Rede:
ID0112607200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 82
    1. der: 4
    2. und: 3
    3. das: 3
    4. zu: 3
    5. ich: 2
    6. Wort: 2
    7. des: 2
    8. Abgeordneten: 2
    9. Dr.: 2
    10. Fraktion: 2
    11. Punkt: 2
    12. damit: 2
    13. Meine: 1
    14. Damen: 1
    15. Herren,: 1
    16. ehe: 1
    17. weiter: 1
    18. erteile,\n: 1
    19. bitte: 1
    20. ich,: 1
    21. mir: 1
    22. gestatten,: 1
    23. Ihnen: 1
    24. einen: 1
    25. Vorschlag: 1
    26. zur: 1
    27. geschäftsordnungsmäßigen: 1
    28. Behandlung: 1
    29. Punktes: 1
    30. 12: 1
    31. TagesordnungBeratung: 1
    32. Antrags: 1
    33. Mühlenfeld: 1
    34. DP: 1
    35. betreffend: 1
    36. Vorlage: 1
    37. eines: 1
    38. Bundesrundfunkgesetzes: 1
    39. \n: 1
    40. machen.: 1
    41. Dazu: 1
    42. möchte: 1
    43. Herr: 1
    44. Bundesinnenminister: 1
    45. selbst: 1
    46. sprechen.: 1
    47. Er: 1
    48. kann: 1
    49. aber: 1
    50. von: 1
    51. 8: 1
    52. Uhr: 1
    53. abends: 1
    54. ab: 1
    55. nicht: 1
    56. mehr: 1
    57. anwesend: 1
    58. sein: 1
    59. hat: 1
    60. mich: 1
    61. gebeten,: 1
    62. hier: 1
    63. anzuregen,: 1
    64. diesen: 1
    65. vertagen.: 1
    66. Die: 1
    67. antragstellende: 1
    68. ist: 1
    69. einverstanden.: 1
    70. Ist: 1
    71. Haus: 1
    72. einverstanden,: 1
    73. daß: 1
    74. den: 1
    75. absetze?\n: 1
    76. —: 1
    77. Ich: 1
    78. danke: 1
    79. Ihnen.Ich: 1
    80. erteile: 1
    81. dem: 1
    82. Semler.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951 4781 126. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4782B, 4833C Schreiben des Bundeskanzlers betr. Ubersicht über Städte außerhalb, Bonns als Sitz der Bundesgerichte sowie der obersten und oberen Bundesbehörden (Nr. 2045 der Drucksachen) 4782C Schreiben des Bundeskanzlers betr. Vorlage von Verordnungen zur Kenntnisnahme unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 des Gesetzes über Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft (Nrn. 2031, 2046, 2047 der Drucksachen) . 4782C Anfrage Nr. 148 der Fraktion der SPD betr. Deutsche Dienstkommandos bei den Besatzungsmächten (Nrn. 1710, 2033 der Drucksachen) 4782C Anfrage Nr. 63 der Fraktion der DP betr. betriebliche Altersversorgung (Nrn. 1949, 2041 der Drucksachen) 4782D Anfrage Nr. 87 der Abg. Dr. Jaeger, Strauß und Gen. betr. Bundespolizei (Nrn. 1045, 2052 der Drucksachen) 4782D Anfrage der Fraktion der SPD betr. Adenauerspende (Nm. 1827, 2053 der Drucksachen) 4782D Änderungen der Tagesordnung . . . 4782D, 4785D Mellies (SPD) 4783A Euler (FDP) 4783B Renner (KPD) 4783B Beschlußfassung 4783C, 4792A Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft (Nr. 1974 der Drucksachen) 4783D Dr. Oellers (FDP), Berichterstatter . 4783D Beschlußfassung 4784C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2044 der Drucksachen) 4'784C Bausch (CDU), Antragsteller 4784C Renner (KPD) 4785A Beschlußfassung 4785C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen (Nr. 1985 der Drucksachen) 4785C Ausschußüberweisung 4785C Antrag auf Absetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaus sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie von der Tagesordnung: Zur Geschäftsordnung: Dr. von Brentano (CDU) . . . 4785D, 4788D Müller (Frankfurt) (KPD 4786A Ollenhauer (SPD) 4786B, 4791B Mellies (SPD) 4787C Loritz (WAV) 4788A Ritzel (SPD) 4788A Euler (FDP) 4789B Walter (DP) 4789D Renner (KPD) 4790A Dr. Arndt (SPD) 4790D Absetzung von der Tagesordnung . . . 4792A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft (Nr. 1969 [neu] der Drucksachen). Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr. 2022 der Drucksachen) 4792B Dr. Bleiß (SPD), Berichterstatter . 4792B Dr. Schöne (SPD) 4793B Naegel (CDU) 4794C Dr. Preusker (FDP) 4795C Vesper (KPD) 4796B Dr. Besold (BP) 4797A Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 4797B Ausschußüberweisung 4797C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IX — Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft (Nr. 1910 der Drucksachen) in Verbindung mit der ' Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Zentrumsfraktion betr. Staatssekretariat für Handwerk und gewerblichen Mittelstand (Nrn. 21, 2039 der Drucksachen) und mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaitssauschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Vergebung der Aufträge des Bundes (Nrn. 22, 2040 der Drucksachen) 4797D Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter . 4798A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft . . 4800B Dr. Nölting (SPD) 4806B Dr. Semler (CSU) 4812A Dr. Preusker (FDP) 4814D Loritz (WAV) 4818A Freudenberg (FDP) 4320C Dr. Bertram (Z) 4821C Rische (KPD) 4824C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 4827C Günther (CDU) 4830A Abstimmungen 4830B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes (Nr. 2006 der Drucksachen) . . . 4811D Beratung vertagt 4812A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Grundstücksverkehr (Nrn. 127, 1991 der Drucksachen) 4831A Keuning (SPD), Berichterstatter . . 4831A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 4831C Dr. Reismann (Z) 4832B Beschlußfassung 4833A Nächste Sitzung 4833A, C Die Sitzung wird um 14 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erik Nölting


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrte Damen und Herren! Wir begrüßen es — namentlich nach dieser Rede — sehr, daß uns die zweite Lesung des Etats des Wirtschaftsministeriums Gelegenheit bietet, über die einzelnen Etatspositionen hinaus unsere Auffassung über die wirtschaftliche Gesamtsituation zu entwickeln. Denn die Wirtschaftspolitik steht heute im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Ich glaube aber, daß diese leidenschaftliche Anteilnahme und Interessiertheit bestimmt kein Ruhmeskapitel für den Herrn Bundeskanzler und seinen Wirtschaftsminister bedeutet.

    (Abg. Dr. von Brentano: Mehr für Ihre Propaganda!)

    Wir hatten heute wohl alle gehofft, daß man von der Regierungsbank ein wirklich zielweisendes Wort zu hören bekommen würde; denn bei den breitesten Volksmassen hat sich ein Gefühl der Erbitterung und der Sorge festgefressen,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    daß die Regierung die Dinge nicht mehr in ihrer Hand hat und daß sie sie schleifen läßt.
    Ich glaube, meine Damen und Herren, es war ein zu hochgegriffenes Wort, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister seine Rede als eine Programmrede bezeichnete.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    In Wirklichkeit war sie eine gestammelte Entschuldigungsrede,

    (Hört! Hört! und Widerspruch bei den Regierungsparteien — Pfui-Rufe — Beifall bei der SPD)

    eine Rede, meine Damen und Herren,

    (Abg. Dr. Oellers: Er hat aber bestimmt nicht abgelesen, wie Sie! — Pfui-Rufe rechts)

    die sehr viel interessante und in diesem Munde ungewohnte Vokabeln enthielt;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    denn wenn wir hören von „Repressalien", die vom Liberalisierungsstop drohen — jetzt muß ich leider wirklich ablesen —, wenn wir hören von „notleidenden Grundindustrien", wenn wir hören von „Kaufkraftumlenkung", von einer „straffen Führung der Wirtschaftspolitik", von „Prioritäten in der Rohstoffzuteilung", die uns noch vor kurzem abgelehnt wurden — ja, meine Damen und Herren, dann ist das doch alles eine fortlaufende, ich will nicht sagen, Sünde gegen das Blut, aber eine Sünde gegen den Geist,

    (Lachen in der Mitte und rechts)

    aus dem heraus bisher hier Wirtschaftspolitik getrieben wurde.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe rechts.) Herr Professor Erhard, was Sie heute auf dieses Podium brachten, das war die Mumie Ihrer Marktwirtschaft.


    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie in den Spiegel schauen, möchte ich Sie fragen: Erkennen Sie sich selbst dann eigentlich noch wieder?

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Wir aber haben die Ratlosigkeit eines Liberalisten erkannt, der sich gründlich festgefahren hat. Ich glaube, diese Ihre Rede wird alarmierend im ganzen Lande wirken, und die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter werden es vielleicht mit besonderem Interesse vernehmen, daß sie angeblich erst durch Ihre Wirtschaftspolitik wieder zum „Sinn für Arbeit" erzogen worden sind, ein Wort, das Sie sich hätten schenken sollen.
    Aber, meine Damen und Herren, dennoch vielleicht war diese Rede gut; denn Sie wissen ja: was bisher in die Öffentlichkeit gedrungen war, war ein unübersichtliches Gewirr von Plänen, von Gutachten, von Projekten, von Pronunziamentos, verhüllten Andeutungen und von Dementis am laufenden Band. Wir wissen, wer alles in der letzten Zeit Wirtschaftsprogramme fixiert und niedergelegt hat: Umsatzsteuerpläne, generelle Preiserhöhungen — man nennt das heute „Preisanhebung" —, Zwangssparideen, Markenklebeprojekte, Marktspaltungsforderungen, Zwangsanleihen auf Kohle, Einfuhrstop bei gleichzeitiger Exportförde-


    (Dr. Nölting)

    rung, — das alles wirbelt wie unlustige Schneeflocken in letzter Zeit bunt durcheinander.

    (Abg. Dr. Oellers: Jetzt kommt die Lyrik wieder!)

    Die Direktionslosigkeit, mit der man sich festgefahren hat, ist so groß, daß wir gestern aus den Zeitungen entnehmen mußten: Vertreter der Hohen Amerikanischen Kommission sind beim Bundeskanzler vorstellig geworden, um auf die Notwendigkeit eines zielbewußten Kurses in der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung hinzuweisen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Sie haben Stabilisierungsmaßnahmen, sie haben die Errichtung von Ein- und Ausfuhrkontrollen, sie haben zweckbestimmte Verwendung der Rohstoffe und Halbwaren in diesem Memorandum als das Gebot der Stunde bezeichnet. Gewiß für die Bundesregierung eine blamable Rüge, meine Damen und Herren.

    (Abg. Arnholz: Sehr gut!)

    Schon bei der Diskussion um das Arbeitsbeschaffungsprogramm — jenes Arbeitsbeschaffungsprogrammes, das dann später zusammenschrumpelte zu einem Wirtschaftsförderungsprogramm, um dann als Engpaßprogramm auf Eis gelegt zu werden — haben wir wiederholt auf die ungeklärten Zuständigkeiten hingewiesen; denn einmal war es ja der Herr Arbeitsminister, einmal der Herr Wirtschaftsminister, der verantwortlich zeichnete.
    Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben in der heutigen Rede etwas verdächtig oft betont, daß Sie die für die Wirtschaftspolitik allein zuständige Instanz seien.

    (Abg. Mellies: Sehr gut!)

    So etwas legt immer den Verdacht nahe, daß sich neben Ihnen noch irgendeine Nebenregierung etabliert hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Es wäre sehr interessant zu erfahren, wie eigentlich die Kompetenzenabgrenzung mit jenem Hof-Wirtschaftsminister ist, den sich der Herr Bundeskanzler in aller Heimlichkeit zulegte. Sehen Sie, wie die Zuständigkeiten durcheinander gehen! Sie propagierten heute ein Exportförderungsprogramm, betonten Exportnotwendigkeiten, aber noch im Sommer des vergangenen Jahres wies der Herr Bundesfinanzminister Schäffer darauf hin, daß eine steuerliche Exportförderung überflüssig sei, da ja der Export ohnehin so erfreulich anlaufe. Im Topfe des Außenhandels rühren gegenwärtig die Professoren Erhard und Niklas im trauten Verein mit dem Herrn Vizekanzler Blücher als nicht immer gar sehr einträchtige Köche herum.

    (Zuruf rechts.)

    — Ach nein, in diesem Topf rühre ich nicht mit. — Die Zuständigkeit im Kreditbereich, die der Herr Wirtschaftsminister nach unserem Dafürhalten mit Recht für sich reklamiert, liegt beim Finanzminister. Ich glaube, meine Damen und Herren, dadurch, daß sich nun der Herr Bundeskanzler noch einen besonderen privaten Wirtschaftsminister beigesellt hat, sind wir nicht gerade der Notwendigkeit, zu einer Vereinheitlichung der ganzen Wirtschaftskonzeption zu kommen, nähergerückt. Bei solchem Arrangement sind dafür nur höchst geringe Chancen vorhanden.
    Ich möchte mich im weiteren Verlauf meiner Rede gern an die Disposition halten, die der Herr Bundeswirtschaftsminister seinen Ausführungen zugrunde legte. Horcht man in die Diskussion des Mannes der Straße, so geht es neben der Arbeitlosigkeit — von der der Herr Bundeswirtschaftsminister bezeichnenderweise wiederum überhaupt nicht sprach,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    denn eine Arbeitslosigkeit von 1,5 oder 1,6 Millionen, wird inzwischen regierungsseitig fast schon als konstante Größe empfunden —, ich sage: sieht man von dieser Arbeitslosigkeit ab, so geht es bei diesen Diskussionen in der Tat heute in erster Linie um die Frage der Preise. Damit ist das am meisten brennende Thema angeschlagen. Sicher spielt beim Auftrieb der Preise der durch Rüstungskonjunktur bedingte aufwärtsweisende Preistrend auf dem Weltmarkt eine nicht zu leugnende Rolle, und Sie sollen uns nicht später wieder sagen, das wir das übersehen. Auch wir werden nicht verlangen,' daß man sich gegen diesen Preisanstieg völlig abschirmt und daß man die Preise auf ein bestimmtes kalendermäßiges Datum hin einfach einfrieren läßt. Aber ich glaube, zwei Dinge sind zu sagen. Erstens: man hätte mehr Vorsorge treffen können, damit uns der Anprall des Preisanstiegs nun nicht mit seiner ganzen Wucht trifft, damit uns nun nicht alle Ziegelsteine auf den Kopf fallen, wie es jetzt leider tatsächlich der Fall ist. Zweitens: Man sollte keinen blauen Dunst produzieren, indem man jetzt schon wieder von bevorstehenden Preiseinbrüchen im Frühjahr oder im Sommer orakelt. Denn die Teuerungswelle in den Weltrohstoffen beginnt erst gerade jetzt unsere Fertigfabrikation zu erreichen und wird in ihrer ganzen Breitenwirkung etwa um August oder September hervortreten.
    Gewiß gibt es Korea. Das wissen wir auch, Herr Minister Erhard. Aber man soll Korea nicht als Alibi und Wandschirm für eigenes Versagen benutzen.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Der Weltmarkt erklärt nicht den ganzen Umfang des heutigen Preisphänomens. Der Preisanstieg bei uns ist vielmehr zum großen Teil eine Folge der Disproportionalitäten, Engpässe und der strukturellen Verzerrungen in unserer Wirtschaft, nicht zuletzt eine Folge der aus Steuerbegünstigungen gespeisten Selbstfinanzierung und der dadurch verursachten Kaufwelle und schließlich das Resultat der sich überstürzenden und sich so häufig widersprechenden Erklärungen der Bundesregierung und ihrer einzelnen Minister, die ja eine allgemeine Unsicherheit und Käuferpanik geradezu zwangsläufig heraufführen mußten.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wenn der Herr Bundeskanzler davon spricht, die Steigerung der landwirtschaftlichen Erlöse um eine Milliarde sei notwendig, wenn der Niederbreisiger Kreis von einer allgemeinen Anhebung des Preis-und Lohnniveaus spricht, wenn Herr Schäffer Umsatzsteuererhöhungen verkündet, wenn Herr Blücher von Zwangssparen, wenn Herr Professor Erhard von Sparmarkenkleben usw. spricht — und man spricht bei uns ja lange, bevor gehandelt wird, weil man angesichts der überall vorhandenen Engpässe den Engpaß mangelnder Ideen für sich selber so gern durch originelle Einfälle durchbricht und sich damit an die Tate spielt —,

    (Zustimmung und Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe von den Regierungsparteien)

    dann, verehrte Anwesende, muß zwangsläufig ein Run auf die Warenmärkte entstehen. Hernach beschimpft man dann nach bewährtem Vorbild den Verbraucher, den man zuvor durch dieses vielstimmige Gerede in Nervosität gehetzt hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)



    (Dr. Nölting)

    Die Preispolitik ist eine Funktion der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Wir haben niemals dem Köhlerglauben angehangen, daß man diesem Problem nur mit Polizei- und Preisvorschriften beikommen könne. Da müßte schon das ganze Instrumentarium moderner Wirtschaftslenkung eingesetzt werden, um dem Übel an der Wurzel zu begegnen.
    Dennoch können wir nach dem Dafürhalten meiner Freunde in der gegenwärtigen Situation auf konkrete und schnell wirksame Stützmaßnahmen nicht verzichten. Wir müssen zu einer Verhinderung von Knappheitsgewinnen durch verschärfte Anwendung des Wirtschaftsstrafrechts und durch Ausschöpfung aller Möglichkeiten bis zum Berufsverbot und bis zur Betriebsschließung kommen,

    (Zustimmung bei der SPD)

    wobei sich die Anklage gegen den ganzen Personenkreis richten müßte, der sich in der Kette der Preistreiberei und Verteuerung schuldig gemacht hat, vom Erzeuger über alle Zwischenhandelsstufen hinweg .bis zum letzten Einzelhändler. Wir brauchen eine wirksame Preiskontrolle, wir brauchen den Erlaß von Richtpreisen. Aber, Herr Bundeswirtschaftsminister, wie lange ist es eigentlich her, daß Sie mit Triumphatorengeste hier verkündet haben: „Ich werde die ganzen unteren Preisbehörden zum Teufel jagen",

    (Zustimmung bei der SPD)

    die Sie heute so dringend brauchen? Wir fordern eine Überprüfung und Niedrighaltung der übersetzten Handelsspannen — das ist unser altes Anliegen —, eine Beibehaltung der Subventionierung für einige Massenlebensmittel, da man zur Stunde das Stützgebälk einfach nicht wegschlagen kann, und eine rigorose Erfassung hinterzogener Steuern, die doch heute als zusätzlicher Konsum auf den Warenmärkten herumzigeunern. Wenigstens aber wäre zu fordern, daß die Bundesregierung — weitgehend selber unfähig, ihren gesetzlichen Vorschriften Respekt zu erzwingen — nicht, wie es bei der Frage der Getreidepreise geschah, selbst gegen bestehende Gesetze verstößt

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und sich damit um allen Kredit bringt.
    Die falsche Preispolitik, für uns beginnend mit der überhasteten Beiseiteräumung aller Preisregulierung im Sommer 1948, ist es auch gewesen, die uns in den zweiten Notstand gebracht hat, dessen Folgen wir heute zu tragen haben, in jene Bezirke von Engpässen, die sich als Bremse für den weiteren Produktionsanstieg auswirken. Sie sind dadurch entstanden — und deshalb handelt es sich nicht um strukturelle Verzerrung, sondern um wirtschaftspolitische Fehlleitung, Herr Minister Erhard —, daß man in den konsumnahen Industrien und in der Geschäftswelt die Preise schießen und sprossen ließ, während im Sektor der Grundstoffindustrien und der Energieerzeugung sowie des Verkehrs und der Mieten Preisgebundenheit blieb.
    Ich weiß nicht, Herr Minister, wie ich Ihre andeutenden Worte von heute verstehen soll. Aber ich könnte mir denken, daß Sie als ein unentwegter liberaler Gralshüter auch das vielleicht als einen Schönheitsfehler empfinden und daß Sie auch hier die Preisbindung über Bord werfen möchten. Wir möchten warnen! Dieser Sprung in das kalte Wasser der Marktwirtschaft würde zu einem fröhlichen Plätschern im Stahlbad anziehender Preise werden.

    (Lachen und Rufe bei den Regierungsparteien: Oho!)

    Er würde Lohnanpassungen im ganzen Bereich der
    Wirtschaft und der Fürsorge nach sich ziehen, und die Inflation stünde vor den Toren.
    Einigkeit besteht darüber, daß die Engpässe aufgesprengt werden müssen. Es ist interessant, daß jetzt endlich auch die Regierung begreift, daß auf diesem Gebiet schwere Unterlassungssünden begangen sind.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben schon vor zwei Jahren auf die Engpässe hingewiesen, insbesondere auf das Kohleproblem, das man in Bonn zwei Jahre völlig aus den Augen verloren hatte, weil man sich auf eine bevorstehende Kohlenschwemme einstellte.

    (Widerspruch rechts.)

    — Wollen Sie es nicht glauben? Sie, Herr Professor Erhard, haben noch am 8. November 1950 vor dem Industrie- und Handelstag in Köln erklärt, eine Kohleverknappung sei nicht zu befürchten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Im übrigen: schieben Sie auch da wieder nicht alles auf die Ruhrbehörde ab, wobei ich nur darauf hinweisen möchte: Wir sind es schließlich nicht gewesen, die der Ruhrbehörde zugestimmt haben,

    (Zustimmung bei der SPD)

    die uns jetzt die Kohle abzwackt.
    Wie aber will man nun an die Stellen, deren Kapitalausstattung allzu dürftig geblieben ist, das Kapital heranbringen? Man sage uns nicht: es ist kein Kapital vorhanden. In manchen Zweigen der Wirtschaft wird das Wort „verdienen" gestern und heute groß geschrieben. Die Investitionsrate ist enorm. Die Nettoinvestitionen haben nach Ihren eigenen Feststellungen im letzten Jahre allein 15 bis 16 Milliarden DM ausgemacht. Freilich blieb die Kapitalbildung eine höchst exklusive Angelegenheit, an der der kleine Einkommensträger wegen der Wucherpreise und der schröpfenden Verbrauchssteuern nicht beteiligt war.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die Investitionen haben sich so vollzogen — bei
    Ihnen, Herr Minister, fehlte jeder Hinweis darauf
    daß das weniger Dringliche vor dem Dringlichen erstellt wurde. Weil Sie mir nicht glauben, darf ich mich hier auf die Kronzeugenschaft von Herrn Direktor Abs, Direktor der Kreditanstalt für Wiederaufbau, berufen, der darauf hingewiesen hat, daß man Investitionen durchgeführt habe, die bei vernünftigem Wirtschaftsaufbau in die Jahre 1954 und 1955 gehört hätten, während im Grundsektor der Wirtschaft Investitionen unterblieben seien, die man in den Jahren 1946/47 hätte vornehmen sollen. Das nennen wir Fehlinvestitionen, wohlgemerkt, nicht absolute Fehlinvestitionen — später werden wir auch das einmal gebrauchen können —, aber proportional und zeitlich falsch angesetzte Investitionen.
    Nun erhebt sich nämlich das erste Stockwerk unserer Wirtschaft, in das ich die Konsumgüterindustrien, die Absatz- und Vertriebsorganisation und ihren Anhang verweise, auf zu schmalbrüstig dimensioniertem und verkümmert gebliebenem Fundament. In diesem Fundament sind beheimatet die Grundindustrien, die Energieerzeugung, der Verkehr, der Wohnungsbau usw. Diese Verzerrung der Produktionskapazitäten und -proportionen wirkt sich heute höchst nachteilig aus. Wir stoßen deshalb mit dem Kopf an eine Decke, die unsere Bewegungsfreiheit hemmt.
    Dem Kapital- und Kreditstrom muß also eine andere Richtungstendenz gegeben werden. Das er-


    (Dr. Nölting)

    kennen auch Sie an. Aber die Frage ist: wie macht man das, was schlägt die Bundesregierung vor? Sie schlägt erstens Steuern vor, Steuern, die man dann natürlich nicht für konsumtive Haushaltszwecke verwenden dürfte. Aber, meine Damen und Herren, ehe man uns mit neuen Steuern kommt, soll man uns sagen, was man gegen die Steuerhinterziehungen zu unternehmen gedenkt, die sich nach Schäffers Wort auf 3 Milliarden DM belaufen,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und gegen die Kapitalflucht, die auf 600 bis 800 Millionen DM geschätzt wird.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Im übrigen: wenn schon bei der kleinen Steuerreform gemäß § 7 a des Einkommensteuergesetzes Geld frei wurde, warum hat man dann dieses Geld nicht zielbewußt dem Kapitalmarkt zugeführt? Dann hätte man nämlich jene Manövriermasse in der Hand gehabt, nach der man heute so sehnlich ruft.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die zweite Forderung in Ihrem Lager ist die: Investitionsbildung aus der Lohntüte, indem man die Preise heraufsetzt oder heraufredet, denn beides geschieht heute. Wir werden uns dazu nicht hergeben. Denn wir wissen, die Massen leben nicht mehr am Rande, sie leben vielfach unterhalb des Existenzminimums. Es kommt eine Drosselung des Massenverbrauchs für uns nicht in Frage. Wir wissen durchaus, daß uns Korea manchen Zwang zufügt. Aber wenn wir schon arm sein müssen, dann wollen wir auf anständige Weise gemeinsam arm sein.

    (Beifall bei der SPD.)

    Daran hat es bei Ihrer „sozialen Marktpolitik" bis heute gefehlt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Der dritte Vorschlag, der heute zum Glück nicht aufgeführt wurde, ist das Zwangssparen. Wir wissen, jedes Zwangssparen erschlägt den freiwilligen Sparakt. Außerdem weckt die Volkswagensparaktion unangenehme, aber noch höchst frische Erinnerungen.
    Dafür tragen Sie nun, sehr geehrter Herr Bundesminister, Ihren Lieblingsplan vor, jene Babybonds, die übrigens praktisch auch auf ein Zwangssparen hinauslaufen. Wir wundern uns auf der einen Seite, wie Sie, der Sie doch als Ritter St. Georg ausgezogen sind, um das Ungetüm der Bürokratie zu erlegen, heute bereit sind, einen solchen Organisationsapparat zu erstellen, der für diese Zwecke notwendig wäre.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir fragen Sie zweitens: Wo es so viel Steuerunehrlichkeit im Lande gibt, glauben Sie, daß die Klebeehrlichkeit so viel größer sein würde als die Steuerehrlichkeit?

    (Lachen bei der SPD.)

    Wir fragen drittens: Wäre das mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn Sie nicht sehr breit streuen und dann auch den Massenbedarf einbeziehen wollen? Wir fragen viertens: Steckt nicht in Ihrem Babybondsplan ein logischer Widerspruch? Denn man will doch, um aus der Zahlungsbilanzklemme herauszukommen, überflüssige Einfuhren zurückdämmen. Aber die Hervorlockung von Investitionskapital gemäß Ihrem Plan setzt gerade voraus, daß möglichst viele nicht lebensnotwendige Dinge gekauft und konsumiert werden. Und so verstopfen Sie sich selber die Quellader, aus der dieser Investitionsstrom rinnen soll.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich sagte, wir lehnen diese vier Vorschläge ab.
    Uns ist nur interessant dabei, mit welcher Emphase man plötzlich heute das Hohelied der Sparsamkeit singt, wie man übereinstimmend erklärt, Verbrauchseinschränkung sei das Gebot der Stunde. Wettert Herr Vizekanzler Blücher doch gegen den „törichten Konsum", und Sie haben in Frankfurt davon gesprochen, daß wir den Riemen enger schnallen müßten. Einverstanden, Herr Bundeswirtschaftsminister! Aber wer soll eigentlich mit gutem Beispiele vorangehen?

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Der Sparsamkeitsappell der Minister erreicht nicht
    die Schichten, die hier eigentlich gemeint sind. Ich
    sagte schön: Die Massen leben heute unterhalb des
    Existenzminimums. Sparen kann aber nur der,
    der nicht von der Hand in den Mund leben muß,
    im grausamsten und buchstäblichsten Sinne des
    Wortes. Anregen zur Sparsamkeit kann nur ein
    solches Wirtschaftsprogramm, das Vertrauen in die
    künftige Entwicklung einflößt. An ihm aber fehlt
    es trotz der herrschenden Programminflation, auch
    nach der Rede, die Sie uns heute gehalten haben.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Man wettert gegen die Kaufpsychose, man beschimpft den kleinen Verbraucher. Aber, meine Damen und Herren, diese Kaufpsychose stammt doch nur daher, daß die Bevölkerung sich schutzlos den Preissteigerungen ausgeliefert sieht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wird im Rahmen des Möglichen jede Bedarfsdeckung heute vorweggenommen, so doch nur deshalb, weil Abwarten Selbstmord bedeutet. Aber wie soll der Arbeiter sich groß eindecken, der sich mit etwas Öl und etwas Margarine im allgemeinen schon vollkommen verausgabt hat?
    Und noch einmal die Frage, Herr Bundeswirtschaftsminister: Halten denn eigentlich jene Wirtschaftskreise Disziplin, bei denen Sie so gerne verkehren und bei denen Ihnen soviel Beifall bisher geklatscht worden ist?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aber damit Sie uns nicht sagen: ia, das war nur wieder negative Kritik. möchte ich dem Hause nun gern unsere Vorschläge entwickeln. Unerläßliche Voraussetzung — das haben wir immer betont — für eine genügende Kapitalbefruchtung der Engpaßbereiche ist die Bseitigung aller eine. unerwünschte Selbstfinanzierüng förderden Steuervergünstigungen. wozu viel zu lange Zeit der § 7 a die Handhabe geboten hat. Hoffentlich knmmen wir bald zu einem Zustand, wo das wenigstens besetigt ist.
    Wir sagen als zweites: Notwendig ist eine zielbewußte Lenkung der sich bei Sparkassen, Versicherungen und anderen Kreditinstituten ansammelnden Kauitalien.

    (Abg. Dr. Vogel: Das geschieht ja doch im Wohnungsbau!)

    Wir sagen als drittes: Wir fordern eine Investitionsanleihe aus Gewinnen und aufgebauschten Abschreibungen und Rückstellungen in jenen Wirtschaftszweigen, deren weiterer Ausbau zur Zeit überflüssig oder überhaupt unerwünscht erscheint. Sehen Sie, meine Damen und Herren, wenn jeder beliebig investieren und seinen Produktionsapparat nach eigenem Gusto vergrößern kann, dann braucht ja auch dieser Mann für die


    (Dr. Nölting)

    Vergrößerung künftig mehr Kohle, mehr Stahl, mehr Strom, mehr Gas, — alles Dinge, die wir nicht genügend haben. Schon deshalb kann eine beliebige Produktions- und Kapazitätserweiterung nicht jedem zugestanden werden, ohne daß zumindest ein Bruchteil der Investitionen in jene Bezirke abgeführt wird, wo die Engpässe bestehen. Die so anfallenden Gelder wollen wir in einem Sonderfonds ansammeln, aus dem alsdann eine gesteuerte Kapitallenkung erfolgt zum Zwecke des Einsatzes in den Engpaßbereichen. Es soll also keine weitere Selbstfinanzierung unwichtiger volkswirtschaftlicher Industrien erfolgen, ohne daß sie empfindlich steuerlich belastet wird.
    Als weitere Maßnahme die Überverbrauchssteuer, die zusätzlich zu der Einkommensteuer hinzutreten und den Überkonsum, d. h. den nicht lebensnotwendigen Verbrauch der Träger hoher Einkommen erfassen soll, mit dem man der Sparleistung ausgewichen ist; also, meine Damen und Herren, um es ganz deutlich zu sagen, eine Zusatzsteuer auf hohe, nicht gesparte Einkommen; eine sozial gestaffelte direkte Verbrauchssteuer, die einer unsozialen generellen Erhöhung der Umsatzsteuer bestimmt vorzuziehen ist und die auch bestimmt viel wirksamer ist als die bloße Luxussteuer. Von dieser Steuer kann man sich insoweit befreien, als man von seinem mehrverbrauchssteuerpflichtigen Einkommen Kapital für die Engpaßindustrien durch Erwerb von Anleihen, von Aktien oder in anderen Sparformen zur Verfügung stellt. Der Zweck dieser Steuer ist also sowohl finanzpolitisch wie gleichzeitig auch konsum- und kapitallenkend, und ich glaube, das ist außerordentlich wichtig.
    Und nun zum Schluß, meine Damen und Herren: Diese Engpässe bilden sich immer mehr zu Bremsen und Flaschenhälsen für unseren Export aus. Unsere Ausfuhrziffern — das ist j a das Betrübliche — hinken hinter unseren Einfuhrziffern hinterdrein, und noch mit jedem Monat hat die Auslandsverschuldung zugenommen. Das gilt auch für den Monat Februar, für den die Zahlen heute veröffentlicht wurden.
    Liberalisierung, meine Damen und Herren, ist
    an sich ein guter Gedanke, nur ein Gedanke, der
    ebenfalls nicht zeitlos gedacht werden kann. Natürlich ist eine hohe Ausfuhr, wenn sie sich erreichen
    läßt, auch uns lieber als eine gesenkte Einfuhr;
    man soll uns nicht mit solchen Selbstverständlichkeiten und Lappalien kommen. Wir behaupten
    aber: Auch auf der Schiene der Liberalisierung
    kann man nicht ohne Fahrplan fahren. Ihre Ausgangsvorstellung, Herr Professor Erhard, war: Man
    muß nur den anderen tüchtig etwas abkaufen, dann
    werden sie uns selbst auch schon entsprechende
    Warenbezüge abnehmen! Dabei gab es aber leider
    die bekannten Ladehemmungen, und nun türmt
    sich vor uns ein bedrohliches Schuldengebirge in
    die Höhe. Wir haben unbedacht und voreilig Vorleistungen erbracht, die zu keiner Zug-um Zug-
    Reaktion bei den anderen Partnern geführt haben.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das sozialdemokratische Arbeitsbeschaffungsprogramm vom Jahre 1950 enthielt den Satz:
    Die Liberalisierung des Außenhandels ist an
    die Bedingung der Gegenseitigkeit zu knüpfen,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    sie ist durch eine Regulierung der Einfuhr zu begrenzen, soweit die neugeschaffene Nachfrage zu einer nicht auf die Dauer auszugleichenden Passivierung der Handelsbilanz führt.
    Wären wir diesem Satz gefolgt, und wäre man nicht Ihrem sehr starken, in diesem Falle höchst persönlichen Ehrgeiz nachgelaufen, Herr Bundeswirtschaftsminister, würde uns allen heute wohler sein.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Uns als dem schwächsten Glied in der Kette der europäischen Wirtschaftsvölker kommt hier keine Spitzenführung zu; wir können nicht den forschen Schrittmacher markieren. , Der Begriff des Mitläufers ist doch sonst bei uns so populär, meine verehrten Damen und Herren!

    (Heiterkeit.)

    Bananen und kalifornische Früchte, Datteln und Feigen, Zitronen, Apfelsinen und Pampelmusen, weiße und blaue Trauben aus Bulgarien, Hummer, Kaviar und Lippenstifte in allen Ehren. Aber es hat sich hier ein leichtfertiger Dilettantismus, es hat sich eine bedenkliche Großmannssucht ausgetobt, und man hat alle unsere Warnungen in den Wind geschlagen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben uns mehr Luxus gegönnt, als man sich bei einem Produktionsindex von 117, gerechnet auf das Bezugsjahr 1936, leisten kann, wenn man nicht zum Bankrotteur werden will.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Wir konnten es uns nicht leisten, daß man unsere Äpfel und Birnen verfaulen ließ, daß das Frühgemüse hier im Bonner Vorgebirge untergegraben werden mußte. Es fehlte, Herr Professor Erhard, eben an der richtigen Abstimmung in bezug auf das Tempo und in bezug auf den Umfang; es fehlte an der Abstimmung auf ein strikt an Gegenleistungen gebundenes Tempo.
    Was Sie jetzt als Importsog beschimpfen — übrigens eine Zwischenfrage: wenn es zutrifft, daß die Preise im Ausland so viel stärker gestiegen sind als bei uns, woher kommt dann eigentlich immer noch dieser Importsog? —; dann müßte doch das umgekehrte Gefälle herrschen! —,

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD)

    ich sage: was man jetzt als Importsog beschimpft, ist ja nichts als die Folge unserer planlosen Außenhandelspolitik, die uns um unsere Kreditwürdigkeit, leider aber weitgehend auch um unsern guten Ruf in der Welt gebracht hat. Wie lange haben Sie auf den Regierungsbänken England verhöhnt!

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wie haben Sie sich lustig gemacht über jene Austerity, die heute von Ihnen als stolzes Ideal gepriesen wird!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Drüben ist man durch die Mauser hindurch, die wir noch vor uns haben, verehrter Herr Bundeswirtschaftsminister!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Drüben hat man sich gesundgehungert, während man sich bei uns durch den Luxuskonsum einer dünnen Oberschicht — wenn der Herr Präsident das Wort verzeiht — kaputt gefressen hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Und es war bestimmt kein Ideal sozialer Marktwirtschaft, das damit erreicht wurde: übersteigerter, raffinierter Konsum und Gaumengenuß schmaler Bevölkerungsschichten auf der einen Seite, parallel gehend mit auswegloser Not auf der andern Seite.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)



    (Dr. Nölting)

    Verehrte Damen und Herren! Ich weiß, die Kreditlinie, die man uns einräumte, ist sehr, ist zu schmal bemessen. Aber wäre es dann nicht gerade doppelt notwendig gewesen, mit besonderer Sorgfalt zu planen, wenn ab Mai der Sonderkredit zurückgezahlt werden muß?

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Herr Professor Erhard, Sie haben in Lüdenscheid gesagt: der Nölting soll wissen, es steht alles auf einem Sonderkonto bereit. Heute haben Sie sich aber darüber ausgeschwiegen. Jedenfalls wird damit die letzte Manövrier- und Manipulationsmasse auf außenwirtschaftlichem Gebiet verbraucht sein, und die Länderzentralbank hatte recht, als sie gestern schrieb: dann müssen hierfür unsere letzten Devisenreserven verpfändet werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Sehen Sie, meine Damen und Herren, das sind die Nöte, das sind die Wundstellen und das sind zugleich die Anklagepunkte, die wir in den Mittelpunkt unserer Rede rücken: die Teuerung, die Arbeitslosigkeit, die Engpässe und die heillose Auslandsverschuldung.
    Ich habe mit Absicht keine „akademische Rede" gehalten. Ich habe mit konkreter Gegenständlichkeit gesprochen. Und doch, glaube ich, waren meine Ausführungen mehr als nur Einzelheiten. Man braucht nur dem Entstehungsgrund und dem Quell nachzuforschen, dann stößt man überall auf die Unmöglichkeit der ganzen Konzeption einer Wirtschaftspolitik, die immer mehr in dogmatischer Erstarrung in den luftleeren Raum gerät und der der Boden längst unter den Füßen weggezogen ist.
    Sie, die Sie so gerne das Wort ,.marktkonform" hören, Sie sind nicht mehr zeitkonform.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Wir haben uns gefreut — und ich möchte unsere Genugtuung darüber bekunden —, daß Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, heute nicht wieder auf die Ebene der „Zwangswirtschaft" ausgewichen sind.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aber ich glaube, Sie hatten dafür Ihre guten Gründe.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Denn uns kann man sie nicht mehr andichten: aber bei Ihnen rückt sie in gefährliche Verwandtschaftsnähe.

    (Sehr gut! bei der SPD.) Zwangswirtschaft ist, stelle ich noch einmal fest, verkrüppelte Notstandswirtschaft, niemals wünschenswert, aber leider zu gewissen Zeiten notwendig. Zwangswirtschaft ist die Ergänzung einer freien Wirtschaft, Ihrer freien Wirtschaft,


    (lebhafte Zustimmung bei der SPD)

    da, wo sie nicht mehr weiter kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Deswegen fürchten wir. daß uns bald eine Neuauflage bevorsteht. Dieser Bundeswirtschaftsminister. der einstmals ruhmredig auszog. sie zu bekämpfen. ist nun bald so weit gekommen. daß er bei ihr landet. Bei den Kundenlisten im Kohlenhandel für die Hausbrandversorgung buchstabieren und stottern Sie bereits an dem Wort „Zwangswirtschaft" herum.

    (Zuruf des Abg. Dr. Hasemann.)

    Und die Stromabschaltungen und die Einschränkungen des Zugverkehrs sowie die heute angekündigte straffe Lenkung des Schrotts und ähnliche Maßnahmen,— sind das nicht alles Symptome einer marktwirtschaftlichen Ratlosigkeit, der nur Zwangswirtschaft als letzter Ausweg bleibt?

    (Sehr gut! bei der SPD. — Zurufe von der FDP.)

    Damit, Herr Bundeswirtschaftsminister, schließt sich der Kreis. Damit ist die Bahn durchmessen, die zu durchlaufen Ihnen bestimmt war. Seien Sie überzeugt: w i r werden das verhaßte Wort Zwangswirtschaft bestimmt nicht zuerst sprechen; über unsere Lippen wird es nicht kommen, denn wir wollen keiner neuen Dolchstoßlegende Starthilfe leisten.
    . (Zustimmung bei der SPD.)

    Die Sozialdemokratie gibt sich nicht gemeinsam mit diesem Kabinett zu einer Pokerpartie der Brotkarte und der Zwangswirtschaft her!

    (Beifall bei der SPD.)

    In einer wirklich funktionierenden Demokratie hätte dieser Wirtschaftsminister nach dem, was er uns heute über die von ihm und unter ihm herbeigeführte Situation auseinandersetzte, längst die Konsequenz seines Rücktritts gezogen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aber, meine Damen und Herren, er denkt offenbar nicht daran. Er spricht heute von Planung, — er, der uns neulich noch höhnisch sagte: ein bißchen Planwirtschaft gibt es genau so wenig wie ein bißchen Schwangerschaft.

    (Große Heiterkeit links.)

    Deshalb glauben wir: es wird auch immer nur ein
    bißchen Erhard bei dieser Planung vorhanden sein.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auf der Pressekonferenz hat unlängst ein neugieriger Journalist Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, gefragt, ob Sie zurückzutreten gedächten. Sie haben ihm lächelnd geantwortet: „Sehe ich etwa so aus?" — Begreifen Sie nicht, daß die deutsche Wirtschaft so aussieht,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    daß eine solche Konsequenz dringend geboten erscheint?

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wenn diese Konsequenz durch den zuständigen Minister offenbar nicht gezogen wird, dann muß sie ihm vom Parlament nahegelegt werden, nahegelegt werden in einer Weise, deren peinliche Deutlichkeit uns die vorliegende Situation bedauerlicherweise aufzwingt. So habe ich im Namen meiner politischen Freunde folgenden Antrag der SPD zu überreichen:
    Der Bundestag wolle beschließen:
    Das Amtsgehalt des Bundesministers für Wirtschaft wird gestrichen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD. — Lachen und Zurufe bei den Regierungsparteien. — Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ehe ich weiter das Wort erteile,

(anhaltende Zurufe von der SPD und Gegenrufe von den Regierungsparteien)

bitte ich, mir zu gestatten, Ihnen einen Vorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Punktes 12 der Tagesordnung
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mühlenfeld und Fraktion der DP betreffend Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes (Nr. 2006 der Drucksachen)



(Vizepräsident Dr. Schmid)

zu machen. Dazu möchte der Herr Bundesinnenminister selbst sprechen. Er kann aber von 8 Uhr abends ab nicht mehr anwesend sein und hat mich gebeten, hier anzuregen, diesen Punkt zu vertagen. Die antragstellende Fraktion ist damit einverstanden. Ist das Haus damit einverstanden, daß ich den Punkt absetze?

(Zustimmung.)

— Ich danke Ihnen.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Semler.

(Zuruf von der SPD: Nachfolger oder Vorgänger? — Abg. Dr. Semler: Vorgänger!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Johannes Semler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Öffentlichkeit wie in der Presse der letzten Wochen und Monate schien eine Unruhe über die Frage obzuwalten, welche Maßnahmen die Bundesregierung angesichts der unleugbar schwierigen allgemeinen Situation zu treffen bereit sein würde. Mein hochverehrter Herr Vorredner hat in seinen Ausführungen der Bundesregierung den Vorwurf gemacht, daß sie nicht in der Lage gewesen sei, diesem Hause wie der Öffentlichkeit ein der Zeit entsprechendes Programm vorzulegen. Zum anderen hat er gerügt, daß im Bundeskanzleramt — wie er es nannte — ein Miniatur-Wirtschaftsministerium im Entstehen sei. Hierzu möchte ich im Namen meiner Freunde ausdrücklich feststellen, daß wir volles Verständnis dafür haben, daß die Bundesregierung angesichts der überaus schwierigen Lage sich nicht nur beraten, sondern gut und vielseitig beraten läßt. Aber ebenso sind wir der Meinung, daß diesem Hohen Hause gegenüber für die Führung der Wirtschaftspolitik einzig und allein der Wirtschaftsminister verantwortlich ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Wenn uns nun heute anläßlich der Beratung des Haushalts dieses Ministeriums der zuständige Minister seine Gedanken über die Maßnahmen dargelegt hat, die der Steuerung der gegenwärtigen Schwierigkeiten dienen sollen, dann begrüßt meine Fraktion diese Tatsache, zumal meine Freunde in den von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister entwickelten Gedankengängen durchaus fruchtbare Grundlagen für eine Behebung der Schwierigkeiten sehen. Ein Wirtschaftsprogramm im eigentlichen Sinne hat uns der Herr Bundeswirtschaftsminister allerdings nicht vorgetragen.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Dr. Koch: Das kann man wohl sagen!)

    Mein verehrter Herr Vorredner hat diese Tatsache gerügt. Er hat dann am Schluß seiner Ausführungen diesem Hause eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet. Aber, meine Damen und Herren, auch diese Vorschläge, die ohne Zweifel wert sind, daß wir sie prüfen, sind kein Wirtschaftsprogramm.

    (Abg. Dr. Nölting: Wurde nicht behauptet! Aber der Herr Minister hatte gesagt: Ich verkünde heute ein Programm!)

    — Sehr verehrter Herr Professor, ich glaube, weder Sie noch ich noch der amtierende Bundeswirtschaftsminister wird die Notwendigkeit bejahen wollen, grundstürzende Entscheidungen in der Form eines völlig neuen Wirtschaftsprogramms heute zu empfehlen in einer Lane, in der es darauf ankommt, mit behutsamer Hand diejenigen chirurgischen und möglicherweise auch operativen Maßnahmen zu treffen, die den Gesundheitszustand, soweit er nicht besteht, wiederherstellen. Daher glauben wir nicht, daß ein umfassendes Wirtschaftsprogramm der Sachlage gerecht wird. Aber was wir erwartet haben und was wir erhoffen, ist eine Folge sinnvoll durchdachter Maßnahmen, mit denen man der Schwierigkeiten auf den verschiedenen auch von uns klar erkannten Gebieten Herr werden kann.
    Bei den Schwierigkeiten, die heute bestehen, sollte man allerdings nicht die ganze Schuld einem System zuschieben, das von einem Teil dieses Hohen Hauses nicht anerkannt wird. Denn schließlich und endlich kann dieses System der Marktwirtschaft in den vergangenen Jahren gewisse Ergebnisse aufweisen, die man nicht wegleugnen kann.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wo Licht ist, meine Herren, ist auch Schatten; und auch in der Marktwirtschaft gibt es Schatten. Aber wenn man die Schatten scheut, dann muß man auf das Licht auch verzichten.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Meine Freunde jedenfalls waren nicht bereit, auf das Licht zu verzichten. Meine Freunde haben die Politik des Bundeswirtschaftsministers insbesondere seit der Währungsumstellung aus einem ganz bestimmten Grunde gestützt und gehalten. Während der Reichsmarkzeit und der ersten Ansätze einer wiedergewonnenen deutschen Wirtschaftsverwaltung, wie wir sie damals in Frankfurt hatten, gab es in der Tat nur eine einzige Aufgabe. Sie hat mein Vorgänger Agartz begonnen, und auch mir blieb damals gar nichts anderes übrig, als sie weiter fortzuführen: in den Grundindustrien zunächst keinmal die elementarsten Fundament-arbeiten zu leisten. Wir konnten ja an gar nichts anderes denken, und ich bitte die Damen und Herren, sich noch einmal die Zeiten der Jahre 1946 und 1947 mit ihren unmöglichen Produktionsbedingungen und Wirtschaftsbeschränkungen zu erinnern.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Aber als dann die Währungsumstellung eine Erweiterung unserer Aktivität erlaubte, da war doch das Ziel der Wirtschaftspolitik die Ausweitung unserer Leistung nach jeder Richtung hin und insbesondere für den Außenhandel die Schaffung der Grundlagen für die Sicherung unserer Lebenshaltung. Sie mögen das eine oder andere kritisieren. Gewiß, die Marktwirtschaft in dieser Form hat, wie gesagt, auch ihre schwachen Seiten. Aber die Tatsachen und' Zahlen, die in den vergangenen zwei Jahren mit dieser Marktwirtschaft herbeigeführt sind, diese Leistungssteigerung unserer gesamten Industrie, diese Ausweitung unseres Außenhandels, sind mit eben dieser Marktwirtschaft erzielt, und der Beweis ist nicht erbracht, daß dieses Ziel auf anderem Wege besser erreicht worden wäre.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Infolgedessen kann gar keine Rede davon sein, daß meine Freunde etwa in besserer Erkenntnis sich heute von diesen Grundsätzen abwenden


    (erneuter Beifall bei den Regierungsparteien) und nunmehr neuen, ihnen nicht geläufigen Grundsätzen einer Planwirtschaft zuwenden.

    Wenn wir den Mut haben — und diesen Mut hat der Herr Bundeswirtschaftsminister heute bewiesen —, ganz offen diejenigen Maßnahmen anzukündigen, die zu einem erheblichen Teil auf planwirtschaftlichem Gebiet liegen, wenn wir diesen Mut haben und damit auch nach draußen vor das Volk treten, dann tun wir das in dem Be-


    (Dr. Semler)

    wußtsein, daß diese Maßnahmen dazu helfen sollen, Schwierigkeiten zu überwinden, die sicher nicht durch die Prinzipien der bisherigen Regierungspolitik herbeigeführt sind, sondern die insbesondere auf zwei Faktoren beruhen. Der eine Faktor ist die Korea-Krise, von der nun schon so oft gesprochen worden ist. Aber der andere Faktor wird viel zu wenig beachtet. Auch ohne Korea, meine Damen und Herren, wäre das Jahr 1952 und damit das Ende des Marshall-Plans näher gerückt. Ich habe mir die Mühe gemacht, noch vor kurzem einmal die Berichte der damaligen amerikanischen Militärregierung aus den Jahren 1946 und 1947 durchzusehen. Meine Herren, was damals in einer Prognose für einen deutschen Außenhandel in den kommenden Jahren bereits als Optimum bezeichnet ist, das haben wir seit langem weit hinter uns gelassen,

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr richtig!)

    und weil dem so ist, darum dürfen wir durchaus vertrauend an unseren Grundsätzen festhalten. Allerdings haben wir wohl nicht erwartet — es wäre ein sträflicher Optimismus gewesen, das anzunehmen —, daß wir bis zum Jahre 1952 bereits in der Lage sein würden, auf dem gesamten Gebiet des Außenhandels eine ausgeglichene Bilanz vorzulegen. Ich möchte nicht so phantastisch sein, zu glauben, daß wir ohne Korea-Krise dieses Ziel erreicht hätten. Aber ich glaube eines: daß, wenn die Politik ohne diese außerordentlich erheblichen Störungen von außen stetig fortgeführt worden wäre, wir uns in der Tat im Jahre 1952 einer Situation gegenüber gesehen hätten, die uns ein Operieren dann allerdings sehr leicht gemacht hätte. Das ist nun nicht möglich, und wir haben daraus ebenso wie aus den Folgen von Korea die Konsequenzen zu ziehen.

    (Zuruf von der SPD: Zu spät!)

    — Es ist nicht zu spät, verehrter Herr Zwischenrufer! Es ist nicht zu spät; denn wenn wir vorher, bevor Korea kam, einschränkende Maßnahmen getroffen hätten, dann hätten wir diesen Zug der Entwicklung unterbrochen, der uns auf der einen Seite zu dieser erheblichen Leistungssteigerung, zum andern zu dieser außerordentlich gestärkten Außenhandelslage gebracht hätte. Allerdings, beides wäre nach meiner Überzeugung in den vergangenen zwei Jahren nicht zu machen gewesen, und auch da, verehrter Herr Professor, haben Sie die Antwort noch nicht gegeben.
    Ich glaube, wir sind vielleicht in dem Punkt einig: Wir konnten in den letzten zwei Jahren nicht sowohl die Güterindustrien auf den heutigen Stand führen und gleichzeitig das sehr erstrebenswerte und notwendige Ziel der entsprechenden Steigerung der Basisindustrien erreichen. Das war nicht möglich, und das müssen Sie, glaube ich, auch zugeben. Wenn das richtig ist, meine Damen und Herren, dann war es die politische Entscheidung, welche der beiden Seiten man den Vorzug geben wollte. Der Bundeswirtschaftsminister hat in seiner Politik dieser zwei Jahre der Entwicklung des gesamten Industrievolumens den Vorzug gegeben. Er konnte es so lange, als die Kapazität der Basisindustrien in etwa ausreichte, um die Umsätze der übrigen Industrie zu tragen. Erst seit Mitte vorigen Jahres ist dann dieser Engpaß in der Tat aufs äußerste evident geworden. Auch wir hätten es vielleicht begrüßt, wenn bestimmte Maßnahmen schon früher eingeleitet worden wären; denn es wäre vielleicht möglich gewesen, die angespannte Lage, in der wir uns heute speziell auf dem Gebiet des Außenhandels und der Außenzahlungsbilanz befinden, zu mildern. Aber, meine Damen und Herren, diese Maßnahmen waren ja wiederum nicht einseitig von uns zu treffen. So sollte man die Kritik nicht ansetzen, daß man hier dem verantwortlichen Minister die Schuld zuschiebt oder gar als Anklagevertreter auftritt, wo wir doch wissen, daß wir auf dem Gebiet des Außenzahlungswesens in unseren Entscheidungen in gar keiner Weise frei sind, daß wir vertragliche Bindungen haben und daß jede Initiative ihre Zeit braucht, bis sie sich voll entwickeln kann. Insoweit ist allerdings die augenblickliche angespannte Lage Anlaß auch für die anderen Länder der Europäischen Zahlungsunion, nachzudenken, wie sie mit uns gemeinsam die Lösung finden. Wir dürfen uns, glaube ich, die Hoffnung machen, daß wir aus den beiderseitigen Interessen heraus eine Lösung finden werden.
    Hier sollten wir nicht zu pessimistisch sein. Bei allen Schwierigkeiten der Lage, die auch wir klar sehen, ist es doch so, daß wir mit energischen Maßnahmen, die wir jetzt treffen werden, immerhin im Laufe eines halben Jahres oder bis zum Ende dieses Jahres diese Schwierigkeiten im Außenzahlungswesen überwunden haben werden. Hier allerdings wird der Erfolg nur dann möglich sein, wenn zwei Elemente von der Regierung mit Erfolg angepackt und mit absolut eiserner Energie verfolgt werden: die Elemente, die leider notwendig sind, um einerseits vorübergehend eine Importeinschränkung durchzuführen und andererseits den Export nicht nur zu halten, sondern weiterhin zu steigern.
    Zu diesem Zwecke sind meine Freunde der Ansicht, daß wir dem Bundeswirtschaftsminister diejenigen Vollmachten und Ermächtigungen geben sollten, die über das von uns kürzlich beschlossene Gesetz hinausgehen, soweit es sich um die Förderung des Exports, um die Beseitigung der Engpässe und die Förderung der Grundindustrien, um den Schiffsbau und den sozialen Wohnungsbau handelt, und wir gehen so weit, daß wir von der Regierung Vorlagen erbitten, damit in der verfassungsmäßig zulässigen Form Bewirtschaftungsanordnungen vom Bundeswirtschaftsminister getroffen werden können,

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    die nicht nur Negativlisten umfassen, die nicht nur Prioritäten ermöglichen, sondern dort, wo es notwendig ist, auch Positives einleiten können. Mögen Sie sich über uns mokieren, meine Damen und Herren, und sagen, die Einsicht komme uns reichlich spät, wir werden nicht zögern, den Bundeswirtschaftsminister mit allen Mitteln, die uns geeignet erscheinen, zu unterstützen, um die momentanen Schwierigkeiten und die augenblickliche Krise zu überwinden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die Worte des Herrn Bundeswirtschaftsministers, die er über die künftige Preispolitik der Regierung gesprochen hat, ernster zu nehmen, als es teilweise hier in diesem Hause geschehen ist. Ich darf Ihnen sagen, daß wir im Gegensatz zu Überlegungen, die in 'der letzten Zeit hinsichtlich der Preisentzerrung und der Herstellung einer Preisstabilität gepflogen wurden, heute im Kreise meiner politischen Freunde einhellig der Meinung sind, daß die Preisstabilisierung ausschließlich mit der Wirkung nach unten durchgeführt werden darf, und wir erwarten von der Bundesregierung Vorschläge mit


    (Dr. Semler)

    den schärfsten Maßnahmen und Mitteln, damit dieses Ziel erreicht wird. Ich glaube nicht, Herr Professor, daß es möglich ist, lediglich mit einem Preisgesetz oder einem Preisstop dieser Schwierigkeiten Herr zu werden.

    (Abg. Dr. Nölting: Das glaube ich auch nicht!)

    Es mag sein, daß ein Preisstop einmal eine Wirkung haben kann, ich will es nicht bestreiten; aber ich halte es für denkbar und vor allen Dingen für notwendig, durch ein sorgsam zusammengestelltes Bukett wirksamer Maßnahmen

    (Abg. Dr. Nölting: Das habe ich ausdrücklich gesagt!)

    preislich einen Druck auf die Wirtschaft und diejenigen Teile der Unternehmerschaft auszuüben, die der Situation, wie sie heute besteht, offenbar noch nicht ganz gewahr geworden sind. Das heißt, auch auf dem Gebiet der Geld- und Kreditpolitik werden wir härtere Maßnahmen benötigen, als sie bisher getroffen worden sind. Denn wenn diese Politik einen Erfolg haben soll, dann hat sie zur Voraussetzung, daß alle Vorratsläger bis auf das letzte entbehrliche Kilo dem Konsum zur Verfügung gestellt werden. Sie hat zur Voraussetzung, daß der Einzelhandel laufend von der Industrie beliefert wird, hat zur Voraussetzung, daß der bekannte Marktdruck herbeigeführt wird, ohne den auf die Dauer die Preisstabilisierung nach unten nicht möglich ist.
    Hier allerdings, meine Damen und Herren, geht mein Appell an den Herrn Bundeswirtschaftsminister, die äußerste Energie und die schärfste Strenge walten zu lassen. Hier sollte es keine Schonung geben. Hier sollte dieses Hohe Haus im Wirtschaftsstrafrecht diejenigen Bestimmungen schaffen, die den Behörden gestatten, wirklich ) nachdrücklich vorzugehen, wenn es einmal notwendig ist. Wenn wir das tun und in dieser Richtung mit unserer Politik Erfolg haben werden — und ich glaube daran, daß man mit dieser Politik Erfolg haben kann —, dann ergibt sich von selbst die Notwendigkeit, daß wir unter dem betonten Gesichtspunkt der sozialen Fürsorge vor allen Dingen für die wirtschaftlich schwachen Schichten unseres Volkes eine Lebenshaltung stabilisieren, die mit dem Einkommen wenigstens einigermaßen in Einklang steht. Hier erwarten wir von der Bundesregierung, daß sie uns diejenigen Vorschläge macht, die angesichts der begrenzten, für Subventionen zur Verfügung stehenden Beträge den höchsten effektiven Einsatz dieser Subventionen unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der schwachen Bevölkerungsteile bewirken können.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wenn die Bundesregierung in dieser Richtung die notwendige Energie und Tatkraft aufbringt, dann kann sie mit diesen Mitteln in der Preispolitik sehr wesentlich dazu beitragen, daß der Spartrieb der Bevölkerung wieder wächst. Sicherlich wäre es erwünscht, der Bevölkerung auch Titel zur Anlage ihrer Ersparnisse zu geben, die irgendwie wertbeständig sind. Aber, meine Damen und Herren, der wertbeständigste Titel für ein Ersparnis ist ein gleichbleibendes, stabiles Preisniveau. Diese Überzeugung muß die Bevölkerung wiedergewinnen, soweit sie sie heute verloren hat. Diesem Ziel und allein diesem Ziel muß die Politik der Bundesregierung auf diesem Gebiete dienen. Dann allerdings, wenn es gelingt, die heutige Psychose der Käuferschaft am Markt einzudämmen und die Bevölkerung wieder langsam zum Sparen hinzuführen — und sie wird dahin gehen, wenn es gelingt, das Preisniveau zu halten und wieder abzusenken —, dann ist bereits ein Teil der Probleme, die uns Sorgen machen, gelöst.
    Ich stimme dem bei, daß hinsichtlich der Ersparnisse, die sich bei den Sparkassen und Versicherungen und anderen großen Geldsammelstellen befinden, selbstverständlich im Interesse der notwendigen Investitionen gehandelt werden muß. Hier liegt ein Element für die Bereitstellung von Kapital, um die dringenden Investitionsbedürfnisse zu befriedigen. Das hindert nicht, daß wir uns — ob wir wollen oder nicht — mit der Frage befassen müssen, wie wir darüber hinaus die derzeitige Kaufneigung unserer Bevölkerung eindämmen. Es spielen zwei Gesichtspunkte hinein; einmal der Gesichtspunkt, daß es notwendig ist, aus dem Sozialprodukt heraus eben einen großen und nennenswerten Anteil für die Investitionen in den Basisindustrien, im Export, in der Schiffahrt und in der Energie zu schaffen. Weiter ist es aber unerläßlich, daß wir unserer Bevölkerung — und wenn es sein muß, mit brutaler Offenheit — die Situation klarlegen, daß eben in dieser Übergangszeit, bis wir den Ausgleich unserer Außenhandelsbilanz erreicht haben, sparsame, vielleicht sogar sparsamste Lebenshaltung notwendig ist. Die Bundesregierung sollte sich nicht scheuen, dieses ganz offen als eine unerläßliche Notwendigkeit auszusprechen. Der Bundeswirtschaftsminister hat dies heute getan. Er hat uns heute in großen Zügen sein Programm vorgelegt. Er hat uns versprochen, daß wir in allernächster Zeit in Teilvorlagen dieses Programm hier zur Beratung in unserem Kreis finden werden. Unsere Fraktion wird dieses Programm unterstützen, soweit es den Zielen dient, die ich soeben entwickelt habe. Wir werden dieses Programm zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister in der Richtung entwickeln, daß es geeignet ist, die Schwierigkeiten der kommenden Monate zu überwinden, aber auf der anderen Seite allen sozialen Bedürfnissen Rechnung trägt.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)