Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf Drucksache Nr. 2058 will bekanntlich die Härten und Ungerechtigkeiten bei der Rentenberechnung der Bergleute mit langer bergmännischer Tätigkeit beseitigen. Meine politischen Freunde und ich begrüßen den Gesetzentwurf, da durch ihn ein in der Tat bestehendes großes Unrecht in der Rentenberechnung der Bergarbeiter aus der Welt geschafft werden soll, ein Unrecht besonders gegenüber den alten Bergleuten, die 35, 40 und mehr Jahre im Bergbau ihre Pflicht getan und Beiträge an die Knappschaft entrichtet haben.
Wir bedauern jedoch, daß der Gesetzentwurf dem Bundestag erst heute vorgelegt wird, und zwar besonders deshalb, weil zwischen den beiden Sozialpartnern in der Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften schon vor einem Dreivierteljahr eine übereinstimmende Auffassung bezüglich der Dringlichkeit dieser Frage erzielt wurde. Leider jedoch wird von diesem Gesetzentwurf nur ein kleiner Teil der Knappschaftsrentner betroffen. Wir bedauern auch, daß das Arbeitsministerium nicht die von der Industriegewerkschaft Bergbau und der
Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften – in der doch bekanntlich die Arbeitnehmer ebenso wie die Arbeitgeber vertreten sind — übereinstimmend aufgestellte Forderung berücksichtigt hat, nämlich die Forderung einer Rentenberechnung nach dem jetzt gezahlten Lohn, d. h. nach einer gleitenden Rente. Wir bedauern das um so mehr, als der Herr Bundesarbeitsminister in den verschiedensten Erklärungen vor der Öffentlichkeit immer wieder darauf Bezug genommen hat, daß möglichst alle Beziehungen der Sozialpartner zueinander durch diese selbst geregelt werden sollten. Deshalb, meinen wir, hätte auch der übereinstimmenden Auffassung der Sozialpartner Rechnung getragen werden sollen.
Doch nun zu dem Gesetzentwurf und seiner Begründung. Der § 1 bezweckt eine Änderung des § 7 der Verordnung vom 4. Oktober 1942. Durch die bisherige Regelung wurde, wie auch der Herr Bundesarbeitsminister schon ausführte, die Höhe der auszuzahlenden Renten auf 80 bzw. 90 % des monatlichen Durchschnittsverdienstes während der gesamten bergmännischen Tätigkeit begrenzt. Das bis jetzt geltende Recht hat sich praktisch so ausgewirkt, daß die über das 31. bzw. 35. Beitragsjahr hinaus gezahlten Beiträge nutzlos gezahlt wurden und keine Erhöhung der Rente zur Folge hatten. Da auch wir diese Regelung als eine Ungerechtigkeit und als eine unbillige Härte ansehen, stimmen wir der Änderung vollinhaltlich zu. Aber es muß dazu auch noch gesagt werden, daß es diese Begrenzungsvorschrift, die in der Verordnung aus dem Jahre 1942 enthalten ist, in keiner anderen Rentenversicherung gibt. Auch in der Knappschaft hat es vor dem Jahre 1943 diese Begrenzungsvorschrift nicht gegeben.
-Ebenso stimmen wir dem Abs. 2 zu, der eine Änderung des § 1 Abs. 3 b des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes vorsieht, da dadurch der bisherige Unterschied zwischen den einzelnen Versicherungsfällen vor und nach der Verkündung des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes beseitigt wird. Aber, meine Damen und Herren, ich sagte schon: wir hätten es begrüßt, wenn der Vorschlag der Gewerkschaften auf eine Rentenberechnung nach dem heute verdienten Durchschnittslohn von der Regierung berücksichtigt worden wäre. Es ist doch einfach nicht vertretbar, daß bei der Rentenberechnung ein Lohn zugrundegelegt wird, der vor 25 oder 30 Jahren verdient wurde. Das Verhältnis zwischen gezahltem Lohn von heute und gezahlter Rente von heute verschlechtert sich doch nach jeder neuen Lohnerhöhung. Die Renten stehen heute noch auf dem Stand des Jahres 1949. Die Löhne sind in der Zwischenzeit sehr wesentlich gestiegen, und man kann doch sagen, daß die Renten bei der Berechnung nach den damals gezahlten Löhnen eigentlich um rund 50 % niedriger liegen als die Löhne, wie sie heute gezahlt werden. Durch die damals gezahlten niedrigen Löhne wird naturgemäß auch bei der Errechnung der Rente der Durchschnittslohn heruntergedrückt, und der Leidtragende ist in jedem Fall der alte Bergmann. Ähnlich liegen die Dinge doch auch bei den Bergbauangestellten. Auch hier berechnet sich der Durchschnittsverdienst nach den dreißig oder mehr Jahren der Tätigkeit des Angestellten mit Einschluß der Jahre, in denen er als Schlepper, Lehrhauer oder Hauer gearbeitet hat.
Wir meinen, daß, wenn die Regierung dieser Forderung entsprochen hätte, auch auf der finanziellen Seite keine Schwierigkeiten entstanden wären; denn nach Angaben der Knappschaft
ist infolge der Lohnerhöhungen in den verflossenen Monaten und Jahren die finanzielle Seite vollständig geregelt. Ich glaube, da durch dieses Gesetz nur ein kleiner Teil der Knappschaftsrentner betroffen wird, sollten wir uns überlegen, ob vielleicht im Ausschuß die Frage, wie sie von der Industriegewerkschaft Bergbau und von den Knappschaften gestellt wurde, nicht einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen ist.
Nun, meine Damen und Herren, noch einige Worte zur Begründung des Gesetzes. Die Regierung sagt auf Seite 3 ihrer Begründung, daß im Vergleich zu den anderen Versicherungsträgern die Knappschaftsrentner eine etappenweise stetige Verbesserung erfahren haben. Ich glaube, das stimmt nicht ganz; denn auch in der Knappschaft hat es ein stetiges Auf und Ab gegeben. Ich erinnere nur an das Gesetz zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Knappschaft vom 7. 12. 33, in dem eine Verschlechterung für die Knappschaftsrentner durchgeführt wurde. Es erscheint uns auch nicht gut, wenn in der Begründung gesagt wird, daß die Bergarbeiter in ihrer Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung an der Spitze aller Arbeitnehmer stehen, demgegenüber aber mit ihren Beiträgen kaum stärker ais die anderen Versicherten außerhalb des Bergbaues betroffen werden. Gewiß, meine Damen und Herren, das ist an sich richtig, aber wir müssen doch einsehen, daß neben den 8 %, die der Bergmann von seinem Lohneinkommen in die Knappschaft zahlt, auch die 14,5 % Arbeitgeberanteil ein Teil des Lohnes sind, der wie alle anderen Unkostenfaktoren und Betriebsunkosten von den Beschäftigten mit ihrer Hände Arbeit erarbeitet und dann auch auf den Preis . umgelegt wird.
Auf der anderen Seite steht doch fest, daß die Bergarbeiter durch ihre Knappschaft schon seit Jahrzehnten an der Spitze aller Rentenbezieher gestanden haben. Ich glaube, es sollte einmal ganz klar zum Ausdruck gebracht werden: wie will man das Nachwuchsproblem im Bergbau denn lösen, wenn man dem Bergmann in Anbetracht der Schwere und Gefährlichkeit seiner Arbeit und seines Berufs nicht eine gewisse Sonderstellung zubilligt? Wie will man die von unserer gesamten Volkswirtschaft geforderte Fördersteigerung erreichen, wenn man dem Bergmann nicht das Gefühl der Sicherheit bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gibt?
Meine Damen und Herren, beachten Sie doch bitte folgendes. Zwischen dem aktiven Bergmann und dem nicht mehr arbeitsfähigen besteht immer noch ein echtes Gefühl der Kameradschaft, und der aktive Bergmann beobachtet sehr scharf, was der Staat für den nicht mehr arbeitsfähigen leistet. Niemand wird wohl behaupten wollen, daß eine Durchschnittsknappschaftsrente von 130 DM pro Monat zum Leben ausreichend ist, wobei ich betone, daß ein erheblicher Teil von Knappschaftsrenten noch weit unter diesen 130 DM liegt.
Ich glaube, auch sagen zu dürfen, daß man nicht so achtlos an der Krisenstimmung im Industriegebiet vorübergehen kann, die sich besonders in den letzten Wochen sehr stark bemerkbar gemacht hat; denn an allen Orten finden Protestversammlungen der Invaliden und Witwen statt. Ich glaube, der Bundestag und auch die Bundesregierung sollten versuchen, das Rentenproblem im allgemeinen auf dem schnellsten Wege zu regeln.
Ebenso mutet es uns eigenartig an, wenn die Regierung in ihrer Begründung sagt, daß vom
Bund 150 Millionen Mark Zuschuß für die Knappschaft gegeben werden. Es muß doch darauf hingewiesen werden, daß die Knappschaft auch die Lasten von zwei Weltkriegen mit zu tragen hat. Dementsprechend gehen Rentenleistungen, die eigentlich von der Öffentlichkeit getragen werden müßten, zu Lasten der Knappschaft. Es muß auch gesagt werden, daß der Zuschuß des früheren Deutschen Reiches zu den Rentenleistungen der Knappschaft ohne die Kriegsfolgelasten fast annähernd so hoch war wie der Betrag, der heute vom Bund den Knappschaften zur Verfügung gestellt wird.
Sehr bedenklich erscheint uns aber auch der Satz in der Begründung, daß ein Bedürfnis für die Vorwegnahme einer allgemeinen Rentenerhöhung in der Knappschaft vor der in der anderen Rentenversicherung nicht besteht. Ich glaube, bei der Notwendigkeit der allgemeinen Rentenerhöhung, wie ich schon zum Ausdruck gebracht habe, hätte sich die Regierung diesen Hinweis in der Begründung sparen können.
Das sind die verschiedenen Beanstandungen, die wir zu der Regierungsbegründung vorzubringen haben. Im allgemeinen stimmen wir dem Antrag meines Vorredners aus der CDU auf Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik zu und hoffen, daß dadurch wenigstens dieses Teilproblem für die alten Knappschaftsrenten befriedigend und möglichst schnell gelöst wird.