Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion wird die vorgelegte Verordnung ablehnen, und zwar deshalb, weil sie einen Bestandteil der von den Amerikanern befohlenen Kriegswirtschaftsmaßnahmen darstellt
und weil sie zum andern ausschließlich auf Kosten der werktätigen Bevölkerung, auf Kosten der Arbeiterschaft geht.
Die von der Regierung zu dieser Verordnung gegebene Begründung ist irreführend, sie entspricht nicht den Tatsachen. Ich möchte das beweisen. Es wird beispielsweise auf die sogenannte Selbstkostensteigerung gerade in der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie hingewiesen. Auf die Erhöhung der Lohnkosten wird besonders verwiesen. Demgegenüber steht aber fest, daß der Lohnkostenanteil in der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie offensichtlich zurückgegangen ist. In der „Welt" vom 24. Januar 1951 wird ein Bericht des Mitgliedes des Stahltreuhänderverbandes Dr. Deist veröffentlicht, in dem folgendes erklärt wird:
Bei den entflochtenen Werken habe sich trotz
der seit Oktober 1950 durchgeführten Lohnerhöhungen von 37 bis 38 % kein höherer
Lohnkostenanteil an der Fertigung, sondern
vielmehr eine Senkung ergeben.
Man kann feststellen, daß sich die pro-Kopf-undMonat-Leistung der Arbeiterschaft in der Rohstahlerzeugung in den gémischten Hüttenwerken vom Mai 1948 bis November 1950 von 4,7 auf 9,7 t, also auf fast das Doppelte erhöht hat. Diese Zahl ist ein Ausdruck der gestiegenen Ausbeutung im Interesse der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie. Sie ist auch ein Beweis für den Rückgang des Lohnkostenanteils, dagegen für die Steigerung des Reinertrags. Andere Zahlen beweisen dasselbe. In den neun ausgegliederten gemischten Hüttenwerken betrug der Reinertrag im Jahre 1948/49 29 Millionen DM oder 1,8 % des Bruttoumsatzes. Im letzten Geschäftsjahr 1949/50 betrug der Reinertrag in denselben neun Betrieben dagegen 69 Millionen oder 4,3 % des Bruttoumsatzes. Außerdem ist errechnet, daß ohne entscheidende große technische Veränderungen die Kopfleistungen der Arbeiterschaft gegenüber 1938 um 125 bis 130 % gestiegen sind.
Zur Kostensteigerung, die durch die Verknappung der Rohstoffe entstanden ist, ist folgendes zu bemerken. Es ist unmöglich, der deutschen Bevölkerung die Lasten aufzubürden, die durch den Raubexport der deutschen Kohle entstehen. Sie alle wissen, daß ein Viertel unserer Kohlenproduktion dem amerikanischen Zwangsexport unterliegt. Es ist unmöglich, die dadurch enstandene Kostenerhöhung, die aus der Verknappung des wichtigsten Rohstoffes resultiert, der deutschen Bevölkerung aufzulasten. Ebenso unmöglich ist es, die durch die Verknappung an Schrottbeständen verursachte Erhöhung der Herstellungskosten auf die Verbraucherschaft abzuwälzen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß die aus dieser Maßnahme der Regierung entstehenden Folgen sich nicht bloß direkt durch eine Abwälzung auf die Verbraucherpreise auswirken, sondern es ensteht auch ein stärkerer Druck auf die verarbeitende Industrie. Wir haben vorgestern einiges über die von der Bundesregierung geplante stärkere „Lenkung" der Investitionen gehört. Die Investitionen sollen in erster Linie in die kriegswichtige Industrie gelenkt werden, und die verarbeitende Industrie wird dabei vernachlässigt. Wir sehen bereits die Auswirkungen der Erhöhung der Rohstoffpreise in der verarbeitenden Industrie, nicht nur in der stärkeren Reduzierung der Arbeitszeit, —Präsident Dr. Ehlers: Ihre Redezeit ist abgelaufen.