Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß man diesem Haus eines Tages diesen Wettlauf um die Ehre, der erste gewesen zu sein, der die Ehre des deutschen Soldaten verteidigt hat, zum Ruhm anrechnen wird.
Offenbar war jeder der erste, zumindest wenn man ihn heute sprechen hört. Ich glaube, man sollte den Ruhm, etwas für die Ehre des deutschen Soldaten getan zu haben, denen lassen, die ihm die Türe geöffnet haben, als er abgerissen und gedemütigt zurückkam,
und hierbei sollte man nicht sich selber loben, sondern man sollte warten, bis jene, denen einer damals die Hand gereicht hat, sich daran erinnern und es sagen.
Die Ehre des deutschen Soldaten, — ich glaube nicht, daß es nötig war, soviel davon zu sprechen. Die böse Doktrin von der Kollektivschuld, die alberne Bezeichnung fast jedes Deutschen, der eine Uniform getragen hat, als eines Militaristen, — ich meine, daß ist doch dahin, und ich hoffe, daß man sich auf seiten der Sieger dieses Krieges ein bißchen dieser Epoche schämt.
Aber so schlecht und so falsch die Lehre von der Kollektivschuld war, wir sollten keinen Mythos von der Kollektiv u n schuld bilden wollen.
Ich glaube nicht, daß- ich das noch weiter auszuführen brauche. Vielleicht; doch ich habe Veranlassung zu glauben, daß man der Mythenbildung rechtzeitig steuern muß. Ich habe nicht Sie gemeint, Herr Wuermeling.
Und wenn man von der Ehre des deutschen Soldaten spricht, so sollte man darüber nicht nur dann sprechen, wenn von den Berufssoldaten die Rede ist. Man sollte immer so davon sprechen, daß alle jene einbeschlossen sind, die opfermutig und ehrenvoll für ihr Vaterland gekämpft haben, und das haben Berufssoldaten und Nicht-Berufssoldaten getan!
Und das haben auch diese unglücklichen 999er getan, jene Wehrunwürdigen, die man gezwungen hat, für ihren Schinder zu kämpfen!
Dann, meine Damen und Herren: Es ist recht und billig, daß der Staat jene versorgt, die ihm gedient haben; aber jene, die er versorgt, stehen zu dem Staat, der sie versorgt, in einem Treueverhältnis,
sie haben ihm gegenüber Treuepflichten, und diese Treuepflichten müssen erfüllt werden — durch die Tat!
Und da möchte ich daran erinnern, daß nach dem ersten Weltkrieg die also Versorgten diese Treuepflicht gegenüber dem Staat, der sie versorgt hat, nicht immer erfüllt haben.
Ich möchte daran erinnern, daß sich unter den also Versorgten sehr viele von denen befunden haben, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, die Republik von Weimar zu unterminieren.
Ich will hoffen, daß sich das diesmal nicht wiederholen wird.
Aber ich glaube, daß es notwendig ist, hier eine Warnung auszusprechen,
denn man liest schon in den Zeitungen, daß sich „Stahlhelm" und ähnliche Organisationen wieder bilden. Wenn man die Parolen liest, unter denen das vor sich geht — es sind genau die gleichen wie nach 1919.
Hier muß man rechtzeitig Stellung beziehen
und — wenn sich etwas bilden sollte, das dem ähnlich sieht, was einmal so verhängnisvoll wurde — rechtzeitig zuschlagen!
Es gibt unter den alten Berufssoldaten — ich weiß das — eine große, große Zahl verantwortungsbewußter Männer, die zu diesem Staat ein Verhältnis echter Treue haben und die bereit und entschlossen sind, am Aufbau der deutschen Demokratie mitzuarbeiten. Ich richte an sie einen Appell: Die Ehre des deutschen Soldaten ist nichts, das ausschließlich auf die Vergangenheit hin anzusprechen wäre; diese Ehre gilt es heute noch zu realisieren, dadurch, daß man zu dem heutigen Staat, in seinem Leide wirkend, gebend in das Treueverhältnis tritt, auf das man — mit Recht — seine Ansprüche gründet.