Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon meine Vorredner haben betont, daß es sich bei diesem § 6 um das Kernstück der Vorlage handelt. Es handelt sich um nichts mehr und nichts weniger als um das Vorschlagsrecht für die Wahl der Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat. Es ist daher verständlich, daß die Beratungen darüber im Arbeitskreis der beiden Ausschüsse den breitesten Raum eingenommen haben, und die Fraktion der SPD hat keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß für sie der Begriff des Rechts auf Mitbestimmung in den Betrieben von der paritätischen Besetzung des Aufsichtsrats abhängig ist. In der Drucksache Nr. 1858 — das ist der Regierungsentwurf — ist die Sicherheit in dieser Beziehung in vollem Umfange gewährleistet.
Aber wenn man das Mitbestimmungsrecht abschwächen wollte, dann war die Formulierung gerade dieses Paragraphen die geeignetste Gelegenheit dazu. Bei vier von den fünf Vorschlägen im Arbeitskreis konnten wir denn auch nichts anderes feststellen als den Versuch, die Einflußnahme der Unternehmerseite durch die Ausschaltung der Ge werkschaften zu ermöglichen. Das und nichts anderes bezweckt auch der uns vorliegende Entwurf. Man tut so, als ob man wollte, und sucht gleichzeitig nach Mitteln und Wegen, die unangenehme Angelegenheit zu umgehen.
Herr Kollege Schröder, Sie sprachen eben von einer gewissen Klarheit. Ich habe bald den Eindruck, als wenn wir auch die letzte Klarheit des Gesetzes beseitigt hätten.
— Na, an Schlagworten dazu fehlt es ja nicht, und zwar ist wohl der Hauptgrund die stärkere Einschaltung der Arbeiter aus dem Betrieb.
Nun möchte ich folgendes feststellen. Die Arbeitnehmer werden doch gewiß irgendeinen Grund dazu gehabt haben, sich in den Gewerkschaften zusammenzuschließen.
Diesen Grund hätten sie wahrscheinlich nicht gehabt, wenn man dem Mann im Betriebe immer die Bedeutung und den Wert beigemessen hätte, den man ihm jetzt auf einmal zubilligen will.
Herr Kollege Dr. Wellhausen, Sie erwähnten eben, der Arbeitsdirektor sei eigentlich eine überflüssige Einrichtung, denn die Vorstandsmitglieder würden von sich aus die Belange der Arbeitnehmer wahrnehmen und gleichzeitig die Würde der Arbeitnehmer wahrnehmen.
— Oder wahren, gut! Ja, Herr Kollege Dr. Wellhausen, wir sind inzwischen vom 19. Jahrhundert
ins 20. Jahrhundert gekommen, und es ist ja nun
nicht mehr so, als wenn wir einen Betrieb hätten,
bei dem der wirkliche Unternehmer als der Vater
darüber schwebte und nun jedem gäbe, was ihm zukäme. Heute haben sich die Dinge doch wesentlich geändert. Die Zeit ist vorangeschritten, und manchmal schreiten sogar die Menschen mit voran.
Zur Erklärung will ich auf die Äußerungen des Herrn Dr. Seelos eingehen, der vom Unternehmer sprach. Meine Herren, wollen Sie mir in den Industrien, von denen hier die Rede ist, den Begriff „Unternehmer" definieren?
Und wenn vom kollektivistischen Denken gesprochen wird, Herr Kollege Dr. Wellhausen: Ich habe manchmal so das Empfinden, daß das kollektivistische Denken auch auf der anderen Seite ist, nur mit umgekehrtem Vorzeichen.
— Doch, gibt es, Herr Dr. Wellhausen.
Aus dem einfachen und eindeutigen § 5 des Regierungsentwurfs hat man im § 6 der Vorlage des Ausschusses ein kompliziertes Verfahren zur Ermittlung eines Wahlkörpers entwickelt. Begründung: Es sollte ein Gegenstück zur Hauptversammlung, dem Wahlkörper der Anteilseigner, sein. Es ist eigentlich die Frage berechtigt: Wird dieser Wahlkörper auch jedesmal einberufen, wenn die Wahlversammlung, also die Generalversammlung, einberufen wird? Nein, meine Damen und Herren! Ich glaube, mit diesem Wahlkörper hat es nur den einen Sinn und den einen Zweck, den ich Ihnen ) eben schon geschildert habe.
Nach § 6 Absatz 3 der Vorlage dürfen die Gewerkschaften mit den Betriebsräten die Wahlvorschläge beraten. Ich würde mich als Mitglied des Wahlkörpers, wenn ich zu den restlichen zwei Dritteln gehörte, dagegen wehren, zu dieser Beratung nicht hinzugezogen zu werden. Denn letzten Endes: was dem einen recht ist, würde doch dem andern billig sein. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß das Gesetz zu früh gekommen ist. Man hätte vor Zustandekommen dieses Gesetzes ein Antigewerkschaftsgesetz beraten müssen.
Wahrscheinlich wäre man dann mit diesem Gesetz besser hingekommen.
Es wird jetzt so hingestellt, als müsse der Arbeiter im Betrieb Schutz vor seinen eigenen Gewerkschaften suchen.
Dieser Logik, meine Herren, kann ich tatsächlich nicht mehr folgen.
Wollen Sie denn vielleicht die Wirtschaftspolitik ohne die Gewerkschaften machen?
Wollen Sie vielleicht mit dieser Methode die Gewerkschaften aus der Verantwortung entlassen? (Zuruf rechts: Aus der Wirtschaftspolitik! — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Wer macht denn die Wirtschaftspolitik? Oder wer
soll sie machen, sagen wir lieber!) Meine Herren und namentlich Sie, Herr Kollege Rechenberg, wir werden sehr oft zitiert.
— Na, die Entwicklung, Herr Kollege von Rechenberg, nicht die Gewerkschaften, wird Sie schon zwingen, diesen Weg zu gehen, ob Sie wollen oder nicht.
Und Sie werden diesen Weg gehen mit den Gewerkschaften, sonst können Sie ihn nämlich nicht gehen!
— Ach, meine Herren, glauben Sie denn, daß die Gewerkschaften die Mitverantwortung und Mitarbeit übernähmen, ohne auch mitbestimmen zu können?
Soviel Dummheit dürfen Sie den heutigen Gewerkschaften nicht mehr zutrauen!
Die Entwicklung, in der wir uns befinden und die noch in unangenehmer Weise fortschreitet, zeigt doch, daß die Löhne den Preisen nicht mehr zu folgen vermögen.
— Augenblick! Wenn die Gewerkschaften verlangen, mitzubestimmen, müssen sie beweisen, daß sie dieses Recht auf Mitbestimmung haben, und das muß ich Ihnen ja beweisen. Die Lohnforderungen, die heute gestellt werden, sind unter Umständen morgen von den Preisen schon wieder überholt. Ich brauche nicht zu betonen, welche Schraube damit in Bewegung gesetzt wird. Die Gewerkschaften haben bereits unter Beweis gestellt, daß sie sich nicht scheuen und auch gewillt sind, Verantwortung zu übernehmen.