Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der schmerzlichen Überzeugung, daß ein Versuch zur ernsthaften, gründlichen Auseinandersetzung mit den Problemen, wie sie wirklich liegen, aussichtslos ist, weil die Tatsachen, mit denen wir uns hier auseinanderzusetzen haben, offenbar noch nicht vor genügend Leuten mit dem genügenden Gewicht wirklich in Erscheinung getreten sind, aber in der Überzeugung, daß wir diese Auseinandersetzung in diesem Hause mit den letzten Konsequenzen sehr bald werden führen müssen, möchte ich mich für heute im Namen meiner Fraktion mit der Abgabe einer kurzen Erklärung begnügen.
Die Änderung der Festpreise für Brotgetreide im Laufe des Getreidewirtschaftsjahres und die dadurch verursachte Steigerung der Brotpreise stellen eine schwere Belastung der Lebenshaltung aller Brotverbraucher dar. Dafür bietet das jetzt schon unzureichende Angebot an Konsumbrot in Zukunft noch weniger einen Ausgleich, als es das nach der ersten Getreidepreiserhöhung und ihrer Auswirkung auf den Brotpreis getan hat. Zugleich ist die Erhöhung der Getreidepreise im gegenwärtigen Augenblick eine Benachteiligung aller der Erzeuger, die im Vertrauen auf das von diesem Haus beschlossene Marktordnungsgesetz und auf die von der Bundesregierung bekanntgemachten Festpreise ihr Getreide bereits verkauft hätten, ehe die durch die falschen Maßnahmen oder die Unterlassungen der Bundesregierung verursachte Mangellage die Spekulationspreise bildete, vor denen die Bundesregierung heute kapituliert.
Weder nach der einen noch nach der anderen Seite sind ausgleichende Leistungen seitens der Bundesregierung ernsthaft in Angriff genommen. Die einseitige Preiserhöhung, die gegen das für Erzeuger und Verbraucher gleichermaßen wichtige Prinzip stabiler Preise verstößt, ist völlig ungeeignet, den außerordentlich großen Gefahren zu begegnen, denen die Brotversorgung in den nächsten Wochen und Monaten ausgesetzt ist.
Sie ist auch nicht geeignet, die Bundesrepublik aus der Zwangslage zu befreien, in die sie durch die völlige Abhängigkeit von ausländischer Hilfe infolge der planlosen Getreidewirtschaft hineingekommen ist. Mit dieser Preisanordnung können die begangenen Fehler nicht ausgeglichen werden. Sie ist auch kein Ersatz für die längst notwendigen Maßnahmen, die die Regierung nicht zu ergreifen wagt, weil sie den Bankerott des geltenden Wirtschaftsprinzips zu klar erkennen lassen würden.
Die sozialdemokratische Fraktion bekennt sich erneut zu der Auffassung, daß der deutschen Landwirtschaft ausreichende Preise zugebilligt werden müssen. Sie sieht aber in der von der Regierung vorgenommenen Preisfestsetzung nicht den ernsten Versuch, zu einer richtigen Preisrelation zu kommen. Das beweist schon die Tatsache, daß auch von der Bekanntgabe der neuen Festpreise die tatsächliche Preisbildung unbeeinflußt geblieben ist. Solange das unkontrollierte Spiel der Kräfte fortgesetzt wird, welches man fälschlich „soziale Marktwirtschaft" nennt, wird der Landwirtschaft mit der einen Hand immer mehr genommen, als ihr mit der anderen Hand gegeben werden soll,
während die Verbraucher die Zeche für eine Agrarpolitik zahlen müssen, die eben keine ist.
Die SPD-Fraktion erwartet von der Regierung unverzüglich die Bekanntgabe aller der Maßnahmen, die zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Brot, Mehl und Teigwaren erforderlich sind, und ebenso Maßnahmen zur Sicherung einer Preisgestaltung, die der Kaufkraft der Verbraucher Rechnung trägt. Sie lehnt es ab, an einer Verschleierung der Tatbestände unter Verantwortung mitzuwirken, und stimmt deshalb der Preisanordnung nicht zu.