Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Frau Schroeder, die sich noch einmal zu Wort gemeldet hat, trotzdem Gelegenheit geben, noch auf eine weitere Frage zu antworten, wenn sie das für richtig hält. Ich möchte ganz ruhig ohne jede parteipolitische Polemik
Frau Schroeder sagen, daß man nicht mit großen Worten von dem gemeinsamen Schicksal sprechen sollte, wenn man weiß, wie ernst es der Bundesregierung, für die ich jetzt spreche,
in diesen Jahren damit gewesen ist, die Verantwortung für das gemeinsame Schicksal Berlins zu tragen. Ich habe kein Verständnis dafür, daß Sie darüber lachen. Denn ich glaube, es ist nicht unwesentlich, was hier in diesen Jahren angesichts der Flüchtlingsnot und der gesamtdeutschen Not an finanzieller Hilfe freudig gegeben wurde und auch angesichts der schweren Lage des gesamtdeutschen Schicksals gemeinsam getragen wurde. Aber was die Sozialversicherung angeht, Frau Kollegin, .so geht ja gerade unser Wille dahin, daß das gemeinsam getragen wird, was Berlin nicht allein tragen kann. Ich hatte heute schon Gelegenheit, mit einem Ihrer Kollegen hier kurz darüber zu diskutieren. Sie werden mir recht geben und haben das auch früher schon bestätigt, daß man eine Rentenversicherung nicht für eine Stadt machen kann. Nun endlich, nachdem die deutschen Berufsgenossenschaften es Ihnen so lange angeboten haben, sind Sie bereit, die Unfallversicherung Berlins mit in den großen Lastenausgleich des gesamten Bundesgebietes einzubeziehen.
Sie wollen die Verbesserung der Rentenversicherung und Sie brauchen sie, weil, wie Sie richtig sagen, die Not der Berliner Arbeitslosen und besonders die der Frauen in Berlin noch viel größer ist, als wir sie hier im Bundesgebiet trotz der. Not in den Flüchtlingsländern kennen. Obwohl das so ist, argumentieren Sie und Ihre Kollegen immer wieder mit Verschlechterungen, von denen ich nur eine positiv kenne, und das ist die Tatsache, daß S i e den Frauen in der Rentenversicherung die Rente mit 60 Jahren geben, gewiß eine wunderschöne, ein erstrebenswerte sozialpolitische Leistung, die wir sehr gern allen Arbeiterinnen und Frauen auch geben möchten. Sie wissen, daß schon im Wirtschaftsrat — und die Kollegen, die dabei waren, werden das bestätigen können — nach Wegen gesucht worden ist, um beim Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz vor allen Dingen in der Invalidenversicherung die Witwen in den Genuß dieser gerechten Regelung zu bringen. Sie wissen aber auch, daß das finanziell nicht möglich war.
Ich habe sehr oft gegen jene Lösung des Wirtschaftsrates gesprochen, die mit einem Stichtag einem Teil der Witwen einen Vorteil verschaffte und den anderen davon ausschloß. Ich weiß, daß dieses Kapitel gerade für Berlin ein besonders schweres sein wird. Aber ich meine: Wer hindert uns daran, über diesen Punkt in der Übergangszeit miteinander ernsthaft nach Wegen einer Lösung für Berlin zu suchen! Das darf aber doch nicht ausschließen, daß die gesamte Grundlage der Rentenversicherung, der Krankenversicherung und der Unfallversicherung in Berlin dieselbe sein muß wie im Bundesgebiet. Und das darf nicht dazu führen, daß Sie durch solche Behauptungen, wie sie Ihr Kollege Neumann im Berliner Senat aufgestellt hat oder wie sie Ihre Kollegen Außner und Lipschütz und wie sie alle heißen, zum Ausdruck brachten, verhindern, daß Berlin in dem ehrlichen Willen, für dieses gemeinsame Schicksal einzutreten, in den Lastenausgleich des Bundes einbezogen wird.
Ein letztes Wort zu der Einbeziehung Berlins als zwölftes Land in den Bundesstaat. Für diese Einbeziehung de facto, verehrte Frau Kollegin, können Sie und Ihre Kollegen am besten sorgen, indem Sie sich dafür einsetzen, daß das, was Ihnen in Ihrer Verfassung als Möglichkeit gegeben ist, sobald als möglich verwirklicht wird, daß es nämlich kein einziges Gesetz in Berlin mehr gibt, das anders aussieht als die Gesetze der Bundesrepublik. Niemand wird Sie daran hindern, und damit haben Sie de facto erreicht, daß Berlin und jeder Berliner Bürger dasselbe Recht hat wie jeder Bürger der Bundesrepublik.