Rede von
Albert
Walter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Meine Damen! Meine Herren!
Ich möchte dem Herrn Kollegen Henßler
auf seine Ausführungen zur Frage der Mitbestimmung und über die Art der Durchführung derselben einiges erwidern.
— Das überlassen Sie nur ganz mir! — Herr Kollege Henßler bewegte sich bei seinen Ausführungen in merkwürdigen Widersprüchen. Er betonte wiederholt, daß es einer Gesetzgebung eigentlich gar nicht bedürfe, da sich die Partner in den Betrieben sehr gut verständigen könnten. Wenn wir eine solche Behauptung seitens der Gewerkschaften oder der Opposition hören, dann müssen wir uns das Entstehen dieses Gesetzes in unser Gedächtnis zurückrufen.
Im Januar forderten die Gewerkschaften von der Regierung, sofort einen Gesetzentwurf fertigzustellen, der die Mitbestimmung in der Kohle und Eisen schaffenden Industrie festlegt, weil man Angst hatte, daß die von den Alliierten den Gewerkschaften zugestandenen Rechte wieder verlorengehen könnten. Im Jahre 1945 haben nämlich die Siegermächte in der Kohleindustrie und in der Eisen verarbeitenden Industrie den Gewerkschaften größte Rechte zugestanden. Herr Kollege Henßler hat heute aber Beschwerde darüber geführt, daß sich seitens der Siegermächte Anzeichen für den Willen bemerkbar machen. in die Mitbestimmung eingreifen zu wollen. Die amerikanischen, die englischen und andere Gewerkschaften haben ihrerseits kein Hehl daraus gemacht, daß sie sich für die Forderungen der deutschen Gewerkschaften einsetzen. Die amerikanischen Unternehmer haben dagegen verlangt, daß in Deutschland den Besitzverhältnissen Rechnung getragen und nicht einfach eine Mitbestimmung beschlossen werde, die zwangsläufig dazu führen müsse, daß das ausländische Kapital es sich überlegen werde, ob es seine Gelder in Deutschland anlegen will.
Das alles ist aber nicht entscheidend. Die Gewerkschaften und Herr Henßler als ihr Sprecher haben zum Ausdruck gebracht, daß durch die Mitbestimmung in den Betrieben ein Höchstmaß an Leistung erreicht werde. Nur darauf komme es an, das sei der Grund, warum sich die Gewerkschaften in die Betriebsführung einschalten wollten. Diese Behauptung klingt eigenartig. Es mutet zumindest merkwürdig an, daß die vielen Unternehmen der Konsumgenossenschaften und die zahlreichen Betriebe der GEG noch nicht daran gedacht haben, unter solchen Voraussetzungen ihren Belegschaften die Mitbestimmung zu sichern.
Das wäre doch wohl das Mindeste, was man hätte
tun müssen. Die Arbeiter warten darauf, daß hier
der Anfang einer echten Mitbestimmung gemacht
wird. Bisher ist aber noch nichts geschehen.
Herr Henßler führte dann aus, führende Staatsmänner hätten wiederholt betont, daß die monopolkapitalistische Wirtschaft vollkommen versagt habe. Zugegeben, daß sie versagt hat. Glauben Sie jedoch, daß eine Monopolwirtschaft der Gewerkschaftshierarchie besser arbeiten würde? Durch eine Monopolherrschaft der Gewerkschaftshierarchie würden wir bald dahin kommen, wo sich die Wirtschaft in der Ostzone befindet. Das ist die große Gefahr.
Wir wehren uns mit aller Entschiedenheit dagegen, daß unsere Betriebe auf ,diesen Weg gebracht werden sollen. Meine Freunde und ich haben niemals einen Zweifel daran gelassen, daß wir im Interesse unserer Wirtschaft, unserer werktätigen Bevölkerung und unseres Wirtschaftsfriedens bereit sind, alles zu tun, um unseren Arbeitern und Angestellten die vollen Menschenrechte zu gewähren, die sie beanspruchen können. Wenn es aber bei dem Mitbestimmungsrecht darum gehen soll, ob die Gewerkschaftsvertretungen oder die Belegschaften in den Betrieben bestimmen sollen, und wenn die Gewerkschaften so argumentieren, daß die Belegschaften in den Betrieben der Ruhrindustrie mit den Gewerkschaftsmitgliedern gleichzusetzen seien, so sind wir der Meinung, daß wir das Recht der Gewerkschaften, die wir absolut bejahen, am besten vertreten, wenn wir mit aller Energie für das Recht der Belegschaften eintreten und fordern, daß nur sie das Recht der Mitbestimmung in den Betrieben haben dürfen. Wir wollen 'nicht, daß betriebsfremde Personen in den Betrieben etwas zu sagen haben. Das würde auf keinen Fall zum Betriebsfrieden führen, sondern dazu, daß der Kampf gegeneinander in unseren Industrien verewigt wird, daß wir nie zur Ruhe kommen, sondern daß die Machtkämpfe zum Schaden unserer Volkswirtschaft ausgetragen werden. Davor warnen wir und tragen die Verantwortung dafür, daß das nicht geschieht.
Wir sind der Meinung, daß der Gesetzentwurf, wie er vom Arbeitskreis erarbeitet worden ist, mit einigen Änderungen sehr wohl die Grundlage für ein Gesetz über die Mitbestimmung in der Kohle- und Eisenindustrie bilden kann. Um die Möglichkeit einer Einigung zu schaffen, haben wir auch unsererseits Abänderungsanträge gestellt. Wie ich schon sagte, sind wir jederzeit bereit, für das Wohl unserer Arbeiter alles zu tun, was erforderlich und notwendig ist. Wir sind aber nicht bereit, einer Gewerkschaftshierarchie Machtmittel in die Hand zu geben, die sich über kurz oder lang zum Schaden für unsere Industrie und für unser ganzes Volk auswirken müssen.