Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin über die Äußerung des Herrn Dr. von Merkatz einigermaßen erstaunt. Denn die ständige Praxis, der Herr Dr. von Merkatz das Wort geredet hat, lautet anders als seine augenblickliche Stellungnahme.
Der Versuch des Herrn Abgeordneten Dr. Richter, den vorliegenden Fall in einer absolut unzulässigen Weise zu bagatellisieren, veranlaßt mich denn doch, einmal festzustellen, daß es sich nicht um eine gewöhnliche formale Beleidigung oder um eine Beleidigung handelt, die lediglich als Ausfluß irgendeiner politischen Affekthandlung angesehen werden kann. Es handelt sich vielmehr um eine echte Verleumdung. Ja, Herr Dr. Richter, es handelt sich sogar um den Begriff und den Inhalt einer Staatsverleumdung. Ich hoffe sehr, daß es in Deutschland und auch in Bayern noch Richter geben wird, die diese Handlung gebührend beurteilen. Die Handlung ist durchaus nicht eine Affekthandlung gewesen. Denn der Ausdruck, der am 29. März hier im Restaurant fiel, deckt sich mit der scheinbar konservierten und auf Eis gelegten Erregung, die dann zu dem Fernschreiben geführt hat — das ist ein neuer Begriff, den Sie, Herr Richter sich patentieren lassen könnten, daß man Erregung im Fernschreiber verewigen kann —, deckt sich genau mit dem, was am vorhergehenden Tag vor sich gegangen ist. Wir haben es mit einer schandmäßigen gemeinen Handlung eines Bundestagsabgeordneten zu tun, die absolut niedriger gehängt zu werden verdient. Zu der Anhörung des Herrn Dr. Dorls lag um so weniger Veranlassung vor, als Herr Dr. Dorls die Erklärung im Bewußtsein der Tragweite dessen, was er getan hat, über den Bundeshausfernschreiber abgegeben hat. Er ist sich über den Inhalt und die Tragweite dieser niederträchtigen Äußerung nicht irgendwie im unklaren gewesen.
Herr Dr. Dorls hat aber noch nicht einmal von der Realität Kenntnis genommen, die er hätte kennen müssen, ehe er den Mund aufgetan oder eine Erklärung von sich gegeben hat. Ich bin im Besitz eines Telegramms des bayerischen Ministers des Innern mit folgendem Wortlaut:
Vom bayerischen Innenministerium wurde keine einzige Versammlung der Sozialistischen Reichspartei verboten. Es besteht in Bayern keine Bestimmung, nach der Versammlungen politischer Parteien verboten werden könnten. Selbstverständlich gilt in Bayern auch Art. 21 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.
Dieses Grundgesetz zu wahren, ist die Aufgabe des Bundestages. Herr Dr. Richter, Sie sollten sich freuen,
daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität auch in einem solchen Falle rasch und prompt zu handeln versteht. Jeder, der eine Regung für das in sich hat, was dieser Staat, diese Demokratie für unser Volk bedeuten sollte und bedeuten könnte, muß mit derartigen Methoden von der ersten Stunde an abrechnen und dem Richter Gelegenheit geben, über sie zu urteilen. Das und
nichts anderes ist die Aufgabe des Parlaments in dieser Frage.