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ID0113006600

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    Vokabeln: 7
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. April 1951 4947 130. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. April 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . 4948B, 5017D Änderungen der Tagesordnung 4948B Zur Geschäftsordnung: Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 4948C Dr. Wuermeling (CDU) 4949A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Wahlperiode der Landtage der Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern (Nm. 2057, 2071, 2088 der Drucksachen) 4949B Dr. Nevermann, Bürgermeister von Hamburg, Berichterstatter . . . . 4949B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4950D Renner, Innenminister des Landes Württemberg-Hohenzollern . . . 4952C Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 4953C Euler (FDP) 4955A Fisch (KPD) 4955D Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 4957B Beschlußfassung 4957D Zur Geschäftsordnung (betreffend Polizeimaßnahmen auf Zugangsstraßen zum Bundeshaus): Loritz (WAV) 4958A, 4959C Präsident Dr. Ehlers 4958C, D, 4959B, 4959C Dr. Arndt (SPD) 4958D Renner (KPD) 4959A Eickhoff (DP) 4959C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umstellung der Reichsmarksparguthaben heimatvertriebener Sparer (Nr. 2015 der Drucksachen) 4959D Wackerzapp (CDU), Antragsteller . 4959D Tichi (WAV) 4962A Trischler (FDP) 4962D Kuntscher (CDU) 4964B Dr. Leuchtgens (DP) 4965C Dr. Bertram (Z) 4965D Seuffert (SPD) 4966C Dr. Besold (BP) 4967B Loritz (WAV) 4967B Ausschußüberweisung 4967D Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung überholter steuerrechtlicher Vorschriften (Nr. 2054 der Drucksachen) 4967D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Berichterstatter 4968A Ausschußüberweisung 4968C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevor- ratung (Nr. 2059 der Drucksachen) . . 4968C Ausschußüberweisung 4968D Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für verdrängte Angehörige des öffentlichen Dienstes (Nrn. 1287, 1882, zu 1882 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 1996 [neu] der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr. 92) . . . 4968D Kühn (FDP), Berichterstatter . . . . 4968D Arnholz (SPD) 4970B, 4971A Wackerzapp (CDU) 4970C Abstimmungen 4970A, B, 4972C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan XVI — Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen (Nr. 1917 der Drucksachen) 4972D Heiland (SPD), Berichterstatter . 4973A Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 4973D Wehner (SPD) 4976A Fisch (KPD) 4979A Dr. von Merkatz (DP) . . . . . 4980C Brookmann (CDU) 4981C Dr. Reif (FDP) 4982B Mellies (SPD) 4983A Beschlußfassung 4983C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Nrn. 1306, zu 1306 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2075 der Drucksachen, Um- druck Nr. 108) 4983C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 4983C Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter . . . . 4984C, 4990A, 4992A, B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4987C, 5001A Dr. Lukaschek, Bundesminister für ' Angelegenheiten der Vertriebenen 4989A Dannemann (FDP) 4989D Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) 4990B, D, 4994C, 4997C, 5012D, 5014C, 501'7A Dr. Wuermeling (CDU) : zur Sache. . . . . 4990B, 4996A, 5003A, 5007C, 5013D, 5014C, 5015B zur Geschäftsordnung . . . 5011B, 5017B von Thadden (DRP) 4990C, 499'7B, 5012A Farke (DP) 4991B, 5005D, 5015C Dr. Trischler (FDP) 4991C Dr. Miessner (FDP) . . . . 4995B, 4996D Freiherr von Aretin (BP) 4996C, 5012B, 5013B Matzner (SPD) 4998D, 5000D, 5009D, 5013A, 5013A, 5015A, 5016D Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP): zur Sache . . 5001C, 5009C, 5009C, 5012C 5014A, 5015A zur Geschäftsordnung 5017A Lücke (CDU) 5002B Henßler (SPD) 5002C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5004A, 5008D, 5010A Mellies (SPD) 5004C, 5011A Kuntscher (CDU) 5006C Dr. Horlacher (CSU) 5007B Dr. Dresbach (CDU) 5007D Dr. Kather (CDU) 5009A Fröhlich (BH-DG) . . 5010A, 5011C, 5016D Loritz (WAV) (Zur Geschäftsordnung) 5010D Gundelach (KPD) 5013C, 5016A Abstimmungen . . . 4989C, 4990C, 4991B, 4992B, 4995A, 4997A, 4998B, 5010C, 5011A, B, 5012D, 5013A, B, D, 5014A, D, 5015C, D, 5017A Weiterberatung vertagt 501'7D Nächste Sitzung 5017D Die Sitzung wird um 13 Uhr 34 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, dessen Haushalt heute beraten wird, müßte allgegenwärtig sein, wenn es seine Aufgaben erfüllen wollte, oder es müßte sich sozusagen um eine Art Überministerium handeln, denn jede Handlung der Regierung oder ihrer Teile müßte ja unter dem Gesichtspunkt gesamtdeutscher Verpflichtung stehen und geschehen. Was von der Regierung getan oder was von ihr unterlassen wird, hat in dieser oder jener Richtung gesamtdeutsche Auswirkung.
    Die behelfsmäßige Konstruktion, die das Kabinett in Gestalt des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen geschaffen hat, wird den Anforderungen, die an das Gesamtkabinett und an jedes einzelne Ministerium in dieser Hinsicht gestellt werden müssen, nicht gerecht. Dieses Ministerium ist — darauf hat meine Fraktion schon bei der Regierungsbildung hingewiesen — eine Fehlkonstruktion. Selbst wenn die Mitarbeiter dieses Ministeriums ,wesentlich höhere Ansprüche zu erfüllen imstande wären, als es bei der jetzigen Zusammensetzung der Fall ist, würden damit nicht die Nachteile dieser Fehlkonstruktion aufgehoben. Es ist eben eine Fehlkonstruktion an sich, denn dieses Ministerium ist ein Abstellgleis geworden für Angelegenheiten, die man in der täglichen Arbeit des Gesamtkabinetts oder der Ressortministerien nicht erledigt oder zum Teil nur mit Verspätung und allzuhäufig auch nur deklamatorisch behandelt.
    Daß diese Fehlkonstruktion an sich auch eine Fehlkonstruktion in sich selbst ist, ergänzt nur dieses Bild. Man kann nicht aus der Not eine Tugend machen. Aus der Not des schmerzlich empfundenen Fehlens einer gesamtdeutschen Konzeption und Politik der Regierung kann nicht durch die Massenproduktion von Reden, Schriften und Traktätchen eine Tugend gemacht werden. Dieses Ministerium ist belastet und leidet leider auch durch seine Verkoppelung mit Grenzlandfragen, für die seine Abteilung III zuständig ist.
    Es hat mit seiner Abteilung II, der Vertretung des Bundesministeriums in Berlin, weniger als nur eine halbe Lösung produziert. Wenn es im Vorwort zum Haushalt heißt, den besonderen Erfordernissen der Stadt Berlin sei durch die Errichtung einer Abteilung des Bundesministeriums in Berlin Rechnung getragen worden, so steht diese Behauptung mit den Erfahrungen leider im Widerspruch. Das Verhältnis der Bundesrepublik zu Berlin hat sich im Grunde genommen nur unbefriedigend verbessert, denn nach wie vor muß um die Festlegung des Sitzes s einer jeden Bundesbehörde gestritten werden. Wir sind leider noch weit davon entfernt, Berlin in allen Angelegenheiten als 12. Land der
    Bundesrepublik zu behandeln. Gestern fiel hier an dieser Stelle das Wort von der Staatsräson. Es war der Herr Bundesminister für das Post- un d Fernmeldewesen, der es gebrauchte, um zu erklären, warum er, der seinerzeit gegen die Bestimmung Bonns als vorläufige Hauptstadt war, sich nun mit ziemlich kostspieligen Bauprojekten in Bonn befaßt. Er sagte, aus Gründen der Staatsräson habe er diesen Standpunkt geändert. Hoffentlich greift der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen nicht zu einer ähnlichen Erklärung, wenn er gefragt wird, wie es kommt, daß der Widerspruch zwischen Erklärungen aus Kreisen der alliierten Oberkommissare und Erklärungen aus Kreisen der Bundesregierung noch keine befriedigende Aufklärung gefunden hat, ein Widerspruch, der darin besteht, daß von alliierter Seite wiederholt gesagt worden ist, es bestünden keine unübersteigbaren Hindernisse mehr, daß Berlin auch de jure 12. Land werde, sofern dieser Wunsch von der Bundesregierung ausdrücklich und nachdrücklich erhoben werde. Die maßgehenden Stellen der Bundesregierung sind wiederholt darauf angesprochen worden. Es gibt keine unmißverständliche Darlegung der Gesichtspunkte und Handlungen in dieser Beziehung.
    An der Spitze einer Aufzählung seiner Aufgaben führt das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen die Vorbereitung aller Maßnahmen auf, die der Wiederherstellung der deutschen Einheit dienen. Aber nachdem die Bundesregierung in der bekannten Erklärung vom 21. Oktober 1949 zur Bildung der Sowjetzonenregierung Stellung genommen hatte, verstrichen fünf Monate, bis der Bundeskanzler in einer Presseverlautbarung den Vorschlag für allgemeine, freie Wahlen in sämtlichen Besatzungszonen öffentlich machte. Leider geschah das nur in der wenig verbindlichen Form einer Presseverlautbarung und leider erst nach einem vorausgegangenen Schritt des amerikanischen Oberkommissars McCloy.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dann aber bedurfte es erst wieder des Druckes der Tatsache der sowjetzonalen Terrorwahlen vom 15. Oktober vergangenen Jahres, ehe der Initiative Dr. Schumachers entsprochen wurde, den Wiedervereinigungswillen, das stärkste Moment in unserer politischen Wirklichkeit, im deutschen Volk offensiv werden zu lassen. Sehen Sie, meine Damen und Herren, da ist ein Punkt: fehlende Initiative. Dazu mögen einige Hinweise gestattet sein. Nachdem es möglich war, der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone im Zusammenhang mit den Terrorwahlen zu zeigen, daß wir mit ihr fühlen und zu ihr stehen und — etwas mehr noch als das — wie wir politisch denken, war damit diese Aktion zunächst einmal wieder abgeschlossen. Nach der sogenannten Außenministerkonferenz von Prag bedurfte es erst der Auswertung der Prager Beschlüsse durch die sowjetzonalen Behörden und durch eine Partei, die außerhalb des Gebietes besteht und agiert, in dem das Grundgesetz gilt, bevor man sich hier mit dieser Frage und mit den Konsequenzen der Prager Beschlüsse für die deutsche Politik befaßte.
    Meine Damen und Herren, es kommt aber noch schlimmer. Die Erklärung, die dieses Haus am 14. September vorigen Jahres einstimmig angenommen hat, enthält unter anderem zwei Punkte. In dem einen wurde von der Regierung verlangt, daß sie Gesetzesvorlagen unterbreitet, damit man gegen solche Personen und Kreise gesetzlich vorgehen kann,


    (Wehner)

    die sich an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der sowjetischen Besatzungszone beteiligen.
    In dem zweiten Punkt wurden Gesetzesvorlagen
    refordert, damit man gegen solche Personen und reise gesetzlich vorgehen kann, die die damaligen schlüsse des dritten Parteitags der sogenannten SED und des kommunistischen Nationalkongresses, die im sogenannten nationalen Widerstand gipfelten, vertreten wollen. Wir haben bis heute die damals geforderten Vorlagen nicht gesehen. Niemand wird behaupten können, daß die Wirklichkeit solche gesetzlichen Maßnahmen nicht erfordere. Das Haus hat damals ja schließlich nicht umsonst solche Beschlüsse gefaßt. Gewiß ist es nicht allein Sache des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen; aber hier sehen Sie doch, daß es nicht überspitzt war, wenn ich am Anfang sagte: dies ist leider eine Fehlkonstruktion und bietet keinen Ersatz für eine Koordinierung der Maßnahmen, die eigentlich auf allen Gebieten mit derselben Blickrichtung zu treffen wären. Wenn man sich hier nun darauf berufen wird, daß das Justizministerium die Vorlagen hätte einreichen müssen, so wird für uns bei dieser unglücklichen Fehlkonstruktion doch immer wieder das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen dasjenige sein, an das wir uns halten müssen, das wir fragen müssen, das wir in diesem Fall fragen müssen, was es getan hat, um endlich diese Gesetzesvorlagen zu veranlassen.
    , Es gibt viele Gebiete, auf denen sich vor allem die Gegner der deutschen Wiedervereinigung, die Akteure für die Errichtung einer Diktatur in diesem Teil Deutschlands und für die Umwandlung Deutschlands in eine sowjetische Provinz austoben können, ohne daß das zum Schutze der Einwohner Notwendige geschieht, ohne daß etwas geschieht, sie davor zu bewahren, auf den Leim zu gehen, wenn sie im einzelnen nicht beurteilen können, was ihnen vorgespiegelt wird. Auf dem Gebiet des illegalen Interzonenhandels merkten wir wenig von einer wirklichen Initiative, von einem wirklichen Handlungswillen seitens der Organe, obwohl im Sommer von diesem Hause mit großer Mehrheit entsprechende Beschlüsse gefaßt worden sind.
    Oder nehmen wir ein anderes, vielleicht unwesentlich erscheinendes Beispiel. Die Bevölkerung wird im unklaren darüber gelassen, welche Bedeutung es hat, wenn sich z. B. irgendeine sowjetzonale Stelle an eine große Zahl von Einwohnern dieses Teiles Deutschlands wendet und sie auffordert, bei irgendeiner Bank Uraltkonten anzumelden. Dann kriegen diese Leute plötzlich Propagandamaterial von dieser Bank, von der wahrscheinlich viele nicht gewußt haben, daß sie eine sowjetzonale Bank ist. Es wird ihnen dann — ich könnte es Ihnen vorlesen, aber die Redezeit ist zu beschränkt — vorgesetzt, wie bedeutsam diese sowjetzonale Republik sei, und wie hoch man das in sie gesetzte Vertrauen einschätze. Keiner von denen, die an die Bank geschrieben hatten, hat damit ein Vertrauen zu dieser sowjetzonalen Pseudorepublik bekunden wollen; aber es wird so ausgenutzt. Das Ministerium hätte es vorher wissen und sagen müssen, was man tun kann und was man nicht tun soll, damit der Bürger etwas hat, an das er sich in solchen Fragen halten kann.
    Auf Grund dieses Mangels an Initiative und Handlungsfreudigkeit können sich auf diesem Gebiet anonyme und halbanonyme Organisationen ausbreiten, deren Tätigkeit wir mit Unruhe beobachten. Man weiß von diesen Organisationen nicht, wer eigentlich hinter ihnen steht, wer sie finanziert, wem sie in letzter Instanz verantwortlich sind. Es sind Organisationen, die sich nicht einreihen wollen und wahrscheinlich auch gar nicht einmal in eine gemeinsame Arbeit der legitimen demokratischen Organisationen dieses Volkes einreihen können im Kampf um seine Wiedervereinigung. Diese Organisationen arbeiten sozusagen desperadomäßig. Ich denke dabei an die Verbreitung von Pamphletsendungen mit dem Kopf „Deutsche Freiheitsliga", von der niemand weiß, wer sie eigentlich ist, und die manchmal Parolen ausgibt, mit denen sich, wenn man die großen demokratischen Parteien dieses Hauses oder andere große demokratische Organisationen fragt, niemand einverstanden erklären kann. So hat diese „Deutsche Freiheitsliga" kürzlich eine Losung ausgegeben, die einmal der kommunistische Rotfrontkämpferbund erfunden hat, nur leicht retuschiert: „Schlagt die Stalinisten, wo ihr sie trefft!". Wir können aber keine Rotfrontkämpferlosungen gebrauchen, auch nicht in solcher Retusche; wir wollen sie nicht haben in der Politik.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Aus Mangel an Initiative und aus Mangel an Koordination seitens der Stelle, über die wir heute hier sprechen müssen, kommen die großen Organisationen leider in viel zu geringem Maße zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit, und wir haben dann das Wirken von Elementen zu verzeichnen, die aus undurchsichtigen Kanälen gespeist werden. Nehmen wir z. B. den sogenannten Bund Deutscher Jugend, eine Organisation mit einigen hundert Mitgliedern, die über unerhörte Geldmittel zu verfügen scheint, und die auch zu jeder ihr genehm erscheinenden Zeit mit politischen Losungen kommt, mit denen die legitimen demokratischen Jugendorganisationen in der Regel nicht viel oder gar nichts zu tun haben wollen; aber sie tobt sich auf diesem Gebiet aus.
    Oder nehmen wir, was eine ganz besonders üble Zeiterscheinung ist, diese grünen Listen eines angeblichen „Aktionskomitees gegen die fünfte Kolonne", deren Verfasser ausdrücklich erklären, sie wollen anonym bleiben um jeden Preis, weil sie sich den Stalinisten nicht zeigen wollen.

    (Abg. Renner: Fragen Sie mal den Herrn Kaiser, wer das finanziert! — Weitere Zurufe von der KPD.)

    Wenn nun in diesen Listen, in denen Namen angeblicher Agenten kommunistischer Tarnorganisationen „sorgfältig geprüft" wiedergegeben werden, bei der Prüfung durch ehrenwerte Leute — wie es in einem der vielen mir zugegangenen Briefe steht — eine Menge Unrichtigkeiten, ein ziemlich hoher Prozentsatz grober Unrichtigkeiten gefunden wird, dann muß man vor dem Tun und Treiben solcher Organisationen warnen., Denn diese Organisationen— lassen Sie mich das sagen — machen mit umgekehrtem Vorzeichen das, was die Masse von halbanonymen kommunistischen Tarnorganisationen tut: Sie zersetzen die Demokratie, sie diskreditieren deren legitime Organe und deren legitime Organisationen.
    Wir haben weder Lust noch Zeit dazu, diese unsere Demokratie auch noch von einer anderen Seite annagen und zersetzen zu lassen und in dieser Beziehung einen Zwei-Fronten-Kampf führen zu müssen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es wäre eigentlich meine Pflicht — ich bin ja Vorsitzender des Ausschusses für gesamtdeutsche


    (Wehner)

    Fragen —, einen der Briefe, den ein hoher Funktionär einer Gewerkschaft der Bundesrepublik mir gegeben hat, vorzulesen, mit dem er versuchte, einige Leute zu rehabilitieren, die in diesen grünen Berichten unwiderruflich als „Agenten" bezeichnet worden sind. Der Brief ist zurückgekommen. Die Deckadressen, die jedesmal wechseln, sind einfach nicht verbindlich. Auf diesem Brief steht „nicht abgefordert". Man kann also heute in Deutschland, genau so wie von der kommunistischen Seite aus sogenannte Steckbriefe verbreitet werden, in denen Mordhetze gegen Deutsche betrieben wird, auch von anderen Seiten eine Art von Diskriminierung betreiben, ohne daß offenbar die entsprechenden Stellen die Kraft haben, etwas dagegen zu unternehmen.

    (Zuruf von der KPD: Die stecken dahinter! — Weitere Zurufe von der KPD.)

    — Mit den Vertretern der Partei der Mörder in diesem Lande diskutieren wir über diese Fragen nicht.

    (Beifall bei der SPD. — Lachen und Zurufe bei der KPD.)

    Wir sprechen hier darüber, wie wir es verhindern können, daß in diesem Teile Deutschlands ebenfalls Zustände herbeigeführt werden, die durch Waldheim, durch Bautzen und durch die Massenhinrichtungen und Massenquälereien von Menschen gekennzeichnet sind; darüber sprechen wir!

    (Erneute Zurufe von der KPD.)

    Solchen Organisationen, deren Herkunft kaum festzustellen, bestenfalls zu erraten oder mit sehr mühseligen Untersuchungen zu ermitteln ist, müßte doch das Wasser abgegraben werden dadurch, daß das in Frage stehende Ministerium auf diesem Gebiet nicht nur die Ermittlungsarbeit leistet und die Bekämpfung solcher undemokratischen Umtriebe leitet, sondern daß es das Wesentlichste tut: nämlich den Organisationen, die gesund sind — den gewerkschaftlichen Organisationen, den Zusammenschlüssen von jungen Menschen, von Frauen und anderen —, ohne sie gleichschalten zu wollen, das notwendige Informationsmaterial über das gibt, was in der sowjetischen Besatzungszone geschieht. Das würde dazu beitragen, daß sie freiwillig, von sich aus etwas mit tun im Kampf um die Wiedervereinigung Deutschlands und im Kampf um die Beseitigung der Zustände, wie sie heute in der sowjetischen Besatzungszone unserem Volke aufgezwungen sind, um die Beseitigung von Bautzen mit seinen 6000 politischen Gefangenen, von denen über 1000 tuberkulös sind, ohne daß ihnen ärztliche Hilfe zuteil wird,

    (erneute Zurufe von der KPD)

    von Waldheim, wo man 38 Menschen hingerichtet hat, ohne daß sich — das lege ich dem Ministerium nicht zur Last, aber man muß es in diesem Zusammenhang sagen — dieser Teil Deutschlands darüber besonders erregt hätte.

    (Zuruf von der KPD: Es ist ja alles Schwindel, was Sie hier vormachen!)

    — Es ist ein Trauerspiel, daß diese Leute, die die Vertreter der Mörderpartei in Deutschland sind, hier erklären können, es sei Schwindel, wenn man sage, es würden in Deutschland Menschen gemordet.

    (Beifall bei der SPD. — Erneute Zurufe von der KPD.)

    Von den Insassen der sowjetischen Konzentrationslager sind nach deren formeller Auflösung 3500
    Mann nach Waldheim gekommen und dort in summarischem Verfahren abgeurteilt worden. Davon sind 38 am Ende des Jahres 1950 hingerichtet worden.
    Wenn wir uns jetzt einmal fragen, und zwar ohne irgendwelchen propagandistischen Beigeschmack, was wir eigentlich dazu getan haben, damit dies jeder einzelne weiß, so müssen wir alle zusammen wahrscheinlich antworten: wir haben viel zu wenig getan. Aber im Zusammenhang mit der Behandlung des Etats dieses Ministeriums muß es noch einmal gesagt werden.
    Der Herr Minister hat vorhin darauf hingewiesen, daß sein Ministerium die Bestrebungen unterstütze, eine eigene Welle für die Sendestationen der Bundesrepublik zu bekommen, über die man den deutschen Standpunkt zur Wiedervereinigung unseres Landes durch freie Wahlei nach der sowjetischen Zone und auch anderswohin wirklich vermitteln kann. Während ein solches Ansuchen — ein legitimes Ansuchen, kann man wohl sagen — von seiten der Rundfunkintendanten seit geraumer Zeit vorliegt, ohne daß bisher eine positive Entscheidung gefällt worden ist, gibt es auf diesem Gebiet eigentümliche Erscheinungen, sogenannte Schwarzsender, Geheimsender von Organisationen, die ich vorhin angedeutet habe. Wir können eines Tages gar nicht wissen, was für Provokationen man in diesen Geheimsendungen zusammengeschwätzt hat. Es ist unmöglich, daß sich das eine Regierung bzw. ein Ministerium, das zu diesem Zweck gebildet worden ist, länger mit-ansieht;

    (Zurufe von der KPD)

    es muß etwas in dieser Beziehung tun.
    Ich muß zum Schluß kommen. Wenn das Ministerium den Versuch gemacht hat, aktiv zu werden, indem es eine Fülle von Aufklärungsschriften herausgegeben hat, so möchten wir darauf hinweisen — nicht etwa, damit das Ministerium wieder inaktiv, sondern damit es in der richtigen Richtung aktiv werde —, daß es nicht Sache des Ministeriums sein kann, eine Massenproduktion von Schriften, Broschüren, Plakaten usw. zu betreiben, sondern daß es seine Aufgabe darin erblicken müßte, alles zu wissen und alles zu erfahren, was mit den Menschen aller Berufsschichten in der sowjetischen Besatzungszone geschieht, um es den Menschen in den großen demokratischen Organisationen und im letzten Haus hier in diesem Teile Deutschlands zu vermitteln. Dies geschieht am besten durch die Transmission der großen demokratischen Organisationen, damit diese nicht lediglich — in dieser Gefahr stehen sie jetzt — Briefträger für die vom Ministerium produzierte Literatur sind, sondern damit sie, selbst angeregt, die große Kraft, die diesen demokratischen Organisationen doch innewohnt, in voller Breite im Kampf um die Wiedervereinigung entwickeln können. Aber das Ministerium hat in dieser Beziehung leider eine unglückliche Hand. Ich will nicht sagen, es habe es darauf angelegt — aber man hat manchmal den Eindruck, als ob es so sei —, sich gerade mit den Organisationen schlecht zu stellen, ohne die man sich den Kampf um die Wiedervereinigung und den Kampf gegen die Zersetzung durch die sowjetische Infiltration schlechterdings nicht vorstellen kann. Ich denke etwa an solche Broschüren „Rote Flut" und ähnliche Geschmacklosigkeiten, die in diesem Falle im Titel und im Mangel einer Vorstellung von der psychologischen Wirkung liegen. Das sollte bei dieser Gelegenheit gesagt werden, damit die Arbeit


    (Wehner)

    verbessert werde, selbst wenn sie auf dem Boden einer Fehlkonstruktion entwickelt werden muß. Ein großer Teil dieser Arbeit muß gemeinsam getan werden, damit sie verbessert wird; und sie muß wesentlich verbessert werden, wenn wir den Erfordernissen gerecht werden wollen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fisch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Mein Vorredner möge nicht erwarten, daß ich auf seine Ausführungen hier eingehe.

    (Lachen bei der SPD.)

    Ich möchte nur ein Wort sagen. Wenn es der Fraktion der SPD mit den Fragen, die hier vorgetragen worden sind, ernst ist, dann möge sie nur zur nächsten Debatte einen anderen Redner vorschicken, einen Redner, der über den Vorwurf erhaben ist, er müsse alle schmutzigen Geschäfte darum tun, weil er ein Renegat ist. Der Herr Vorredner möge etwas vorsichtig sein. Es könnte sonst passieren, daß meine Fraktion gezwungen ist, einige Akten über seine Vergangenheit zu öffnen.

    (Zuruf von der SPD: Frechheit!)

    Es könnte dazu führen — ich sage das mit aller Deutlichkeit —, daß sich alle anständigen Menschen hier in diesem Hause mit Ekel von diesem Menschen abwenden werden.

    (Lebhafte Zurufe von der SPD. — Unruhe. — Glocke des Präsidenten. — Weiterer Zuruf von der SPD: Ihr habt es nötig!)