Rede von
Dr.
Paul
Bleiß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten schon mehr als einmal Veranlassung, uns darüber zu beklagen, daß dem Hohen Hause Anträge auf Verlängerung befristeter Verordnungen und Gesetze erst kurz vor deren Fälligkeit vorgelegt werden. Für die Verwaltung ist es dann immer sehr bequem, auf die bestehende Zeitnot hinzuweisen. Ich glaube, ès spielt bei der Verwaltung mitunter auch die Überlegung eine Rolle, daß bei einer vorhandenen Zeitnot schnelle Arbeit auf Kosten der Gründlichkeit geleistet werden muß. Diese Methode der Verwaltung, das Hohe Haus immer wieder vor die Alternative des Entweder-Oder zu stellen, ist anscheinend besonders beim Bundeswirtschaftsministerium Tradition geworden; eine bedauerliche Tradition, gegen die wir vor der Öffentlichkeit erneut schärfste Verwahrung einlegen müssen.
Meine Damen und Herren! Diesmal werden uns — kurz vor Ultimo — gleich zwei Anträge auf Verlängerung der bis zum 31. März dieses Jahres befristeten Preiserhöhungen für Kohle und Stahl vorgelegt. Bei beiden Verordnungsentwürfen haben wir nicht nur die verspätete Vorlage, sondern vor allem auch die dürftige Begründung zu bemängeln. Wenn man die Drucksachen Nrn. 2037 und 2038 kritisch durchliest, hat man den Eindruck, daß sich das Bundeswirtschaftsministerium die Arbeit diesmal sehr leicht gemacht hat. Ich glaube, man muß eine Begründung als lapidar bezeichnen, die als Motiv für die Beibehaltung erhöhter Kohlepreise allgemeine Redensarten anführt, nämlich Verhandlungen über die wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen, oder wenn zur Begründung der Beibeihaltung höherer Stahlpreise gesagt wird, es entstehen Kostenerhöhungen dadurch, daß vorteilhafte Auslandserze zwar bestellt sind, aber nicht abgeholt werden konnten.
Meine Damen und Herren, ich habe schon mehrfach den Eindruck gewonnen, daß man im Bundeswirtschaftsministerium anscheinend auf dem Standpunkt steht, die Annahme von Preisvorschlägen durch die Koalitionsparteien werde letzten Endes auch dann erfolgen, wenn die kostenmäßige Notwendigkeit nicht in absolut schlüssiger Weise nachgewiesen wird. Von uns wird eine solche Methode der etwas labilen Nachweisung von Kosten auf keinen Fall akzeptiert. Wir haben im Dezember vergangenen Jahres gegen die damaligen Preiserhöhungen für Kohle und Stahl gestimmt, weil nach unserer Auffassung die Notwendigkeit von Preiserhöhungen für diese so wichtigen Grundstoffe nicht mit der erforderlichen Klarheit und Deutlichkeit bewiesen worden war. Wir hatten damals um weitere Informationen gebeten. Inzwischen sind drei Monate vergangen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte genügend Zeit, die damals angeforderten Unterlagen zusammenzustellen und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik vorzulegen. Das ist nicht geschehen. Wir tappen nach wie vor im Dunkeln. Das Ausbleiben genauer zahlenmäßiger Unterlagen hat uns veranlaßt, allgemeine Informationen einzuziehen. Auf Grund dieser allgemeinen Informationen sind wir nun zu der Überzeugung gekommen, daß sich in den vergangenen drei Monaten wesentliche Veränderungen im Kosten-Preis-Gefüge der Grundstoffindustrien nicht ergeben haben. Es' steht aber fest, daß ab 1. April 1951 die Zuschläge für Sonderschichten im Bergbau und die Regelmäßigkeitsprämie von 3% wegfallen und daß die Stahlindustrie vorsorglich Erhöhungen des Gaspreises einkalkuliert hat, die bisher noch gar nicht erfolgt sind.
Meine Damen und Herren, angesichts dieses Tatbestandes sind wir nicht in der Lage, der beantragten Verlängerung der Verordnungen über die erhöhten Kohle- und Stahlpreise zuzustimmen. Wir müssen erneut verlangen, daß das Hohe Haus endlich etwas genauere Information über die Kosten- und Ertragslage in den Grundstoffindustrien erhält. Nur dann ist eine wirklich einwandfreie Urteilsbildung möglich.