Rede von
Hans-Gerd
Fröhlich
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der dem Hohen Hause am 13. September vergangenen Jahres vorgelegte Gesetzentwurf nach Art. 131 des Grundgesetzes hat in der 82. Sitzung des Deutschen Bundestages von seiten aller Fraktionen des Hauses eine sehr scharfe Kritik erfahren, weil er nur andeutungsweise dem Auftrage des Hohen Hauses vom 2. Dezember 1949 Rechnung trug. Inzwischen hat sich der Ausschuß für Beamtenrecht in sechsmonatigen Verhandlungen bemüht, die dem Regierungsentwurf anhaftenden Härten zu mildern oder ganz zu beseitigen. Von seiten des betroffenen Personenkreises wurde reichlich und oftmals in sehr massiver Form an der nach ihrer Ansicht zu langsam fortschreitenden Arbeit des Ausschusses für Beamtenrecht Kritik geübt. Ich fühle mich dazu verpflichtet, an dieser Stelle besonders zu betonen, daß nach meiner Überzeugung gerade die sehr eingehenden Beratungen unter mehrmaliger Hinzuziehung von Vertretern der Interessenverbände dazu beigetragen haben, dem Gesetzentwurf der Regierung ein wesentlich freundlicheres Gesicht zu geben. Erst im letzten Abschnitt der Beratungen — hierauf sei besonders hingewiesen — wurde die größte Härte dieses Gesetzes beseitigt. Es fiel in § 36 die Jahresklausel für die Zahlung des Unterhaltsgeldes für diejenigen, die eine zehnjährige Dienstzeit abgeleistet haben.
Die gesetzliche Regelung dieser außerordentlich schwierigen Materie sieht naturgemäß für den Betroffenen, der sich jahrelang als Staatsbürger
zweiter Klasse fühlen mußte und oftmals mit seiner Familie in furchtbarem Notstand lebte, wesentlich einfacher aus als für den verantwortlichen Abgeordneten, der sich in seiner politischen Tätigkeit nicht nur mit dem Fragenkomplex nach Art. 131 zu befassen hatte, sondern auf den sich täglich die ganze massive Wucht wirtschaftlicher und sozialer Schwierigkeiten der gesamten Bevölkerung auswirkt.
Der verlorene Krieg und seine Folgen haben der Bundesregierung und diesem Hohen Hause nicht allein das Problem der verdrängten Beamten, Angestellten und Arbeiter serviert, sondern darüber hinaus die Betreuung von mehr als vier Millionen Kriegsopfern und ihrer Hinterbliebenen, der Heimkehrer, der Opfer des vergangenen Regimes, der Bombengeschädigten und der Millionen Heimatvertriebener, die als selbständige Handwerker, Bauern und Fabrikanten im Osten ihre Existenzgrundlage verloren haben und nach dem derzeitigen Gesetzentwurf für den Lastenausgleich nur einen kümmerlichen Bruchteil von dem bekommen werden, was wir hier den Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes zubilligen.
Mit Recht wurde von seiten des betroffenen Personenkreises mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Staatsdienerschaft in einem besonderen Treueverhältnis zum Staate stehe und auch für die Zukunft zu stehen habe und daß umgekehrt der Staat seinen Staatsdienern gegenüber die übernommenen Verpflichtungen halten müsse. Entsprechend den Grundprinzipien der Demokratie, wie sie im Grundgesetz verankert sind, und unter Würdigung all der Schwierigkeiten, die die verdrängten Staatsdiener seit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes durchzumachen hatten, ist es für die Betroffenen schwer verständlich, wenn für die nach dem Kriege in ihrem Beruf Verbliebenen und jene durch Auflösung ihrer Dienststelle Verdrängten zweierlei Recht geschaffen wird. Hierzu bekenne ich in voller Offenheit, daß alle Angehörigen des Ausschusses für Beamtenrecht, gleich welcher Partei sie angehörten, den besten Willen zur Herstellung gleichen Rechtes für alle unter den Art. 131 fallenden Personen mit den in ihrer Stellung Verbliebenen bewiesen haben, daß aber die harte Realität des verlorenen Krieges und der Teilung Deutschlands diesen guten Absichten entgegenstand. Diesen Tatsachen kann sich gerechterweise niemand verschließen. Die Beschlüsse des 25. Ausschusses haben große Härten beseitigt, haben andere einfach nicht beseitigen können. Die verdrängten Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes bedauern es außerordentlich, daß in der zweiten Lesung dieses Gesetzes die in § 15 Abs. 2 festgelegten Verpflichtungen bei Nichterfüllung der Bestimmungen des § 14 in diesem Hohen Hause zu Fall gebracht wurden.
Der betroffene Personenkreis und diejenigen Länder, die bereits im voraus die 20-Prozent-Quote und darüber hinaus entsprechend den früheren Landesflüchtlingsgesetzen erfüllt haben, würden es nicht verstehen und würden es geradezu als eine Bestrafung empfinden, wenn sich die anderen der ihnen in diesem Gesetz auferlegten Verpflichtung aus mangelndem guten Willen oder aus Unterschätzung der politischen Folgen bei Nichterfüllung des Pflichtanteils entziehen würden. Die bisherigen Erfahrungen seit der Verabschiedung
des Unterbringungsgesetzes beweisen sehr eindeutig — und der Ausschuß für Beamtenrecht hat sich auch hiermit befaßt —, daß im Augenblick noch ein gewisser Druck auf die zur Unterbringung Verpflichteten ausgeübt werden muß. Die Abgeordneten dieses Hohen Hauses werden mehr oder weniger alle 'die Erfahrung gemacht haben, daß die demokratische Ordnung auch von der Bürokratie dazu benutzt wird, um sich Zügellosigkeiten in der Erfüllung der Gesetze zu leisten. Dem muß durch entsprechende Strafbestimmungen entgegengewirkt werden. Es ist nun mal eine Tatsache, daß innerhalb der Flüchtlingsländer die Landkreise, die kleinen und die mittleren Städte den Unterbringungsanteil nach diesem Gesetz längst erfüllt bzw. überschritten haben, daß aber die mittleren und größeren Städte bisher dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sind. Deshalb erwarten die Landkreise, insbesondere der Flüchtlingsländer, daß nunmehr durch die Auswirkung des § 15 Abs. 2 dieses Gesetzes die größeren Städte gezwungen werden, die Landgemeinden und die kleineren Städte zu entlasten.