflüssig. Die Beschränkung auf zwei Beförderungen für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945, zu der hier nicht weiter Stellung genommen werden soll, trifft ohnehin und gerade die Fälle, in denen wegen enger Verbindung mit dem Nationalsozialismus bei einzelnen eine Häufung von Beförderungen erreicht worden ist. Dafür führe ich ganz allgemein ein Beispiel aus dem Beamtenrecht an: Ich darf vorausschicken, daß innerhalb der regelmäßigen Laufbahn des mittleren, gehobenen oder höheren Dienstes im günstigsten Fall ohnehin nur drei Beförderungen möglich waren. Eine größere Zahl war nur erreichbar, wenn ohne Rücksicht auf die für die einzelne Laufbahn geltenden Bestimmungen ein Beamter über die Laufbahngrenzen hinweg „durchbefördert" worden ist. Das sind die Fälle, die der Gesetzgeber treffen will. Er trifft sie schon mit der Beförderungsbeschränkung. Ein Beamter, der z. B. 1933 Assistent und 1945 etwa Ministerialrat war, würde damit auf den Obersekretär, also auf die zweite Beförderungsstufe seiner eigentlichen Laufbahn zurückfallen. Die Beförderungen in Verbindung mit dem Nationalsozialismus werden aber auch durch die Bestimmung des § 7 Abs. 1 in dessen ersten Teil besonders getroffen, wonach Ernennungen und Beförderungen, die beamtenrechtlichen Vorschriften widersprechen, unberücksichtigt bleiben.
Es ist auch nicht recht erkennbar, wie eine gerechte praktische Durchführung der Entnazifizierungsbestimmung möglich sein sollte. Die Klausel „wegen enger Verbindung mit dem Nationalsozialismus" umschließt keinen Tatbestand, der konkret faßbar, abgrenzbar oder beweisbar wäre. Die Personalakten insbesondere der 131er sind zum großen Teil nicht mehr vorhanden.
Man sollte vermeiden, heute nach so langer Zeit durch fragwürdige Untersuchungen eine neue Unruhe in die Kreise der Betroffenen zu bringen. Man sollte das um so mehr vermeiden, als in der Öffentlichkeit für solche Maßnahmen heute kaum noch Verständnis zu finden ist. Überall, jedenfalls außerhalb des Hauses, wird die Forderung erhoben, mit allem, was Entnazifizierung heißt, endlich Schluß zu machen. Die erwähnte Bestimmung ist, falls sie aufrechterhalten bleibt, ein ständiges Hemmnis für die Herstellung des inneren Friedens.
Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht unterlassen, noch darauf hinzuweisen, daß der schles-
wig-holsteinische Landtag mit den Stimmen der CDU, FDP, DP und des BHE soeben einen Schlußstrich unter die Entnazifizierung gezogen hat.
Das Gesetz ist am 1. April 1951 in Kraft getreten. Nach diesem Gesetz erhalten die in den Kategorien III und IV Eingestuften die Rechtsstellung der Entlasteten. Schon in einem früheren Gesetz war bestimmt worden, daß die ursprünglich in Gruppe V eingestuften Beamten im Vollbesitz der sich aus ihrer letzten Dienststelle ergebenden Rechte verblieben sind.
Es würde auf wenig Verständnis stoßen, wenn im gleichen Zeitpunkt, in dem das in Schleswig-Holstein geschieht, mit den Stimmen der gleichen Partei, nämlich der CDU, in einem Bundesgesetz erneut Maßnahmen wegen Verbindung mit dem Nationalsozialismus eingeführt würden.
Wir bitten daher, mit Rücksicht auf die eindeutig ablehnende Haltung der breiten Öffentlichkeit gegenüber erneuten Entnazifizierungsmaßnahmen, vor allem aber aus den dargelegten Rechtsgründen, in § 7 die Worte: „wegen enger Verbindung zum Nationalsozialismus" zu streichen.