Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wuermeling hat seine Ausführungen mit dem Satz eingeleitet, daß im formalen Recht der soziale Gedanke nach Möglichkeit verwirklicht werden soll.
— Und die soziale Gerechtigkeit. Ein schönes Wort, ein wirklich schönes Wort. Durch die Ausschuß-beschlüsse, die vom Plenum in der zweiten Lesung des Gesetzes gutgeheißen wurden, erhöht sich — das ist heute schon mehrfach gesagt worden — der für Pensionen und Übergangsgehälter vom Bund für diesen Personenkreis aufzuwendende Betrag von 350 Millionen auf 750 Millionen.
Diesen 750 Millionen stelle ich die rund 3 Milliarden entgegen, also etwa mehr als das Vierfache, das
der Bund für die Versorgung von rund 4 Millionen
Kriegsopfern bisher ausgibt. Eine gewaltige
Summe, die dieses neue Gesetz erfordert! Sie wird den Millionen von Sozialberechtigten und Kriegsopfern, den Flieger- und Besatzungsgeschädigten, die unstreitig einen ebenso wohlfundierten Rechtsanspruch auf Versorgung und Entschädigung durch den Staat haben, begreiflicherweise nur sehr schwer eingehen. Wenn man aber den Beamten sowie den ins Beamtenverhältnis übernommenen Militärpersonen gegenüber einen Rechtsanspruch auf Pension zugesteht, wie das durch das Gesetz geschieht, so muß man nach unserer Überzeugung auch als ebenso zwingend anerkennen, daß die Sozialrentner z. B. einen ebenso unabdingbaren Rechtsanspruch auf Rente haben, und zwar auf den vollen, mit den zur Sozialversicherung geleisteten Beträgen erworbenen Satz. Die Zugehörigkeit zur staatlichen Rentenversicherung war ein Zwang, dem sich kein Versicherungspflichtiger entziehen konnte. Längst also hätte die Bundesregierung, die sich doch als Rechtsnachfolgerin des Reiches betrachtet, auch die den Versicherungsträgern durch das Naziregime geraubten Milliardenvermögen zurückerstatten müssen. Die FDP, die sich im Laufe der Diskussion über dieses Gesetz für die Besserstellung dieses Personenkreises mehrfach mit Verve eingesetzt hat, muß sich doch wohl sagen lassen, daß sie sich bisher nicht überstürzt hat, als es galt, die Ansprüche der Sozialberechtigten, der Kriegsopfer, der Kriegsgeschädigten auch nur in etwa zu realisieren.
— So, kommt da wieder die Frage der Mittel? Ich stellt das fest, daß da wieder diese Frage aufgeworfen wird.
— Ich will Ihnen etwas sagen: eine Gesellschaft, die nicht in der Lage ist, die Menschen, die sie unter ihre Gesetze zwingt, zu ernähren, soll abtreten.
Die kommunistische Fraktion steht auf dem Standpunkt, daß, wenn man den Beamten einen Rechtsanspruch auf Pension zugesteht, die in das Beamtenverhältnis übernommenen Militärpersonen nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Man muß diesen Personenkreis rechtlich gleich behandeln, sofern keine Gründe, die in der Person selber zu finden sind, das ausschließen. Als solche Gründe müssen unserer Überzeugung nach Beförderungen angesehen werden — ich sage das im Hinblick auf die wiederholten Anträge der FDP mit der Unterschrift des Herrn Euler —, die durch besonders enge Beziehungen und Verbindungen zur NSDAP zustande gekommen sind. Die kommunistische Fraktion setzt sich für die völlige Gleichstellung der Unteroffiziere mit den Offizieren in bezug auf die Wartefrist ein.
Noch ein Wort zur geforderten Anrechnung der Beförderungen wegen „Tapferkeit vor dem Feinde". Vor welchem Feind? Hitlers Krieg, insbesondere der im Osten, war ein gemeiner Überfall auf die Völker, die gezwungen waren, sich zur Wehr zu setzen und die schwersten Blutopfer zur Verteidigung ihrer Heimat gebracht haben.
Die deutschen Wehrmachtsangehörigen, die geglaubt haben, ihre Heimat zu verteidigen, waren nichts anderes als irregeführte Opfer der verbrecherischen Politik eines Hitler.
Haben die Herren von der CDU bedacht, welche Wirkung eine derartige Formulierung bei den Völkern auslösen muß, die so unsagbar schwer unter dem Naziüberfall und der nazistischen Besetzung gelitten haben? Hinter der Haltung der Reaktion, die hier zum Ausdruck gekommen ist, steht nur die Absicht, bei gewissen ehemaligen Wehrmachtsberufsbeamten Stimmung zu machen, sich den geplanten neuen westdeutschen Militärformationen anzuschließen. Wir wissen, daß Tausende und aber Tausende der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen heute in der Front der Friedenskämpfer aktiv mitkämpfen.
Wir wissen, daß das Volk in seiner überwiegenden Mehrheit die Greuel des vergangenen Krieges ablehnt und sich heute entschieden gegen die Versuche der Remilitarisierung zur Wehr setzt.
— Ich weiß nicht, wer als Schwätzer der ältere ist, Sie oder ich. Die Frage der größeren Dummheit will ich gar nicht stellen.
— Sie ist leicht zu entscheiden, aber sicher nicht so, daß ich in puncto Dämlichkeit mit Ihnen konkurrieren kann.