Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich heute die lange Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers Erhard hörte, mußte ich an ein bekanntes Gedicht denken:
Und hat er beendet den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf. Der Herr Professor Erhard nämlich: am Grabe seiner Wirtschaftspolitik, am Grabe einer Theorie, die uns auf volkswirtschaftlichem Gebiet Unheil gebracht hat wie noch kaum eine Theorie in diesem Lande!
Jedes Wort ist heute überflüssig, mit dem man
versuchen wollte, das Fiasko der Erhardschen Liberalisierungspolitik noch irgendwie zu bemänteln!
Diese Politik ist zusammengebrochen; sie ist an ihrer Inkonsequenz zusammengebrochen. Warum inkonsequent? Wenn man für Liberalisierung eintritt, dann mußte man unter allen Umstanden gleiche Chancen für jeden Zweig der gewerblichen und industriellen Wirtschaft schaffen. Wenn man das nicht konnte — sei es aus innen-, sei es aus außenpolitischen Gründen —, dann durfte man eben nicht in den Liberalisierungswahn verfallen.
Zweitens. Wenn man schon Wirtschaftsminister ist und uns vorträgt, Korea sei an allem schuld, dann mußte man in dem Moment, als die Koreakrise zum Ausbruch kam, Vorsorgemaßnahmen ergreifen. Daran hat es gefehlt. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat es noch im August 1950, zwei und drei Monate nach dem Ausbruch der Koreakrise zugelassen, daß Hunderttausende von Tonnen deutscher Kohle freihandig ins Ausland verkauft wurden.
Sie werden mir vielleicht jetzt zurufen: ja, im Inlande war damals keine Absatzmöglichkeit dafür. Nun, dann mußte die Regierung es eben so machen wie der kluge Joseph aus dem Alten Testament.
Dieses Beispiel ist Ihnen, meine Herren von der CDU, ja sicher geläufig.
Man mußte hier, und zwar unter Einsatz verhältnismäßig geringer Kreditmittel, einen Vorrat an Kohle anlegen, mit dem die Bundesregierung manövrieren konnte. Man durfte diese Kohle nicht zu einem spottbilligen Preis ins Ausland, in die Schweiz und überallhin verkaufen lassen, wo sie die Industrie unterstützt, die unser Konkurrent im Kampf auf dem Weltmarkt ist.
Wenn man schon sagt, der Koreakrieg sei das Warnungszeichen und die große Zäsur gewesen, dann mußte damals schon die Umstellung im liberalistischen Denken Professor Erhards Platz greifen. Wenn man Korea als Warnungszeichen ansieht, dann mußte man ebenfalls auf den internationalen Warenmärkten Rohstoffe aufkaufen, wenigstens die billigsten wie Zucker, Margarinerohstoffe und so fort, um einen entsprechenden Vorrat nicht bloß für wenige Monate zu schaffen — wie es Herr Professor Niklas uns neulich gesagt hat —, sondern auf längere Zeit hinaus!
Im übrigen sage ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines: Man soll nicht immer in Korea den Sündenbock für alles Versagen auf seiten dieser Regierungsbank suchen. Diese Ausrede ist heute leider sehr billig geworden.
Ich möchte in der kurzen Redezeit, die Sie uns zugebilligt haben,
in etwa diese Maske dem Herrn Bundeswirtschaftsminister vom Gesicht nehmen. Es ist nämlich nicht wahr, daß nur die Koreakrise an allem schuld ist. Ich kann Ihnen schwarz auf weiß beweisen, daß für die wichtigsten Lebensmittel usw. in Italien zur Zeit eine rückläufige Preistendenz zu bemerken ist.
— Oder glauben Sie das nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU?
— Nein? Also, liebe Frau Collega, dann empfehle ich Ihnen, die „Neue Zeitung", die sich doch immer so sehr auch für die CDU einsetzt, vom 7. März 1951, Nr. 56, im Wirtschaftsteil zu lesen. wo es heißt: „Preisstabilisierung in Italien. Rückläufige Tendenzen auf dem Lebensmittelmarkt in Italien." Also bitte sehr! Die Nummer steht jederzeit zu Ihrer Verfügung,
Schauen Sie: de Gasperi scheint eine etwas klügere Wirtschaftspolitik gemacht zu haben und machen zu lassen als sein ihm weltanschaulich so nahestehender Kollege in Deutschland.
Nun noch eins! Wenn man schon sagt: wir haben Knappheit an den wichtigsten Lebensmitteln, dann ist es geradezu ein Wahnsinn, zuzulassen, daß gegenwärtig Schweinefleisch nach den Vereinigten Staaten geliefert wird, nicht aus der amerikanischen Zone, sondern aus der englischen Zone.
— Das glauben Sie auch nicht? Lesen Sie die Hamburger Freie Presse! Sie steht Ihnen doch so nahe, meine Damen und Herren von der CDU. Lesen Sie die Nummer 10./11. März 1951! Dort finden Sie einen Bericht aus Neumünster:
24 Großschlächtereien in Schleswig-Holstein und Hamburg haben jetzt mit amerikanischen Importeuren Verträge über die Lieferung von Schweinefleisch in Dosen abgeschlossen. Die USA sind außerdem an der Einfuhr von Karbonaden, Schweinenacken usw. interessiert. Der Umfang der Liefervereinbarungen ist noch nicht endgültig bekannt, wird aber demnächst bekanntgegeben.
Wollen Sie sich das einmal ansehen! Es handelt sich um die Nummer vom 10./11. März 1951.
Ich erzähle Ihnen also keineswegs olle Kamellen, Herr Zwischenrufer.
Oder wollen Sie sich noch etwas anderes ansehen? Wollen Sie sich eine Notiz aus der „Tat" ansehen, deren bürgerlicher Charakter Ihnen allen wohl bekannt ist, eine Notiz aus der „Tat" Nr. 67 vom 10. März 1951, wo es wörtlich heißt:
Deutsche Butter für die Schweiz! Wie dem Südkurier in Konstanz berichtet wird. hat der Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angekündigt, die westdeutsche Bundesrepublik
werde demnächst Butter in die Schweiz exportieren. In der Schweiz sei Butter knapp, während in Deutschland der Butterverbrauch stark zurückgehe.
— Ja, da nützen alle Ihre Zwischenrufe nichts mehr. Alle diese Nachrichten, die ich noch erweitern könnte, stammen aus besten Quellen. Ich habe nur die notwendige Redezeit nicht, sonst würden Sie keine Zwischenrufe mehr machen, Herr Kollege! Denn eines geht klipp und klar daraus hervor, daß unsere Wirtschaftspolitik ein Tohuwabohu darstellt,
daß sie jeder großen Richtlinie entbehrt. Wir haben die Folgen davon zu tragen.
Und wie wird heute die Wirtschaftspolitik dieser Regierung im Auslande beurteilt? Warum sagen Sie dem Volke nicht die Wahrheit darüber? Warum verschweigen Sie dem Volke, daß man uns bereits nahegelegt hat, die D-Mark abzuwerten?
Darf ich Ihnen aus einer Schweizer Zeitung den betreffenden Passus vorlesen? Es ist die Nr. 67 der „Tat" vom 10. März 1951. Da heißt es:
Die englische Delegation bei der Europäischen Zahlungsunion hat inoffiziell den Vorschlag gemacht, die deutsche D-Mark auf einen realistischen Kurs abzuwerten und die Kreditspanne dem anzugleichen.
So sieht es aus! So weit hat uns die Wirtschaftspolitik der Regierung Adenauer-Erhard gebracht.
— Es war damals ein sehr guter Vorschlag von uns an den Herrn Landwirtschaftsminister, diese Preise dadurch zu stabilisieren, daß rechtzeitig Importe hereingelassen wurden. Das durfte allerdings nicht so geschehen, daß man heute das Importventil aufdreht, es morgen zudreht, übermorgen wieder aufdreht und dann wieder zudreht. Man mußte vielmehr einen vernünftigen Wirtschaftsplan haben, nicht einen Plan im Sinne des Sozialismus, sondern einen Plan, wie ihn früher in guten Zeiten jeder Wirtschaftsminister in seiner Schublade haben mußte, damit er nicht nach einigen Monaten vom Parlament davongejagt wurde.
Wir haben heute von dem Herrn Wirtschaftsminister gehört, wie er der Wirtschaftskatastrophe noch steuern will. Er will eine Steuer für Neuerrichtung von Kabaretts und Luxusgaststätten einführen. Das ist ein bißchen spät, nachdem die diversen Saftladen alle schon gebaut sind.
Er will weiter eine Reklamesteuer einführen. Er darf sich nicht wundern, wenn bei der ganzen Sache so gut wie nichts an Steuererträgen herauskommt, sondern nur einige Hundert neue Beamte bei den Finanzämtern angestellt werden müssen, vielleicht Kontrolleure für die neu zu errichtenden Kabaretts. Das wird ein sehr angenehmer Beruf für diese Beamten sein.
Der eigentliche Nukleus der Ausführungen des Herrn Wirtschaftsministers ist das Zwangssparen. Bei dieser Sache wird nichts herauskommen; das können wir Ihnen heute schon voraussagen.
Wir werden hier nur eines erreichen: eine Komplizierung der ganzen Wirtschaft, eine Entlassung von Tausenden von Arbeitern von Industrien, die aufrechtzuerhalten wir schon im Interesse unseres Exports alle . Veranlassung haben. Siehe Offenbacher Lederwarenindustrie usw.! Sie werden die Steuererträgnisse hieraus nicht bekommen, die man sich erwartet. Wir werden nur eine weitgehende Verärgerung der ganzen Bevölkerung bekommen. Wir müssen die Summen, die eingespart werden müssen, ganz anders hereinzubringen versuchen, nämlich an der Quelle, bei den Industrien, die heute durch die Exportkonjunktur gigantische Gewinne gemacht haben und diese Gewinne zum großen Teil nicht versteuern, sondern unversteuert in das Ausland verschieben. Es ist sehr interessant, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister wenigstens ein bißchen in dieser Richtung angetönt hat, die Kapitalflucht möglichst zu verhindern. Es freut mich, wenn unser Einwurf vom letzten Mal, als ich Ihnen bewiesen habe, daß im vergangenen Steuerjahr auf diese Weise 3 Milliarden DM über die Grenze spazierengegangen sind, bei dem Herrn Wirtschaftsminister in etwa Früchte getragen haben sollte. Ich sage ihm aber eines: es ist sehr spät; wir fürchten, es ist mit der Einschaltung eines solchen Bremshebels schon zu spät geworden! Hier sind kostbare Monate vertan worden. Die Folge davon wird sein, daß wiederum die breiten Schichten der Bevölkerung die Zeche zu bezahlen haben. Wir haben dieses Zwangssparen schon einmal irgendwo gehört ... Es ist damals nichts daraus geworden. Sage man doch gleich: neue Steuern! Ein jeder weiß doch, daß er nichts mehr zurückbekommen wird. Ersparen Sie doch einigen Gerichten, dann neue Volkswagenprozesse vor ihren Schranken sich abwickeln zu sehen! Es kommt so wenig dabei heraus wie bei dem Volkswagensparen usw.; das kann ich Ihnen sagen! Bei dem Defizit in Ihrem Haushaltsplan werden Sie die Summen, die Sie hier zwangsweise als Anleihe aufgenommen haben, nie mehr zurückzahlen können.
— Über die positive Seite habe ich Ihnen schon so oft gesprochen.
Erstens müssen die Riesenexportgewinne steuerlich herangezogen werden. Zweitens muß eine Bewirtschaftung erfolgen — ob man das „von leichter
Hand" nennt oder anders, ist eine Geschmacksangelegenheit —, eine Bewirtschaftung, die nicht
etwa, wie das jetzt geschieht, bei den allerwichtigsten Industrierohstoffen schematisch gleiche
Mengen dem Fabrikanten, der irgendwelche überflüssigen Dinge herstellt, und dem anderen Fabrikanten zuteilt, der wichtigste Exportwaren fabriziert, sondern die vor allem für die exportintensiven Industrien Kohle usw. im nötigen Umfange
zuweist. Das ist heute leider noch nicht der Fall.
— Nein, noch nicht, Herr Kollege, sondern es wird, wenn wir von Kohle mal sprechen, die Kohle schematisch aufgeteilt, auf die Industriegruppe Steine und Erden soviel, auf die Gruppe Papier soviel,
auf die Gruppe Keramik soviel, und innerhalb der Gruppe teilen die betreffenden Industriellen dann die Kohlenmenge unter sich frei auf. Die Folge davon ist, daß diejenigen, die im Vorstand dieser Industriegruppen sitzen, sehr oft besser wegkommen. Jedenfalls wird kein Unterschied gemacht zwischen den exportintensiven Fabriken und denen, die nicht für den Export arbeiten, der uns heute so lebensnotwendig ist.
— Diesen von Ihnen sogenannten „Blödsinn", Herr Kollege, können Sie jederzeit in der Denkschrift des Bundeswirtschaftsministeriums auch lesen, wo genau aufgeschlüsselt ist, wie hier die Kohle den einzelnen Industriegruppen zugeteilt wird. Ihre Zwischenrufe zeigen mir mit erschreckender Klarheit eines:
daß Sie diese Dinge gar nicht kennen. daß Sie nichts anderes sind als Leute, die blindlings mit Ja stimmen, wenn es sich darum dreht, ein Vertrauensvotum für den Herrn Professor Erhard oder einen anderen Minister abzugeben!
Diese Dinge aber haben Sie sich anscheinend noch gar nicht mal selbst angesehen. Daher Ihr Zwischenruf.
Meine Damen und Herren!
Die Redezeit ist leider bald abgelaufen.
Auch das ist so 'ne schöne Einrichtung von den ) Mehrheitsparteien, die Redezeit nach Fraktionsstärken zu bemessen.
Aber ich möchte rekapitulieren. Die Wirtschaftspolitik Professor Erhards hat Schiffbruch erlitten, und zwar deswegen vor allem, weil er zwar Liberalisierung sagte, dabei aber nicht konsequent verfahren ist. Und wenn er uns immer weiszumachen versucht, wir hätten Ananas und all solche Dinge einführen müssen, um deutsche Waren dafür exportieren zu können, so trifft das für eine ganze Anzahl von Staaten überhaupt nicht zu. Die Ananaseinfuhr aus den Vereinigten Staaten war vollkommen überflüssig und vieles andere dazu. Deswegen haben uns die Amerikaner keine Tonne Ware mehr abgenommen! Etwas anderes ist es mit Brasilien. Da wissen wir, daß wir dorthin nur liefern können, wenn wir den Brasilianern Kaffee abnehmen.
Aber bei Hunderten von Erzeugnissen, die unsere Devisenbilanz aufs schwerste belasten und daran schuld sind, daß wir heute auf dem Trockenen sitzen und daß uns vom Ausland bereits eine D-
Mark-Abwertung nahegelegt wird, bei Hunderten von solchen Importwaren ist keine Rede von Kompensationsgeschäften gewesen.
Hier hat man den großen reichen Mann gespielt, wie ein Vorredner ganz richtig heute schon sagte. Hier hat man den Jackele machen wollen, der vorangeht mit der Liberalisierung, ohne zu bedenken, daß wir heute ein schwaches und armes Volk geworden sind, das jeden Pfennig zweimal umdrehen muß, bevor es ihn zu Käufen im Ausland von minder lebenswichtigen Waren verwendet. An all dem ist schuld vor allem
der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Und er war ja großzügig genug, heute die volle Verantwortung für diese fehlerhafte Wirtschaftspolitik zu übernehmen.
Wir sind deshalb nicht in der Lage, dem Haushalt des Wirtschaftsministeriums zuzustimmen. Wir glauben, daß sowohl die Idee wie die Organisation bei ihm in gleicher Weise fehlerhaft war, und wir können hier nur durch eine Ablehnung des Etats des Wirtschaftsministeriums Herrn Professor Erhard sagen, was die WAV-Fraktion und ihre Wähler über diesen verfehlten Wirtschaftskurs denken!