Meine Damen und Herren! Ich will nicht mit dem Temperament des Herrn Vorredners versuchen,
in die Diskussion einzugreifen, sondern ich will mich bemühen, sie nach diesen deklamatorischen Erklärungen auf den großen Ernst zurückzuführen, der die Debatte bis dahin beherrscht hat. Ich glaube, es ist von Herrn Semler das sehr richtige Wort geprägt worden: Wir müssen sehr behutsam in die Dinge eingreifen, die wir nun zu bewältigen haben. Das „behutsam" bedeutet, insbesondere darauf zu achten, nun nicht von einem Extrem in das andere zu fallen.
Ich möchte die Regierung mit allem Ernst auf die Notwendigkeit hinweisen, ganz besonders darauf zu achten, nicht mit einer zu engen und mit einer zu gradlinigen Kreditpolitik nun auf dem Konsumgütersektor zu zerschlagen, was wir auf anderen Sektoren gewinnen wollen. Ich habe eine große Sorge, und, meine Damen und Herren, ich glaube, ich bin berechtigt, darauf hinzuweisen, denn ich war ja wohl einer von denen, die beizeiten immer gewarnt halben, die Dinge nicht nur von heute auf morgen, sondern möglichst auf einige Monate voraus zu sehen. Ich will damit sagen: Ich fürchte, daß wir in wenigen Monaten, wenn wir nun das Steuer zu einseitig umschlagen, in der Konsumgüterindustrie sehr wohl vor Problemen stehen können, die dann wieder ganz andere Fragen, nämlich die der Arbeitslosigkeit und als Folge von Verknappungen Preisbewegungen auslösen können.
Aber, meine Damen und Herren, nicht nur deswegen habe ich mich noch zum Wort gemeldet, sondern ich möchte auch noch davor warnen, daß die Regierung oder der Herr Bundeswirtschaftsminister allzu einseitig glaubt, daß wir in Deutschland unsere Situation nur mit dem Export zwingen und überwinden können. Nein, meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind richtig beraten, wenn wir uns über den ganzen Ernst unserer Lage und über die Schwierigkeiten, in die wir hineingekommen sind, klar werden; vielleicht haben sie den Ursprung doch auch darin, daß wir mit allzugroßen Hoffnungen nur das eine Ziel — die Ex-
portsteigerung — gesehen haben. Ich fürchte, daß wir bei allem Bemühen um den Export — und die Leistungen der Exportwirtschaft in der Vergangenheit sind mit Recht unterstrichen worden — mit dem Export allein die Lücke, die wir zu schließen haben, nicht werden schließen können. Ich bin auch vorsichtig genug, anzunehmen, daß wir nur mit den Maßnahmen des Engerschnallens und Kürzertretens der Lage nicht Herr werden können. Deswegen möchte ich, gerade von meiner Sicht aus, die Regierung mit allem Ernst darauf hinweisen, daß wir,, wenn wir wirklich in absehbarer Zeit ins Freie vorstoßen können, dann den anderen großen Sektor der Produktion in Deutschland nicht vergessen dürfen: die Landwirtschaft.
Meine Damen und Herren! Ich habe die Furcht, daß wir — und da spreche ich insbesondere auch zu Ihnen, meine Herren der Linken — in einer feindlichen Einstellung oder vielleicht richtiger gesagt — „feindlich" ist zu hart — in einer zu kritischen Einstellung gegenüber der Landwirtschaft vergessen, daß gerade die Landwirtschaft einen sehr wesentlichen, vielleicht sogar den entscheidenden Beitrag zu leisten hat,
wenn die Lücke geschlossen werden soll, die wir von der Industrie aus allein niemals werden schließen können.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, darf ich mich nun noch in den Streit um die Vorschläge einschalten, einen Streit, der darüber ausgebrochen ist, in welcher Form wir der Grundstoffindustrie die Mittel zur Verfügung stellen sollen, die — dar-
über scheint ja Einmütigkeit auf allen Bänken dieses Hauses zu herrschen — der Grundstoffindustrie nunmehr zur Verfügung gestellt werden müssen, allerdings — und das sage ich mit vollem Ernst — einer Grundstoffindustrie, zu der dann das Volk auch das Vertrauen hat, daß sie in ihrer Führung endlich wieder gesund wird.
Meine Damen und Herren! Ich habe mir überlegt, ob es nicht zweckmäßig wäre, den Gedanken der langfristigen Finanzierung der Grundstoffindustrie zu verbinden mit dem Gedanken der Stärkung unserer Träger der Rentenversicherung. Ich bin überzeugt, daß wir um dieses Problem früher oder später unter gar keinen Umständen herumkommen. Wenn ich an den Vorschlägen des Herrn Wirtschaftsministers Erhard, vor allem hinsichtlich des Kreditsparens, einen Zweifel hege, so ist es der, daß wir dadurch gerade die Güter, mit denen wir nun wirklich sehr sparsam umgehen müssen, die Güter des Imports zu wenig treffen. Wir wissen doch, daß die Schwierigkeiten, in die wir geraten sind, zum Teil darin bestehen. daß wir als eines der wenigen europäischen Länder. ja beinahe als das einzige durch die Ungunst der Entwicklung praktisch zollfrei in diesem liberalisierten europäischen Raum drinstehen. Es wird noch Monate dauern, bis wir diese Lücke werden schließen können. Ich glaube deswegen, wir sollten uns darüber Gedanken machen, ob es nicht zweckmäßig wäre, unseren Import mit einer Einfuhrlizenz von etwa 10°/o zu belegen und diese Mittel im Betrage von monatlich etwa 100 Millionen DM den Rentenversicherungsträgern zur Verfügung zu stellen mit der Maßgabe, daß diese die Gelder bei der Wiederaufbaubank langfristig anlegen, damit die Wiederaufbaubank sie an die Grundstoffindustrie weiterleiten kann, dahin, wo es notwendig ist, langfristige Kredite zu gewähren.
Meine Damen und Herren, wenn wir diesen Gedanken in aller Konsequenz durchdenken — ich sehe das Schlußzeichen —, dann werden wir vielleicht verschiedene Lösungen, um die wir doch nicht herumkommen, auf einmal finden bzw. einen entscheidenden Schritt auf dem Wege zur Lösung tun. In diesem Sinne bitte ich Sie, die Gedanken, die ich zum Schluß vorgetragen habe, zu verstehen.