Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedauere, daß eine so wichtige Frage wie der Haushalt der finanziellen Hilfe für Berlin vor einem fast leeren Hause diskutiert werden muß, und ich bin der Auffassung, daß es nickt, Herr Zurufer, eine Sache der Berlin-Spezialisten ist, sondern die Sache aller Deutschen, die Situation Berlins in voller Verantwortung so zu sehen, wie es gestern in der Debatte zum Haushalt des Ministers Kaiser ausgesprochen worden ist, und ich habe für meine politischen Feunde, die diesem Haushaltsplan zustimmen, noch folgende sehr wichtigen Bemerkungen zu machen.
Der Herr Abgeordnete Mellies, der den Plan eben vertreten hat, hat gestern erklärt, daß es sehr erfreulich wäre, wenn alle politischen Parteien eine besondere Initiative entwickelten, um die gesamtdeutschen Angelegenheiten auch hinsichtlich Berlins zu sehen. Wir sind besonders mit der Absicht einverstanden, diese gesamtdeutsche Initiative für alle Berliner, für jeden Berliner und jede Berlinerin, so entwickeln zu wollen, daß bei der künftigen Neuordnung die Situation Berlins als einer Insel immer mehr schwindet, und ich glaube, daß die SPD, von der Herr Mellies gestern sagte, daß sie Vorkämpferin gewesen sei, nun endlich auch in der Praxis in Berlin Vorkämpferin dafür werden müßte, daß die Gesetzgebung des Bundes und die Berlins nicht mehr unterschiedlich sind. Wer m, man in diesen Tagen von den Debatten und Auseinandersetzungen im Berliner Senat liest, dann muß man mit großem Bedauern feststellen, daß es noch maßgebliche Sprecher Berlins gibt, die die Einbeziehung Berlins in die Gesetzgebung des Bundes nicht wünschen, und zwar deshalb nicht wünschen, weil sie das gemeinsame Schicksal, das uns mit Berlin verbindet, nicht so sehen, wie wir es gesehen haben möchten, nämlich die Verbundenheit- der gemeinsamen uns vom Schicksal auferlegten sozialen Nöte, so daß wir das Gute wie das Böse unserer Lage, das Vorteilhafte wie das Nachteilige einer Gesetzgebung gemeinsam verantwortlich tragen.
Ich habe mich mit Absicht zuerst zum Wort gemeldet, um meiner Kollegin Frau Schroeder, die sicher antworten wird, Gelegenheit zu geben, auch auf die Dinge einzugehen, die uns am Herzen liegen. Ich habe gehört, daß Berlin in diesen Tagen nun endlich das Bundesversorgungsgesetz angenommen hat
— ich höre, daß das gestern geschehen ist —, und ich hoffe, daß nun Berlin auch bald mit den Vorbereitungen für die Durchführung dieses Bundesgesetzes fertig sein wird. Ich kann nur wiederholen, daß meine politischen Freunde wünschen, daß das, was hier bei den Beratungen im Bundestag schon -zugesagt wurde, nun möglichst bald auf Grund der Berliner Verfassung und dieser Zusagen verwirklicht wird. Noch haben nicht alle Berliner und alle Berlinerinnen das gleiche Recht in der Sozialgesetzgebung. Noch ist das Bundesversorgungsgesetz in Berlin gar nicht vollständig anzuwenden, weil Berlin die Voraussetzungen für eine Anpassung an die Regelung im Bund noch nicht geschaffen hat.
— Sie mögen das sicher für gewisse Absichten als
ein Glück ansehen, weil das, was in Berlin noch
besteht, sich weitgehend mit Ihrer Vorstellung von
der Sozialpolitik deckt. Mit unserer Vorstellung deckt es sich nicht.
— Ich brauche auf Ihre Zwischenrufe nicht weiter einzugehen. Die sind so uninteressant, weil Sie im Augenblick keinerlei sozialpolitischen Fortschritt hier verkünden können, solange noch in Berlin-Ost Ihre Freunde schuld sind an so unsagbarer Not und so unsagbarem Leid.
Die Berliner SPD-Abgeordneten haben von der Eigenständigkeit Berlins gesprochen, und von der Notwendigkeit dieser Eigenständigkeit in der Sozialpolitik aus wird dann gefolgert, daß Differenzierungen, wie wir sie hier im Bundesgebiet kennen, abgelehnt werden müssen. Wir hoffen, daß in der gesamten Neuordnung der Sozialpolitik — ich möchte nur einige Punkte erwähnen —, bei der Übernahme des Selbstverwaltungsgesetzes, in dem Berlin sich von dem Gesetz des Bundes unterscheidet, bei der Forderung Berlins auf Einbeziehung unter Art. 131 und bei der Forderung Berlins, bei der Neugestaltung der Renten und ihrer Erhöhung seinen Anteil zu haben, doch sehr bald die Erkenntnis durchbrechen möchte, daß wir keine andere Aufgabe haben als jene gesamtdeutsche, in Berlin nicht nur mit Worten, sondern mit der Tat, mit einer Tat, zu der die Berliner Abgeordneten auf Grund ihres doch sicher ehrlichen Versprechens verpflichtet sind, nun wirklich dahin zu kommen, daß jeder Berliner Bürger und jede Berliner Bürgerin das gleiche Recht die gleiche Möglichkeit und den gleichen Anspruch hat wie jeder Bürger im gesamten Bundesgebiet.