Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Zentrum begrüßt den Antrag der FDP. Die Zahl der Beispiele, die Herr Dr. Becker soeben genannt hat, ließe sich noch um ein Erkleckliches ergänzen. Ich kenne aus meiner eigenen Praxis Fälle, deren Abwicklung von Dezember bis Juni gedauert hat. Dabei war das städtischer Besitz. Man muß sich aber einmal überlegen, welche Verluste den Leuten dadurch entstehen, und daran denken, daß auch der sehr mangelhafte Wiederaufbau der Stadtkerne zum Teil darauf zurückzuführen ist, daß solche behördlichen Hemmungen bestehen.
Damit komme ich auf einen wesentlichen Punkt, der mir in dieser Formulierung unklar erscheint; er bedarf der Interpretation. Es heißt hier: „Maßnahmen zu treffen, um die zahlreichen Beschränkungen und ebenfalls das Genehmigungswesen usw. zu beseitigen". Beschränkungen! Es erhebt sich die Frage: sind damit nur Beschränkungen bezüglich des Eigentumswechsels gemeint oder auch Beschränkungen bezüglich des Eigentumsgebrauches? Ich möchte vor allem auf das Letztere hinweisen. Es ist erforderlich, daß auch das in eine einheitliche Norm gebracht wird. Ich erinnere bloß an den — inzwischen muß man schon sagen — groben Unfug der ewigen Bausperren. Sechs Jahre nach dem Kriege sind die Stadtplanungen noch nicht fertig geworden, ganze Stadtviertel können dadurch nicht wieder aufgebaut werden, abgesehen von den Verlusten, die die Eigentümer dabei haben. Es steht zu befürchten, daß auf diese Art und Weise die Leute stillschweigend bankrott werden und die Städte sich das so gewonnene Eigentum einverleiben.
Manche Gemeinden benutzen diese Genehmigungsmöglichkeit auch zur Erlangung privater Vorteile. Es sind Fälle vorgekommen, daß eine Stadtgemeinde eine Erledigung verweigert hat, weil sie selber das Grundstück kaufen wollte, obwohl nichts anderes vorlag. Ich bin der Ansicht, daß die Wohnsiedlungsgenehmigung im großen und ganzen gar nicht einmal notwendig ist, denn es ist vollständig gleichgültig, wer Eigentümer eines unter das Wohnsiedlungsgesetz fallenden Grundstückes ist.
Eine einfache Maßnahme, um eine Beschleunigung zu erzielen, ist die, von der Präklusivfrist Gebrauch zu machen, und ich möchte vorschlagen, das in der Beratung zu prüfen. Es ist eine sehr einfache Sache, wenn in dem Gesetz drinsteht: Ist die Genehmigung bis da und da hin nicht erfolgt, gilt sie als erteilt. Auf diese Art und Weise kann man den Behörden etwas Beine machen, und das scheint wirklich notwendig zu sein. Bei einer Überprüfung der Beschränkungen könnte man auch einmal dem noch aus der Nazizeit stammenden Grundgedanken zu Leibe rücken. Ich erinnere nur daran, daß in einem Paragraphen des Wohnsiedlungsgesetzes — ich glaube, es ist § 12 — noch die unentgeltliche Enteignung vorgesehen ist, die gegen unser heutiges Grundgesetz verstößt.
Bei dieser Gelegenheit muß ich noch auf einen Übelstand hinweisen, da hier einmal Gelegenheit ist, das zu sagen. Der Umstand, daß die Gemeinden nach demokratischer Selbstverwaltungsform regiert werden, schützt nicht gegen Übergriffe, insbesondere nicht gegen Ungerechtigkeiten, da auch eine demokratische Mehrheit sich erfahrungsgemäß oft ungerecht gebärdet. Manche Gemeinden benutzen die ihnen zustehenden Möglichkeiten im Sinne einer Bedrückung ihrer Bürger, die nicht mehr in die Zeit paßt. Sie benutzen vielfach die Möglichkeit von Bauverboten einzig und allein zu dem Zweck, die Leute mürbe und zum Verkauf willig zu machen. Ich kann Ihnen aus Westfalen eine Reihe von Städten nennen, die ihre Bauplanung lediglich deswegen nicht zu Ende bringen, weil die Baubehörden ganz einfach bestimmte Absichten mit den Grundstücken haben und die Leute erst bankrott gemacht werden müssen. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben.