Rede von
Karl
Gaul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehöre in dem Ausschuß für Beamtenrecht zu der Minderheit, die vom Anfang bis zum Ende gegen den § 77 gesprochen und auch in der dritten Lesung im Ausschuß dagegen gestimmt hat. Ich maße mir nicht an, etwa juristisch zu diesem Paragraphen Stellung zu nehmen, aber in aller Bescheidenheit mit dem gesunden Menschenverstand. Ich habe aus dem Art. 131 Satz 3 herausgelesen, daß bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes vorbehaltlich anderweitiger Regelung in den Ländern der Rechtsweg nicht beschreitbar ist, d. h. also bis zur Regelung, die den Art. 131 verwirklicht. Nun ist es soweit, das Gesetz wird jetzt geschaffen.
Dann muß doch eigentlich diese Bestimmung fallen, die den Mann bisher daran gehindert hat, den Rechtsweg zu beschreiten.
Ich kann verstehen, daß die Gesetzgeber im Parlamentarischen Rat — verehrte Frau Kollegin Dr. Weber —, als sie seinerzeit diesen dritten Satz hineinsetzten, verhindern wollten, daß bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Flut von Prozessen angestrengt werden würde.
Diesen Zustand, meine Damen und Herren, kann man eine Zeitlang tragen. Aber das Grundgesetz ist am 23. Mai 1951 zwei Jahre in Gültigkeit. So lange können Sie den Zustand nicht aufrechterhalten, weil Sie dann gegen den Art. 3 und gegen den Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verstoßen, der jedem Menschen, wenn er sich durch die öffentliche Gewalt bedrückt oder bedrängt fühlt, den Rechtsweg eröffnet.
Ich bin auch durch die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers nicht überzeugt worden. Der Herr Bundesinnenminister hat vorhin in seinen Ausführungen erklärt, daß dieses Gesetz keinem Menschen das Recht der Klage nimmt, der sich durch die Regelung seiner Rechtsansprüche in diesem Gesetz benachteiligt fühlt. Und er hat hinzugefügt, daß einem solchen Mann der Rechtsweg auch gegen einen anderen Dienstherrn des Reiches oder des Bundes offensteht. Wenn also geklagt werden kann, dann ist doch eigentlich dieser Paragraph überflüssig, und eine überflüssige Bestimmung sollte man nicht in das Gesetz bringen, .sondern man sollte es so einfach wie möglich machen, damit auch der einfachste Mann es verstehen kann. Ich werde bei meiner bisherigen Haltung bleiben und auch heute gegen den § 77, also für die Streichung stimmen.