Rede von
Dr.
Michael
Horlacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich noch eine Sache als Berichterstatter erledigen. Ich möchte mich namens des Ausschusses mit aller Schärfe gegen den Vorwurf verwahren, daß wir in diesem Fall nicht die gerechten Maßstäbe angelegt hätten. Das ist vom Ausschuß in eingehender Beratung — die Herren sind Zeugen — nach allen Richtungen hin geschehen.
Ich habe mich bis jetzt genau an die Regeln des Berichterstatters gehalten. Jetzt bin ich aber kein Berichterstatter mehr, jetzt spreche ich als freier Abgeordneter. Da sage ich Ihnen folgendes. Ich bin sicher ein gutmütiger Mensch und bin besonders dafür, daß der Streit aus diesem Hause möglichst herausgehalten wird. Und wenn ich ihn dämpfen kann, tue ich etwas dazu. Das wissen ja die Damen und Herren. Ich liebe die Schärfe nur an bestimmten Stellen. Diese sind dann mit Humor durchgesetzt. Jetzt kommt aber folgendes hinzu. Meine Ungemütlichkeit fängt dort an, wo mir die Erfahrungen meines Lebens den Weg zeigen.
Da sage ich mir, wenn ich zurückdenke an meine politische Tätigkeit seit dem Jahre 1920, dann 1924 bis 1933 im Deutschen Reichstag und wenn ich so denke an die Jahre 1931/32, Herr Kollege Richter: S o hat es angefangen.
Und principiis obsta, d. h. trete den Anfängen entgegen, muß die Devise der Demokratie sein.
Die Demokratie darf nicht von ihren Feinden zu ihren Zwecken mißbraucht werden
und die Demokratie darf nicht an der eigenen Gutmütigkeit zugrunde gehen.
Deswegen muß der Sache möglichst der Weg geebnet werden, damit die Dinge zur entsprechenden Aufklärung gebracht werden können. Wenn die Äußerungen in dem Telegramm von Minister Hoegner betreffend Versammlungsverbot dieser Partei in Bayern richtig sind — und das muß ich hier unterstellen —, dann ist die Absendung des Fernschreibens mit dem Eingangstext „Durch Pressevertreter in Bonn wurde mir mitgeteilt", schon eine außerordentlich liederliche Sache.
Ein gewissenhafter Mensch hätte dann mindestens Rückfrage in Bayern gepflogen und hätte nicht dieses absolut gemeine Fernschreiben an den bayerischen Innenminister gesandt.
Hinzu kommt folgendes. Was mich am meisten bei der Sache aufregt, ist, daß die Herren immer die Verfassung dann gebrauchen, wenn sie es für notwendig befinden,
aber die Verfassung immer dann nicht kennen,
wenn's ihren Zwecken dienlich ist. Da müssen wir
schon dafür sorgen, daß die Prinzipien des Grundgesetzes, wenn einmal der Verfassungsgerichtshof steht, hier zur Durchführung gebracht werden,
damit man weiß, was für Merkmale die Organisationen der Demokratie in Deutschland tragen müssen und welche Merkmale sie unmöglich tragen können. Sie können die Merkmale nicht tragen, die wieder zurückführen in das nazistische Denken, das so viel Unglück über unser Volk gebracht hat.
Da ist es nach meiner Überzeugung eine furchtbare Angelegenheit, wie der telegraphiert: „Unsere Meinung zur Sache: amerikanisches Terrorregiment durch ihre politischen Zuhälter in Deutschland".
Ich höre die Nazinachtigallen singen.
Lassen Sie die Nachtigallen einmal sprechen; ich will die Nachtigallen jetzt einmal zu Wort kommen lassen. Davon singen die Nachtigallen das Liedchen nicht, wieviel Leid und Unglück über die deutschen Familien durch die Ingangsetzung der nazistischen Maschine gebracht worden ist.
Dann sagen sie „das amerikanische Terrorregiment mit ihren politischen Zuhältern in Deutschland". Was heißt denn „amerikanisches Terrorregiment"? Gewiß hat's" in der ersten Zeit nach dem Krieg auch bei den Besatzungmächten eine andere Auffassung gegeben, und wir mußten das durchstehen.
Meine verehrten Damen und Herren! Es war für uns, die wir uns nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches haben einschalten müssen, keine leichte Aufgabe, dem deutschen Volk die Vertrauensgrundlage bei den Völkern der Erde wiederzuschaffen, die es durch den Nazismus restlos eingebüßt gehabt hatte.
So war doch die Lage und nicht anders. Wir mußten in der Seele der Welt erst langsam das korrigieren, was der Nazismus an Mißverständnissen und sonstigen Dingen, Blut und Terror angerichtet hatte.
Da kann man nicht von „amerikanischem Terror" sprechen. Das weise ich auch im Interesse unserer deutschen Sache mit aller Entschiedenheit zurück. Das weise ich auch mit Rücksicht auf die Tatsache zurück, daß das amerikanische Volk zu unserem Wiederemporkommen — ich erinnere nur an die Marshallplanhilfe — Wesentliches beigetragen hat, damit wir zu einer besseren Lebenshaltung und zu anderen wirtschaftlichen Verhältnissen kommen konnten. Das kann doch niemand bestreiten.
Dann kommen die „Zuhälter". Ja, jetzt kommt die Nachtigall, die singt: die Emigranten. Da haben sie wieder ihre Dolchstoßlegende, die Brüder von ehedem.
Die Emigranten! Meine Damen und Herren! Ich kenne zufälligerweise den Herrn Innenminister Dr. Hoegner sehr genau, habe mit ihm wiederholt Aussprachen gehabt und weiß darüber Bescheid. Ich weiß darüber Bescheid, daß er sich damals noch von März 1933 bis Mitte Juli 1933 in München aufgehalten hat. Er mußte wiederholt die Wohnung wechseln. Und glauben Sie mir, ich als Demokrat
stehe auf dem Standpunkt: Wenn einer dann letzten Endes, wie es der Hoegner gemacht hat, über die Schweizer Grenze geht, unter unsäglichen Mühen und unter unsäglichen Anstrengungen mit seiner Familie, so ist das sein gutes Recht.
Denn ich würde es für eine Riesendummheit gehalten haben, wenn er gewartet hätte, bis die Nazis
ihn in München erschlagen und umgebracht hätten.
Seine Wohnung ist sowieso bis zum Letzten demoliert gewesen. So ist die Lage. Ich lasse immer Recht und Gerechtigkeit gelten. Herr Minister Hoegner gehört nicht meiner Partei an, aber was Recht ist, muß Recht bleiben, und wir dürfen uns von dem Boden des Rechts hier nicht abbringen lassen.
Dann weiß ich auch von den Hinrichtungen in Nürnberg. Glauben Sie mir, ich weiß Bescheid, was für eine schwere Angelegenheit es war, diesem Befehl der Amerikaner damals zu folgen, weil damals eine ganz andere Mentalität vorhanden war. Da ist es notwendig, daß das Gericht feststellt: Wie steht es mit dem Begriff „freiwillig", der hier von Dorls telegraphiert worden ist. Ist der Begriff „freiwillig" nicht richtig, dann ist das die hundsgemeinste Verleumdung, die jemals gegen jemand ausgesprochen worden ist. Da muß Klarheit geschaffen werden.
Also, meine Damen und Herren, wir müssen mit Mut und Tatkraft die Quellen zuschütten, aus denen das braune Wasser für das deutsche Volk wieder herausdringen könnte.