Rede:
ID0112607800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951 4781 126. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4782B, 4833C Schreiben des Bundeskanzlers betr. Ubersicht über Städte außerhalb, Bonns als Sitz der Bundesgerichte sowie der obersten und oberen Bundesbehörden (Nr. 2045 der Drucksachen) 4782C Schreiben des Bundeskanzlers betr. Vorlage von Verordnungen zur Kenntnisnahme unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 des Gesetzes über Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft (Nrn. 2031, 2046, 2047 der Drucksachen) . 4782C Anfrage Nr. 148 der Fraktion der SPD betr. Deutsche Dienstkommandos bei den Besatzungsmächten (Nrn. 1710, 2033 der Drucksachen) 4782C Anfrage Nr. 63 der Fraktion der DP betr. betriebliche Altersversorgung (Nrn. 1949, 2041 der Drucksachen) 4782D Anfrage Nr. 87 der Abg. Dr. Jaeger, Strauß und Gen. betr. Bundespolizei (Nrn. 1045, 2052 der Drucksachen) 4782D Anfrage der Fraktion der SPD betr. Adenauerspende (Nm. 1827, 2053 der Drucksachen) 4782D Änderungen der Tagesordnung . . . 4782D, 4785D Mellies (SPD) 4783A Euler (FDP) 4783B Renner (KPD) 4783B Beschlußfassung 4783C, 4792A Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft (Nr. 1974 der Drucksachen) 4783D Dr. Oellers (FDP), Berichterstatter . 4783D Beschlußfassung 4784C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2044 der Drucksachen) 4'784C Bausch (CDU), Antragsteller 4784C Renner (KPD) 4785A Beschlußfassung 4785C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen (Nr. 1985 der Drucksachen) 4785C Ausschußüberweisung 4785C Antrag auf Absetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaus sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie von der Tagesordnung: Zur Geschäftsordnung: Dr. von Brentano (CDU) . . . 4785D, 4788D Müller (Frankfurt) (KPD 4786A Ollenhauer (SPD) 4786B, 4791B Mellies (SPD) 4787C Loritz (WAV) 4788A Ritzel (SPD) 4788A Euler (FDP) 4789B Walter (DP) 4789D Renner (KPD) 4790A Dr. Arndt (SPD) 4790D Absetzung von der Tagesordnung . . . 4792A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft (Nr. 1969 [neu] der Drucksachen). Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr. 2022 der Drucksachen) 4792B Dr. Bleiß (SPD), Berichterstatter . 4792B Dr. Schöne (SPD) 4793B Naegel (CDU) 4794C Dr. Preusker (FDP) 4795C Vesper (KPD) 4796B Dr. Besold (BP) 4797A Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 4797B Ausschußüberweisung 4797C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IX — Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft (Nr. 1910 der Drucksachen) in Verbindung mit der ' Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Zentrumsfraktion betr. Staatssekretariat für Handwerk und gewerblichen Mittelstand (Nrn. 21, 2039 der Drucksachen) und mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaitssauschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Vergebung der Aufträge des Bundes (Nrn. 22, 2040 der Drucksachen) 4797D Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter . 4798A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft . . 4800B Dr. Nölting (SPD) 4806B Dr. Semler (CSU) 4812A Dr. Preusker (FDP) 4814D Loritz (WAV) 4818A Freudenberg (FDP) 4320C Dr. Bertram (Z) 4821C Rische (KPD) 4824C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 4827C Günther (CDU) 4830A Abstimmungen 4830B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes (Nr. 2006 der Drucksachen) . . . 4811D Beratung vertagt 4812A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Grundstücksverkehr (Nrn. 127, 1991 der Drucksachen) 4831A Keuning (SPD), Berichterstatter . . 4831A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 4831C Dr. Reismann (Z) 4832B Beschlußfassung 4833A Nächste Sitzung 4833A, C Die Sitzung wird um 14 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich heute die lange Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers Erhard hörte, mußte ich an ein bekanntes Gedicht denken:
    Und hat er beendet den müden Lauf,
    Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf. Der Herr Professor Erhard nämlich: am Grabe seiner Wirtschaftspolitik, am Grabe einer Theorie, die uns auf volkswirtschaftlichem Gebiet Unheil gebracht hat wie noch kaum eine Theorie in diesem Lande!

    (Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Jedes Wort ist heute überflüssig, mit dem man
    versuchen wollte, das Fiasko der Erhardschen Liberalisierungspolitik noch irgendwie zu bemänteln!

    (Erneute Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Diese Politik ist zusammengebrochen; sie ist an ihrer Inkonsequenz zusammengebrochen. Warum inkonsequent? Wenn man für Liberalisierung eintritt, dann mußte man unter allen Umstanden gleiche Chancen für jeden Zweig der gewerblichen und industriellen Wirtschaft schaffen. Wenn man das nicht konnte — sei es aus innen-, sei es aus außenpolitischen Gründen —, dann durfte man eben nicht in den Liberalisierungswahn verfallen.
    Zweitens. Wenn man schon Wirtschaftsminister ist und uns vorträgt, Korea sei an allem schuld, dann mußte man in dem Moment, als die Koreakrise zum Ausbruch kam, Vorsorgemaßnahmen ergreifen. Daran hat es gefehlt. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat es noch im August 1950, zwei und drei Monate nach dem Ausbruch der Koreakrise zugelassen, daß Hunderttausende von Tonnen deutscher Kohle freihandig ins Ausland verkauft wurden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Sie werden mir vielleicht jetzt zurufen: ja, im Inlande war damals keine Absatzmöglichkeit dafür. Nun, dann mußte die Regierung es eben so machen wie der kluge Joseph aus dem Alten Testament.

    (Lachen und Zurufe bei den Regierungsparteien.)

    Dieses Beispiel ist Ihnen, meine Herren von der CDU, ja sicher geläufig.

    (Erneute Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Man mußte hier, und zwar unter Einsatz verhältnismäßig geringer Kreditmittel, einen Vorrat an Kohle anlegen, mit dem die Bundesregierung manövrieren konnte. Man durfte diese Kohle nicht zu einem spottbilligen Preis ins Ausland, in die Schweiz und überallhin verkaufen lassen, wo sie die Industrie unterstützt, die unser Konkurrent im Kampf auf dem Weltmarkt ist.
    Wenn man schon sagt, der Koreakrieg sei das Warnungszeichen und die große Zäsur gewesen, dann mußte damals schon die Umstellung im liberalistischen Denken Professor Erhards Platz greifen. Wenn man Korea als Warnungszeichen ansieht, dann mußte man ebenfalls auf den internationalen Warenmärkten Rohstoffe aufkaufen, wenigstens die billigsten wie Zucker, Margarinerohstoffe und so fort, um einen entsprechenden Vorrat nicht bloß für wenige Monate zu schaffen — wie es Herr Professor Niklas uns neulich gesagt hat —, sondern auf längere Zeit hinaus!
    Im übrigen sage ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines: Man soll nicht immer in Korea den Sündenbock für alles Versagen auf seiten dieser Regierungsbank suchen. Diese Ausrede ist heute leider sehr billig geworden.

    (Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Ich möchte in der kurzen Redezeit, die Sie uns zugebilligt haben,

    (Frau Abg. Dr. Weber: Gott sei Dank!)

    in etwa diese Maske dem Herrn Bundeswirtschaftsminister vom Gesicht nehmen. Es ist nämlich nicht wahr, daß nur die Koreakrise an allem schuld ist. Ich kann Ihnen schwarz auf weiß beweisen, daß für die wichtigsten Lebensmittel usw. in Italien zur Zeit eine rückläufige Preistendenz zu bemerken ist.

    (Zurufe von den Regierungsparteien.)

    — Oder glauben Sie das nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU?

    (Zurufe von der CDU: Nein!)

    — Nein? Also, liebe Frau Collega, dann empfehle ich Ihnen, die „Neue Zeitung", die sich doch immer so sehr auch für die CDU einsetzt, vom 7. März 1951, Nr. 56, im Wirtschaftsteil zu lesen. wo es heißt: „Preisstabilisierung in Italien. Rückläufige Tendenzen auf dem Lebensmittelmarkt in Italien." Also bitte sehr! Die Nummer steht jederzeit zu Ihrer Verfügung,

    (Erneute Zurufe von der CDU.)

    Schauen Sie: de Gasperi scheint eine etwas klügere Wirtschaftspolitik gemacht zu haben und machen zu lassen als sein ihm weltanschaulich so nahestehender Kollege in Deutschland.

    (Wiederholte Zurufe von der CDU.)

    Nun noch eins! Wenn man schon sagt: wir haben Knappheit an den wichtigsten Lebensmitteln, dann ist es geradezu ein Wahnsinn, zuzulassen, daß gegenwärtig Schweinefleisch nach den Vereinigten Staaten geliefert wird, nicht aus der amerikanischen Zone, sondern aus der englischen Zone.

    (Zurufe von der CDU.)

    — Das glauben Sie auch nicht? Lesen Sie die Hamburger Freie Presse! Sie steht Ihnen doch so nahe, meine Damen und Herren von der CDU. Lesen Sie die Nummer 10./11. März 1951! Dort finden Sie einen Bericht aus Neumünster:
    24 Großschlächtereien in Schleswig-Holstein und Hamburg haben jetzt mit amerikanischen Importeuren Verträge über die Lieferung von Schweinefleisch in Dosen abgeschlossen. Die USA sind außerdem an der Einfuhr von Karbonaden, Schweinenacken usw. interessiert. Der Umfang der Liefervereinbarungen ist noch nicht endgültig bekannt, wird aber demnächst bekanntgegeben.
    Wollen Sie sich das einmal ansehen! Es handelt sich um die Nummer vom 10./11. März 1951.

    (Zurufe von der CDU.)

    Ich erzähle Ihnen also keineswegs olle Kamellen, Herr Zwischenrufer.
    Oder wollen Sie sich noch etwas anderes ansehen? Wollen Sie sich eine Notiz aus der „Tat" ansehen, deren bürgerlicher Charakter Ihnen allen wohl bekannt ist, eine Notiz aus der „Tat" Nr. 67 vom 10. März 1951, wo es wörtlich heißt:
    Deutsche Butter für die Schweiz! Wie dem Südkurier in Konstanz berichtet wird. hat der Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angekündigt, die westdeutsche Bundesrepublik


    (Loritz)

    werde demnächst Butter in die Schweiz exportieren. In der Schweiz sei Butter knapp, während in Deutschland der Butterverbrauch stark zurückgehe.

    (Lachen und Zurufe bei den Regierungsparteien.)

    — Ja, da nützen alle Ihre Zwischenrufe nichts mehr. Alle diese Nachrichten, die ich noch erweitern könnte, stammen aus besten Quellen. Ich habe nur die notwendige Redezeit nicht, sonst würden Sie keine Zwischenrufe mehr machen, Herr Kollege! Denn eines geht klipp und klar daraus hervor, daß unsere Wirtschaftspolitik ein Tohuwabohu darstellt,

    (Widerspruch und Lachen bei den Regierungsparteien)

    daß sie jeder großen Richtlinie entbehrt. Wir haben die Folgen davon zu tragen.
    Und wie wird heute die Wirtschaftspolitik dieser Regierung im Auslande beurteilt? Warum sagen Sie dem Volke nicht die Wahrheit darüber? Warum verschweigen Sie dem Volke, daß man uns bereits nahegelegt hat, die D-Mark abzuwerten?

    (Zuruf von der CDU. — Dafür haben wir Sie! — Weitere Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Darf ich Ihnen aus einer Schweizer Zeitung den betreffenden Passus vorlesen? Es ist die Nr. 67 der „Tat" vom 10. März 1951. Da heißt es:
    Die englische Delegation bei der Europäischen Zahlungsunion hat inoffiziell den Vorschlag gemacht, die deutsche D-Mark auf einen realistischen Kurs abzuwerten und die Kreditspanne dem anzugleichen.
    So sieht es aus! So weit hat uns die Wirtschaftspolitik der Regierung Adenauer-Erhard gebracht.

    (Abg. Dr. Oellers: Reden Sie bitte einmal über die Eierpreise! Es war so schön!)

    — Es war damals ein sehr guter Vorschlag von uns an den Herrn Landwirtschaftsminister, diese Preise dadurch zu stabilisieren, daß rechtzeitig Importe hereingelassen wurden. Das durfte allerdings nicht so geschehen, daß man heute das Importventil aufdreht, es morgen zudreht, übermorgen wieder aufdreht und dann wieder zudreht. Man mußte vielmehr einen vernünftigen Wirtschaftsplan haben, nicht einen Plan im Sinne des Sozialismus, sondern einen Plan, wie ihn früher in guten Zeiten jeder Wirtschaftsminister in seiner Schublade haben mußte, damit er nicht nach einigen Monaten vom Parlament davongejagt wurde.

    (Abg. Dr. Oellers: Nun noch ein bißchen über die Benzinpreise!)

    Wir haben heute von dem Herrn Wirtschaftsminister gehört, wie er der Wirtschaftskatastrophe noch steuern will. Er will eine Steuer für Neuerrichtung von Kabaretts und Luxusgaststätten einführen. Das ist ein bißchen spät, nachdem die diversen Saftladen alle schon gebaut sind.

    (Lachen.)

    Er will weiter eine Reklamesteuer einführen. Er darf sich nicht wundern, wenn bei der ganzen Sache so gut wie nichts an Steuererträgen herauskommt, sondern nur einige Hundert neue Beamte bei den Finanzämtern angestellt werden müssen, vielleicht Kontrolleure für die neu zu errichtenden Kabaretts. Das wird ein sehr angenehmer Beruf für diese Beamten sein.
    Der eigentliche Nukleus der Ausführungen des Herrn Wirtschaftsministers ist das Zwangssparen. Bei dieser Sache wird nichts herauskommen; das können wir Ihnen heute schon voraussagen.

    (Zuruf von der CDU: Wie klug und weise!) Wir werden hier nur eines erreichen: eine Komplizierung der ganzen Wirtschaft, eine Entlassung von Tausenden von Arbeitern von Industrien, die aufrechtzuerhalten wir schon im Interesse unseres Exports alle . Veranlassung haben. Siehe Offenbacher Lederwarenindustrie usw.! Sie werden die Steuererträgnisse hieraus nicht bekommen, die man sich erwartet. Wir werden nur eine weitgehende Verärgerung der ganzen Bevölkerung bekommen. Wir müssen die Summen, die eingespart werden müssen, ganz anders hereinzubringen versuchen, nämlich an der Quelle, bei den Industrien, die heute durch die Exportkonjunktur gigantische Gewinne gemacht haben und diese Gewinne zum großen Teil nicht versteuern, sondern unversteuert in das Ausland verschieben. Es ist sehr interessant, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister wenigstens ein bißchen in dieser Richtung angetönt hat, die Kapitalflucht möglichst zu verhindern. Es freut mich, wenn unser Einwurf vom letzten Mal, als ich Ihnen bewiesen habe, daß im vergangenen Steuerjahr auf diese Weise 3 Milliarden DM über die Grenze spazierengegangen sind, bei dem Herrn Wirtschaftsminister in etwa Früchte getragen haben sollte. Ich sage ihm aber eines: es ist sehr spät; wir fürchten, es ist mit der Einschaltung eines solchen Bremshebels schon zu spät geworden! Hier sind kostbare Monate vertan worden. Die Folge davon wird sein, daß wiederum die breiten Schichten der Bevölkerung die Zeche zu bezahlen haben. Wir haben dieses Zwangssparen schon einmal irgendwo gehört ... Es ist damals nichts daraus geworden. Sage man doch gleich: neue Steuern! Ein jeder weiß doch, daß er nichts mehr zurückbekommen wird. Ersparen Sie doch einigen Gerichten, dann neue Volkswagenprozesse vor ihren Schranken sich abwickeln zu sehen! Es kommt so wenig dabei heraus wie bei dem Volkswagensparen usw.; das kann ich Ihnen sagen! Bei dem Defizit in Ihrem Haushaltsplan werden Sie die Summen, die Sie hier zwangsweise als Anleihe aufgenommen haben, nie mehr zurückzahlen können.


    (Zuruf von der CSU: Also jetzt die positive Seite!)

    — Über die positive Seite habe ich Ihnen schon so oft gesprochen.

    (Abg. Dr. Oellers: Davon versteht doch der Loritz nichts!)

    Erstens müssen die Riesenexportgewinne steuerlich herangezogen werden. Zweitens muß eine Bewirtschaftung erfolgen — ob man das „von leichter
    Hand" nennt oder anders, ist eine Geschmacksangelegenheit —, eine Bewirtschaftung, die nicht
    etwa, wie das jetzt geschieht, bei den allerwichtigsten Industrierohstoffen schematisch gleiche
    Mengen dem Fabrikanten, der irgendwelche überflüssigen Dinge herstellt, und dem anderen Fabrikanten zuteilt, der wichtigste Exportwaren fabriziert, sondern die vor allem für die exportintensiven Industrien Kohle usw. im nötigen Umfange
    zuweist. Das ist heute leider noch nicht der Fall.

    (Zuruf von der Mitte: Doch!)

    — Nein, noch nicht, Herr Kollege, sondern es wird, wenn wir von Kohle mal sprechen, die Kohle schematisch aufgeteilt, auf die Industriegruppe Steine und Erden soviel, auf die Gruppe Papier soviel,


    (Loritz)

    auf die Gruppe Keramik soviel, und innerhalb der Gruppe teilen die betreffenden Industriellen dann die Kohlenmenge unter sich frei auf. Die Folge davon ist, daß diejenigen, die im Vorstand dieser Industriegruppen sitzen, sehr oft besser wegkommen. Jedenfalls wird kein Unterschied gemacht zwischen den exportintensiven Fabriken und denen, die nicht für den Export arbeiten, der uns heute so lebensnotwendig ist.

    (Zuruf rechts: Wo haben Sie denn den Blödsinn gelesen? — Heiterkeit.)

    — Diesen von Ihnen sogenannten „Blödsinn", Herr Kollege, können Sie jederzeit in der Denkschrift des Bundeswirtschaftsministeriums auch lesen, wo genau aufgeschlüsselt ist, wie hier die Kohle den einzelnen Industriegruppen zugeteilt wird. Ihre Zwischenrufe zeigen mir mit erschreckender Klarheit eines:

    (Zurufe: Oho!)

    daß Sie diese Dinge gar nicht kennen. daß Sie nichts anderes sind als Leute, die blindlings mit Ja stimmen, wenn es sich darum dreht, ein Vertrauensvotum für den Herrn Professor Erhard oder einen anderen Minister abzugeben!

    (Zuruf.)

    Diese Dinge aber haben Sie sich anscheinend noch gar nicht mal selbst angesehen. Daher Ihr Zwischenruf.
    Meine Damen und Herren!

    (Zuruf rechts: Ihnen kann man ja kein Vertrauensvotum geben!)

    Die Redezeit ist leider bald abgelaufen.

    (Zuruf.)

    Auch das ist so 'ne schöne Einrichtung von den ) Mehrheitsparteien, die Redezeit nach Fraktionsstärken zu bemessen.

    (Zuruf rechts: Gott sei Dank!)

    Aber ich möchte rekapitulieren. Die Wirtschaftspolitik Professor Erhards hat Schiffbruch erlitten, und zwar deswegen vor allem, weil er zwar Liberalisierung sagte, dabei aber nicht konsequent verfahren ist. Und wenn er uns immer weiszumachen versucht, wir hätten Ananas und all solche Dinge einführen müssen, um deutsche Waren dafür exportieren zu können, so trifft das für eine ganze Anzahl von Staaten überhaupt nicht zu. Die Ananaseinfuhr aus den Vereinigten Staaten war vollkommen überflüssig und vieles andere dazu. Deswegen haben uns die Amerikaner keine Tonne Ware mehr abgenommen! Etwas anderes ist es mit Brasilien. Da wissen wir, daß wir dorthin nur liefern können, wenn wir den Brasilianern Kaffee abnehmen.

    (Zuruf.)

    Aber bei Hunderten von Erzeugnissen, die unsere Devisenbilanz aufs schwerste belasten und daran schuld sind, daß wir heute auf dem Trockenen sitzen und daß uns vom Ausland bereits eine D-
    Mark-Abwertung nahegelegt wird, bei Hunderten von solchen Importwaren ist keine Rede von Kompensationsgeschäften gewesen.

    (Zuruf.)

    Hier hat man den großen reichen Mann gespielt, wie ein Vorredner ganz richtig heute schon sagte. Hier hat man den Jackele machen wollen, der vorangeht mit der Liberalisierung, ohne zu bedenken, daß wir heute ein schwaches und armes Volk geworden sind, das jeden Pfennig zweimal umdrehen muß, bevor es ihn zu Käufen im Ausland von minder lebenswichtigen Waren verwendet. An all dem ist schuld vor allem

    (Ironischer Zuruf von der Mitte: Erhard!) der Herr Bundeswirtschaftsminister.


    (Zuruf von der Mitte: Natürlich!)

    Und er war ja großzügig genug, heute die volle Verantwortung für diese fehlerhafte Wirtschaftspolitik zu übernehmen.
    Wir sind deshalb nicht in der Lage, dem Haushalt des Wirtschaftsministeriums zuzustimmen. Wir glauben, daß sowohl die Idee wie die Organisation bei ihm in gleicher Weise fehlerhaft war, und wir können hier nur durch eine Ablehnung des Etats des Wirtschaftsministeriums Herrn Professor Erhard sagen, was die WAV-Fraktion und ihre Wähler über diesen verfehlten Wirtschaftskurs denken!

    (Beifall bei der WAV. — Lebhafte Zurufe. — Ironische Bravo-Rufe.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, für den Rest der Redezeit der FDP-Fraktion hatte sich Herr Abgeordneter Freudenberg gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Freudenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Ich will nicht mit dem Temperament des Herrn Vorredners versuchen,

    (Abg. Dr. Oellers: Gott sei Dank!)

    in die Diskussion einzugreifen, sondern ich will mich bemühen, sie nach diesen deklamatorischen Erklärungen auf den großen Ernst zurückzuführen, der die Debatte bis dahin beherrscht hat. Ich glaube, es ist von Herrn Semler das sehr richtige Wort geprägt worden: Wir müssen sehr behutsam in die Dinge eingreifen, die wir nun zu bewältigen haben. Das „behutsam" bedeutet, insbesondere darauf zu achten, nun nicht von einem Extrem in das andere zu fallen.
    Ich möchte die Regierung mit allem Ernst auf die Notwendigkeit hinweisen, ganz besonders darauf zu achten, nicht mit einer zu engen und mit einer zu gradlinigen Kreditpolitik nun auf dem Konsumgütersektor zu zerschlagen, was wir auf anderen Sektoren gewinnen wollen. Ich habe eine große Sorge, und, meine Damen und Herren, ich glaube, ich bin berechtigt, darauf hinzuweisen, denn ich war ja wohl einer von denen, die beizeiten immer gewarnt halben, die Dinge nicht nur von heute auf morgen, sondern möglichst auf einige Monate voraus zu sehen. Ich will damit sagen: Ich fürchte, daß wir in wenigen Monaten, wenn wir nun das Steuer zu einseitig umschlagen, in der Konsumgüterindustrie sehr wohl vor Problemen stehen können, die dann wieder ganz andere Fragen, nämlich die der Arbeitslosigkeit und als Folge von Verknappungen Preisbewegungen auslösen können.
    Aber, meine Damen und Herren, nicht nur deswegen habe ich mich noch zum Wort gemeldet, sondern ich möchte auch noch davor warnen, daß die Regierung oder der Herr Bundeswirtschaftsminister allzu einseitig glaubt, daß wir in Deutschland unsere Situation nur mit dem Export zwingen und überwinden können. Nein, meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind richtig beraten, wenn wir uns über den ganzen Ernst unserer Lage und über die Schwierigkeiten, in die wir hineingekommen sind, klar werden; vielleicht haben sie den Ursprung doch auch darin, daß wir mit allzugroßen Hoffnungen nur das eine Ziel — die Ex-


    (Freudenberg)

    portsteigerung — gesehen haben. Ich fürchte, daß wir bei allem Bemühen um den Export — und die Leistungen der Exportwirtschaft in der Vergangenheit sind mit Recht unterstrichen worden — mit dem Export allein die Lücke, die wir zu schließen haben, nicht werden schließen können. Ich bin auch vorsichtig genug, anzunehmen, daß wir nur mit den Maßnahmen des Engerschnallens und Kürzertretens der Lage nicht Herr werden können. Deswegen möchte ich, gerade von meiner Sicht aus, die Regierung mit allem Ernst darauf hinweisen, daß wir,, wenn wir wirklich in absehbarer Zeit ins Freie vorstoßen können, dann den anderen großen Sektor der Produktion in Deutschland nicht vergessen dürfen: die Landwirtschaft.

    (Beifall rechts.)

    Meine Damen und Herren! Ich habe die Furcht, daß wir — und da spreche ich insbesondere auch zu Ihnen, meine Herren der Linken — in einer feindlichen Einstellung oder vielleicht richtiger gesagt — „feindlich" ist zu hart — in einer zu kritischen Einstellung gegenüber der Landwirtschaft vergessen, daß gerade die Landwirtschaft einen sehr wesentlichen, vielleicht sogar den entscheidenden Beitrag zu leisten hat,

    (lebhafter Beifall rechts)

    wenn die Lücke geschlossen werden soll, die wir von der Industrie aus allein niemals werden schließen können.
    Zum Schluß, meine Damen und Herren, darf ich mich nun noch in den Streit um die Vorschläge einschalten, einen Streit, der darüber ausgebrochen ist, in welcher Form wir der Grundstoffindustrie die Mittel zur Verfügung stellen sollen, die — dar-
    über scheint ja Einmütigkeit auf allen Bänken dieses Hauses zu herrschen — der Grundstoffindustrie nunmehr zur Verfügung gestellt werden müssen, allerdings — und das sage ich mit vollem Ernst — einer Grundstoffindustrie, zu der dann das Volk auch das Vertrauen hat, daß sie in ihrer Führung endlich wieder gesund wird.
    Meine Damen und Herren! Ich habe mir überlegt, ob es nicht zweckmäßig wäre, den Gedanken der langfristigen Finanzierung der Grundstoffindustrie zu verbinden mit dem Gedanken der Stärkung unserer Träger der Rentenversicherung. Ich bin überzeugt, daß wir um dieses Problem früher oder später unter gar keinen Umständen herumkommen. Wenn ich an den Vorschlägen des Herrn Wirtschaftsministers Erhard, vor allem hinsichtlich des Kreditsparens, einen Zweifel hege, so ist es der, daß wir dadurch gerade die Güter, mit denen wir nun wirklich sehr sparsam umgehen müssen, die Güter des Imports zu wenig treffen. Wir wissen doch, daß die Schwierigkeiten, in die wir geraten sind, zum Teil darin bestehen. daß wir als eines der wenigen europäischen Länder. ja beinahe als das einzige durch die Ungunst der Entwicklung praktisch zollfrei in diesem liberalisierten europäischen Raum drinstehen. Es wird noch Monate dauern, bis wir diese Lücke werden schließen können. Ich glaube deswegen, wir sollten uns darüber Gedanken machen, ob es nicht zweckmäßig wäre, unseren Import mit einer Einfuhrlizenz von etwa 10°/o zu belegen und diese Mittel im Betrage von monatlich etwa 100 Millionen DM den Rentenversicherungsträgern zur Verfügung zu stellen mit der Maßgabe, daß diese die Gelder bei der Wiederaufbaubank langfristig anlegen, damit die Wiederaufbaubank sie an die Grundstoffindustrie weiterleiten kann, dahin, wo es notwendig ist, langfristige Kredite zu gewähren.
    Meine Damen und Herren, wenn wir diesen Gedanken in aller Konsequenz durchdenken — ich sehe das Schlußzeichen —, dann werden wir vielleicht verschiedene Lösungen, um die wir doch nicht herumkommen, auf einmal finden bzw. einen entscheidenden Schritt auf dem Wege zur Lösung tun. In diesem Sinne bitte ich Sie, die Gedanken, die ich zum Schluß vorgetragen habe, zu verstehen.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)