Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Das Pathos, mit dem der Herr Minister seine Schlußbemerkung umkleidete, daß die Regierung beabsichtige, das Volk vor dem Hunger zu bewahren, kann nicht von der Tatsache ablenken, daß diese Regierung den Hunger organisiert.
Es wäre zweckmäßiger gewesen,
wenn der Herr Minister zur Begründung seiner Vorlage zum Ausdruck gebracht hätte,
daß diese Vorlage ein Ausdruck der Katastrophenpolitik dieser Regierung ist. Es steht wohl einwandfrei fest und kann nicht bestritten werden — und ich glaube, es ist bekannt —, daß eine Getreidereserve für die Brotversorgung im Augenblick nur noch für einen Monat vorhanden ist. Es ist weiter bekannt, daß sehr ernste Bedenken hinsichtlich der Übergangsperiode bis zur neuen Ernte vorhanden sind.
Wenn der Herr Minister als Begründung für diese Lage u. a. angibt, daß die Notwendigkeit der Erhöhung der Getreidepreise sich aus der Preiserhöhung für Kunstdünger und für landwirtschaftliche Maschinen ergebe, so ist demgegenüber festzustellen, daß das nur ein Ergebnis der Politik der Liberalisierung, der Freigabe der Preise, ist.
Woher hätten sonst die Betriebe und die Industrie jene großen Milliardensummen für die Eigeninvestierung hernehmen können, wenn nicht durch die Freigabe der Preise und das Niedrighalten der Löhne solche Milliardenbeträge hätten herausgewirtschaftet werden können?
Der Herr Minister hat u. a. erklärt, die Begründung für die Erhöhung der Preise sei auch in der Weltmarktlage zu suchen. Meine Damen und Herren, wer sich in die Hände und die Klauen
der amerikanischen Milliardäre und Kriegstreiber begibt und deren Politik unterstützt,
der wird mit ihnen zusammen zugrunde gehen. Es ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen und kann von niemand bestritten werden, daß die amerikanische Kriegspolitik
eine solche Unordnung auf dem Weltgetreidemarkt ausgelöst hat, daß sogar die in den Handelsverträgen für Westdeutschland geplanten Einfuhrmengen in ihrer Lieferung absolut zweifelhaft geworden sind. Die Einfuhr aus anderen, nicht dollargebundenen Ländern würde bedeuten, daß das benötigte zusätzliche Getreide zu überhöhten Weltmarktpreisen nach Westdeutschland eingeführt werden müßte. Aber wieweit der Einfluß der Amerikaner in die Wirtschafts- und Ernährungspolitik eingreift, hat der Herr Minister selbst zugegeben, indem er erklärt hat, daß die Amerikaner die Anregung — wie er sich ausgedrückt hat — gegeben hätten, die Preise freizugeben. Wir glauben, es hätte den Amerikanern schon gefallen, „freie Preise", um damit ihre Gewinne aus eigenen lukrativen Geschäften auf Kosten der Konsumenten, der werktätigen Bevölkerung ins Ungeheure zu steigern. Das ist genau so charakteristisch wie die Tatsache, daß der Petersberg, als von Westdeutschland ein Vertrag mit einem Staat der Volksdemokratien über die Lieferung von 360 000 t Getreide abgeschlossen wurde, durch das Verbot der Lieferung von Industrieprodukten nach diesem Staat die Belieferung mit Getreide praktisch verhindert hat. Mit dieser Politik auf dem Ernährungssektor soll ein entscheidender Beitrag zur Finanzierung des amerikanischen Krieges und der Remilitarisierung geleistet werden und wird geleistet.
Wenn nun festgestellt worden ist. daß schon vor der Einbringung dieser Vorlage die Mehlpreise um rund 25 % gestiegen sind und die jetzige Erhöhung der Brot- und Getreidepreise zu einer weiteren Belastung von 15 bis 20 % für Brot und Brötchen führen muß, dann ist zu beachten, daß dabei noch nicht einmal /die Regierungsvorlage über die Umsatzsteuererhöhung eingerechnet ist. Wird sie wirksam, so wird eine weitere vermehrte Belastung der Verbraucher eintreten.
Meine Damen und Herren! Profitieren würde aus dieser Vorlage in erster Linie der Zwischenhandel; der Bauer wird davon das Allerwenigste bekommen.
Die Kosten für diese Erhöhung der Getreidepreise trägt das Volk. Ich möchte mich auf eine Bemerkung stützen, — —